Ophelia (2018)
Bekannte Stoffe neu aufzulegen macht einen nicht unbedeutenden Part moderner Neuerscheinungen in der Filmwelt aus und führt dazu, dass William Shakespeare auf IMDb so viele Autorenschaften sein Eigen nennt, dass sie wohl nur noch von Woody Allen überboten werden. Ob es eine werkgetreue Version (Kennth Branaghs Hamlet), eine Modernisierung (Romeo + Juliet), eine besondere Visualisierung (Macbeth) oder eine radikale Neuinterpretation (Gnomeo und Julia) ist, es vergeht kein Jahr in dem die Werke Shakespeares nicht auf irgend eine Art adaptiert werden. Die vertraute Geschichte aus einer anderen Perspektive neu zu erzählen gehört ebenso dazu und findet nun seine Anwendung auf Shakespeares vielleicht berühmtestes Stück, Hamlet. Basierend auf dem Buch von Lisa Klein richtet sich der Fokus des Films auf die titelgebende Ophelia, die in Shakespeares Stück, so viel sei vorweggenommen, ein düsteres Schicksal ereilt.
Im Film wächst Ophelia (Jedi-Nachwuchs Daisy Ridley) als Waise am dänischen Königshof auf, wo sie bald zur Zofe der Königin Gertrude (Naomi Watts) wird. Durch ihre natürliche und liebevolle Art steigt Ophelia schnell, zum Zorn ihrer Mitzofen, zur Favoritin der Regentin auf. Während sich zwischen der jungen Ophelia und dem Königssohn Hamlet eine Beziehung anbahnt, entdeckt Ophelia, dass die Königin und Claudius, der Bruder des Königs, eine Affäre haben. Als dann kurz darauf der König stirbt und Claudius den Thron besteigt, nimmt die Tragödie ihren Lauf.
Es gibt vieles, was einem an Ophelia gefällt. Kulissen, Ausstattung und Kostüme ziehen einen direkt in die Zeit und die Schauspieler packen mit ihrer Performance. Allen voran Daisy Ridley und Naomi Watts, die beide perfekt zu ihren Rollen passen, spielen voller Leidenschaft. Was leider weniger zu überzeugen weiß, ist die Story. Zwar wird Ophelias Geschichte mit neuen Elementen angereichert, um ihr mehr Profil zu geben. Man wird aber nie das Gefühl los, dass das eigentlich Interessante off screen stattfindet. Hamlets Heimsuchung durch den Geist seines Vaters, die berühmte Friedhofszene und der unglückliche Tod von Ophelias Vater Polonius werden beiläufig abgetan, als ob sie zufällig neben dem eigentlichen Plot geschehen. Stattdessen werden Verweise an andere Stücke, vor allem Romeo und Julia sowie Macbeth in den Mix gestreut und eine Nebenhandlung über die Königin hinzugefügt, die nicht wirklich neugierig macht.
Was dem Film gelingt, ist aus zwei eher unterrepräsentierten Charakteren starke, handlungstreibende Personen zu machen. Ophelia verfällt nicht einfach Hamlet, bewahrt sich bis zuletzt ihre Eigenständigkeit und ergibt sich nicht ihrem Schicksal. Ebenso bricht Königin Gertrude aus ihrer Lethargie aus und emanzipiert sich schlussendlich von den Männern, die bisher über sie bestimmten. Der Film bringt also neue Impulse zu einem tausendfach inszenierten Stück und dafür allein lohnt sich ein Blick. Wäre die Dramaturgie von Ophelia jetzt noch packender gestrickt und interessanter erweitert, hätte man nicht über weite Strecken den Drang doch lieber wieder Hamlets Leidensweg folgen zu wollen. Wer also starke Frauen in Historiendramen sucht, wird hier fündig. Für alle anderen lohnt sich weiterhin eher Kenneth Brannaghs Version der Tragödie oder, wer den Klassiker mit einem Twist sehen will, die Modernisierung von 2000 mit Ethan Hawke in der Rolle des dänischen Prinzen.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der Blu-ray Disc erhalten.
Die beste Version ist immer noch „Hamlet Goes Business“ von Aki Kaurismäki.
Ansonsten: „Ophelia“ ist schön, weil die Version die Dummheit der Männer kommentiert. Aber man merkt schon deutlich, dass Hamlet auch hier der eigentliche Handlungsträger bleibt.