Meytal Cohen – The Witness
„Her mind is Tiffany-twisted, she got the Mercedes Benz.“ Es dürfte schnurzpiepe sein, an welcher Textstelle man einsetzt – der Eagles-Jahrhundertsong „Hotel California“ bleibt unverkennbar. Und sogleich zieht man den Kopf ein, denn jeder musste sich im Leben schon mit gruseligen Coverversionen schikanieren lassen. Dass es auch genussvoll geht, beweist nun Meytal Cohen auf ihrer CD The Witness. Wir kommen darauf zurück und halten fest: Meytal ist die reinste Web-Ikone der Coveritis. Drums spielt die 1984 geborene Israelin seit ihrem 18. Lebensjahr, aber erst seit 2009 gehen ihre Videos ab wie Zäpfchen. Alles begann quasi mit einem Misserfolg. Die Wahlamerikanerin Meytal hatte sich für „America’s got talent“ beworben und ihre dort eingereichte Einspielung von „Toxicity“ (Original: System of a Down) eher aus Frust über das Jury-Veto auf YouTube geladen. Millionenfach poppte bei den Usern der Daumen nach oben.
Man könnte Meytals halboffene Bluse ebenso wie ihr unverschämt gutes Aussehen als hemmungsloses Clickbaiting einsortieren. Wer aber das angestrengte Klopfen des muskelbepackten Original-Drummers John Dolmayan mit Meytals leichtfüßiger Performance vergleicht, verwirft jeden bissigen Verdacht. Die Lady zuckelt lächelnd-elegant ihre 32tel auf die Snare, als wäre sie noch nicht mal in der Warmlaufphase, dabei so präzise, dass jedes Schweizer Ührchen blass um die Nase wird. Das Blut war geleckt, die lachende Bitch fasste den Plan, ihre 100 Lieblingssongs fürs Netz zu covern. Man darf sich da getrost mal durchhangeln, denn neben Perfektion, Tempo und Seele sind es gerade auch Vielseitigkeit und Erfindungsreichtum, die ihr Trommeln ausmachen.
Doch das alles nur zur Einstimmung in ein Talent, das dem Covern entwuchs, mit „Breathe“ und der Band Meytal den ersten eigenen Song, dann mit Alchemy 2015 das erste Album produzierte. The Witness heißt nun der Nachleger des Jahres 2019. Er ist ebenso wie die Debütscheibe mit dem Crowdfunding-Modell der Plattform Kickstarter finanziert. Wer Backer war, also edler Spender, erlebte Meytals zweites Talent: Jungs und Mädels bei der Stange zu halten, sie mitfiebern zu lassen, ihnen das Gefühl zu vermitteln, den Erfolg gemeinsam mit der Macherin errungen zu haben
Mit Lead- und Rhythmusgitarre, Bass, Gesang und Schlagzeug ist die Band Meytal absolut klassisch formiert. Sie verzichtet weitgehend auf das, was keinen Anspruch auf handgemachte Musik erheben darf, und klingt doch nie altbacken. Die Songs sind hart gefedert, dröhnen metallisch über den Rhythmusteppich, den Meytal ausrollt. Ihr Name übrigens rührt nur zufällig, dennoch teils passend an die Musikrichtung Metal, er entstammt dem Hebräischen und bedeutet Tauwasser. Darauf darf man sich verlassen und auch Abschied vom Headbanging nehmen. Die Drummerin bleibt bei aller Wucht der Songs und Dynamik ihres Beats eine coole, tiefenentspannte Socke, auf deren Schwingungen das ansonsten partiell nervöse Album baut.
Und dann kommt eben doch jener halluzinogene Coversong, der offenbar in den Fingern juckte: „Up ahead in the distance I saw a shimmering light. My head grew heavy and my sight grew dim, I had to stop for the night.“ Im Unterschied zu den Eagles pfeffert Meytal ihre Grooves erst in die folgende zweite Strophe und zieht dann kräftig am Song, der sich mit dem Trommelgrollen vom „warmen Duft der Colitas“ verabschieden muss. Der Mohn hat seine Schuldigkeit getan, der Mohn kann gehen. Zurück bleibt eine neue Sicht der Dinge statt einer weiteren Aufgussübung.
Mit ihrem Produktionsmodell via Kickstarter hat sich Meytal Cohen die Kontrolle über die Vermarktung gesichert. Auf https://meytalcohen.com nennt sie die Bezugsadressen.