Muppets Most Wanted
Meisterwerk eines neuen Genres: das Actionkomödien-Musical
mit einem Gastbeitrag des Muppets-Experten Thorsten
Was haben sie mir gefehlt, diese kleinen Gesellen: Kermit, Miss Piggy, das Tier, Gonzo, Waldorf und Statler, Rolf und Fozzy… Die Liste der Muppets ist schier unendlich. Alle bezeichne ich seit Kindertagen als Freunde im Geiste. Und alle spielen sie mit im neuesten Muppets-Film. Ihren 2011er Output hatte ich unerklärlicherweise verschmäht. Das sollte mir mit Muppets Most Wanted nicht passieren. Nach 112 Minuten Dauergrinsen hier für euch der ultimative Fischpott-Kinotipp des Frühjahrs 2014!
Das doppelte Muppetchen
Badguy sei französisch und bedeute good guy, erklärt Dominic Badguy (großartig: Ricky Gervais) den Muppets, die ihn mit großen Augen anschauen und ihr Glück kaum fassen können: Im mindestens dritten Frühling ihrer Showbühnen-Karriere sollen sie nun mit diesem wahrlich charmanten Tour-Manager auf große Europatournee gehen! Begeistert zeigen die kleinen Intelligenzbestien kollektiv ihr typisches Muppets-Nicken und stimmen zu: Diese Ganoven-Augen können nicht lügen. Einzig Kermit bleibt skeptisch, vermag sich aber gegen die blinde Eitelkeit seiner Kollegen nicht durchzusetzen. Dabei kann auch die unangefochtene Nummer Eins unter den Showfröschen nicht vorhersehen, dass Mr. Badguy (ins Deutsche leider übersetzt als Fieslinger) als die Nummer Zwei von Constantine agiert, der die Nummer Eins auf der Liste der weltweit gefährlichsten Verbrecher ist. Solange Constantine in einem sibirischen Gulag hinter Schloss und Riegel sitzt, scheint nicht viel Gefahr von ihm auszugehen. Doch gelingt es dem Schurken, der Kermit bis auf eine Warze ähnelt wie ein Frosch dem anderen, in bester Matrix-Neo Manier aus der russischen Festung auszubrechen. Eine derartige Performance hat selbst die mit allen Ausbruchwassern gewaschene, hoch attraktive Gulag-Chefwärterin Nadya (herrlich durchgeknallt: Tina Fey) noch nicht gesehen.
Das Tier, ein wahrer Freund
Auf ihrer Europatour, die die Muppets in einem alten Zirkuszug (auch über den Atlantik hinweg) begehen, kommt es nun gleich in der ersten Metropole zum großen Austausch der Frösche. In einem Berliner Hinterhof, der so ostberlinerisch ist, wie Ostberlin bestenfalls kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war, verpasst Constantine dem armen Kermit die passende Warze und maskiert die eigene. Sodass die rechtschaffenden deutschen Polizisten gar nicht anders können, als Kermit für den gesuchten Frosch-Verbrecher zu halten und der von Broadway-Musicals begeisterten Nadya auszuliefern. Derweil freut sich die Muppets-Truppe darüber, dass es ihrem vermeintlichen Kermit fortan völlig wurscht ist, was sie auf der Bühne treiben. Hauptsache, es ist laut und lenkt davon ab, dass die Bösewichte nichts Geringeres vorhaben, als die Kronjuwelen aus dem Tower of London zu stehlen. Dafür benötigen sie noch einige Informationen und Hilfsmittel, die sie aus den großen Museen der bereisten Metropolen ergattern. Wenn auch unter den verblendeten Muppets einzig das Tier Lunte riecht, seine Erkenntnis mangels Sprachfähigkeit aber nicht ausdrücken kann, kommen immerhin der nicht allzu helle Interpol-Agent Jean Pierre Napoleon (vielleicht ein wenig zu lässig: Ty Burrell) und der CIA-Agent Sam der Adler (gestreng: himself) den dreisten Dieben so langsam aber sicher auf die Schliche. Letztlich stehen für den armen Kermit die Chancen also doch nicht so schlecht, seinem größten Fan in der sibirischen Gefangenschaft zu entfliehen und in den Kreis der Muppets-Familie zurückzufinden.
Ein Genre, für das es viele Worte gibt
Actionkomödien-Musical nennt der Regisseur James Bobin seinen Film Muppets Most Wanted und geht davon aus, hiermit ein extrem seltenes Genre bedient, wenn nicht gar ein neues geschaffen zu haben. Dabei frage ich mich, ob diese Bezeichnung nicht ein wenig zu kurz greift. Schließlich haben wir es hier auch mit den Strukturen einer klassischen Verwechslungskomödie inklusive einer starken Prise Gaunerfilm der Sechzigerjahre zu tun. Klassisches Action-Gauner-Verwechslungs-Komödien-Musical wäre demnach mindestens die Benennung der Wahl. Aber seien wir nicht kleinlich. Das war ja auch die Hausherrin des Tower of London nicht. Noch nie habe eine komplette Filmcrew Zugang zu ihren heiligen Hallen erhalten, noch nicht einmal für James Bond habe sie die Tore geöffnet. Den Muppets hingegen konnte sie diesen Wunsch nicht abschlagen. Aber wer könnte ihnen überhaupt irgendetwas verweigern? Kommt es nicht vielmehr einem Ritterschlag gleich, von den Muppets um etwas gebeten zu werden, sagen wir: einen Gastauftritt? Natürlich weist auch Muppets Most Wanted eine Reihe von Stargästen auf. Darunter selbstverständlich auch so einige Oscar-, Grammy-, Emmy- und auch Goldene Kamera-Gewinner. Nicht alle habe ich erkannt. Über einige habe ich mich gefreut. Über andere vielleicht eher gewundert. Keinen werde ich jetzt hier ausplaudern. Nur so viel sei verraten: Die große Dame des Puppenfilms teilt eine ihrer Szenen natürlich nur mit der einen großen Dame des Broadway, und die ist mindestens so blond wie Miss Piggy, steht im Gegensatz zu ihr aber im Verdacht, magersüchtig zu sein.
Miss Piggy hat die Haare schön
Womit wir bei meinem all time Lieblings-Muppet sind: der unvergleichlichen Miss Piggy, der Sau aller Säue, dem Vorbild meiner Kindheit. Von ihr habe ich gelernt, dass Beharrlichkeit nicht unweigerlich zum Ziel führt. Dass Begeisterung alleine nicht ausreicht, um eine große Sängerin zu werden. Und dass ein cholerischer Charakter sich einfach ausleben sollte und nicht immer Rücksicht auf kleine zartbesaitete Frösche nehmen kann. Auch wenn Miss Piggy im aktuellen Werk ein wenig in die zweite Reihe gerückt wurde, hat sie es geschafft, wie keine andere das Budget des Kostümdesign zu strapazieren. In mindestens 23 verschiedenen Outfits zeigt sich die Diva. Laut Aussage ihrer geforderten Ausstatterin sind das mehr, als alle menschlichen Darsteller zusammen während des gesamten Films tragen. Entsprechend zeigt das anspruchsvolle Schwein in so ziemlich jeder Szene eine neue Frisur. Bei aller Begeisterung für diese äußerliche Vielfalt steht Miss Piggy aber doch für drei Konstanten in ihrem Leben: 1) Sie ist seit ihren besten Zeiten als TV-Star um keinen Tag gealtert. 2) Sie ist seither um kaum einen Deut weiser geworden. 3) Sie verfolgt noch immer das Ziel, Mrs The Frog zu werden. Zumindest in einem dieser Punkte könnten wir beide Schwestern sein. Miss Piggy, dieses #hach ist nur für dich.
Muppets-Experte exklusiv für Fischpott
Nun scheut Fischpott bekanntlich keine Kosten und Mühen, wenn es um ausgefeilte Rezensionen geht. So ist es uns gelungen, für diese Besprechung den international anerkannten Muppets-Experten Thorsten Schiller zu gewinnen. Nicht nur konnten wir ihn davon überzeugen, mit mir zusammen die Vorführung zu besuchen. Auch hat er sich bereiterklärt, diese Ausführungen durch ein eigenes Statement zu bereichern. Deshalb hier nun die äußerst qualifizierte Kurzkritik von Herrn Schiller:
Vielen Dank für die reizenden Worte der Rezensentin. Nach dem Revival 2011, was ich selbstverständlich im Kino gesehen habe, nun also der zweite Teil. Meist sind Sequels nur müder Abklatsch, hier jedoch kann ich den junggebliebenen Altmeistern bestes Unterhaltungsvergnügen attestieren.
Und wieder mal sind es die kleinen Momente, die menschelnden Szenen, die den Film so liebenswert machen. Etwa wenn Kermit die Gefängnisinsassen aus dem Gulag zu einer ansehnlichen Showtruppe macht: Er erkennt die Talente eines jeden, fügt sie zu einem Team zusammen und ist mit jeder Stoff-Faser seines kleinen grünen Körpers bei ihnen. Ja, und wenn er dann noch sein Froschmaul seufzend zusammenzieht, dann bin ich einfach hin und weg und kann über so manche Auslassung in der Handlung des Film hinwegsehen.
Die Muppets waren nie alt und werden nicht alt. Sie sind einfach ein begnadetes Bühnenensemble und schaffen es weiterhin, mich mit ihrer Show aus Wahnsinn und Genialität zu begeistern.
Fischpott wünscht allen Lesern einen mindestens so vergnüglichen Muppets-Abend, wie wir ihn an einem Vormittag hatten!
Disclaimer: Fischpott hat den Film bei einer Pressevorführung in Originalversion gesehen.