Mr. Weinstein will see you now
Trigger-Warnung: Dieser Text behandelt sexuelle Übergriffe.
Amanda Palmer veröffentlicht einen neuen Song. Einen Politischen. Das macht sie zum Glück oft und gerne. Dieses Mal kollaboriert sie mit Jasmine Power und behandelt den Skandal um Harvey Weinstein.
You know damn well
Es fängt mit einer Aufzugtür und zartem Piano an, dazu Amandas wunderbare Stimme. Zuerst denkt man sich nichts, man ignoriert sogar eventuell den Titel. Jasmine Powers zarte Stimme steigt im Background ein. Und dann: „Every door behind you closing. You are a very lucky girl. Every velvet rope that opens. Every time the rope unfolds.“
Man weiß sofort worum es geht, da gibt es kein Vertun.
Amanda Palmer nimmt sich den nächsten Großkotz der USA vor (Letztes Mal war es Donald Trump als zu großes Baby, das Liebe braucht): Harvey Weinstein. Er war der Filmproduzent, gründete Miramax und The Weinstein Company, verdiente Milliarden mit seinen Filmen. Und nötigte und vergewaltigte zahlreiche Frauen.
Shut your eyes, pay no attention
Angefangen hat alles als, wie Palmer selber sagt, “Let’s write something, anything together” Jam Session mit der Walisischen Songwriterin Jasmine Power. Die beiden Musikerinnen lernten sich bei einem gemeinsamen Abendessen kennen und saßen drei Tage später im Studio. Sie dachten an die vielen verschlossenen Hotelzimmertüren, hinter denen Männer, wie Harvey Weinstein, immer wieder sexuelle Handlungen einforderten, als Gegenleistung für Rollen und Berühmtheit. Jahrelang wurde über diese Praxis gewitzelt oder getuschelt, aber wirklich Anklage erhob niemand. Der Druck war einfach zu groß. Es wurde sogar von Morddrohungen und ehemaligen Mossad-Agenten berichtet, die die Opfer einschüchtern sollten. Nicht erst, aber endlich änderte die MeToo-Bewegung etwas und die ersten Frauen berichteten von sexuellen Belästigungen, Übergriffen und Vergewaltigungen. Darunter befinden sich Schauspielerinnen wie Rose McGowan, Ashley Judd, Kate Beckingsale, Lupita Nyong’o, Eva Green, Daryl Hannah, Angelina Jolie und viele, zu viele Andere.
Just turn me over fast and let’s get this over with
Amanda dachte schon Monate über eine Möglichkeit nach, einen Song zu schreiben. Doch etwas Lustiges oder Cabaret-Style-mäßiges schien ihr falsch, schließlich sind die Geschichten der Betroffenen zu erschütternd. Sie selber überraschte es aber nicht, dass es zwei Frauen brauchte, die sich zusammensetzten und sich dieser Thematik annahmen. Gemeinsam lassen sie zwei Stimmen im Kopf ein und derselben Frau sprechen, die diese schmerzhaften Erfahrungen durchlebt. Dafür holte Amanda sogar die Zustimmung von keiner Geringeren als Rose McGowan ein.
Das britischen Filmmusik-Komponisten Sketch & Dodds untermalten das Ganze zum Schluss mit Streichern und herauskam eine bombastische Hymne gegen Übergriffe, voller Zärtlichkeit und Wumms. Amanda singt sich, wie immer, die Seele aus dem Leib, lässt die Wunden spüren: „I leave the scars inside“.
This is where the story stops
Dieser Song schnürt die Kehle zu. Er erschüttert, wie die Grundlage, trifft tief und hinterlässt Spuren. Er spricht das aus, was zu oft verschwiegen wird. Und er macht Hoffnung, dass, durch Aufbegehren und Zuhören, endlich aufhören könnte, was viel zu lange geduldet wurde.
„This film is mine. I’m the one writing this.“