Phobos X
Düster drängende, dröhnend dräuende Töne erfüllen zum zehnten Mal das Tal: Phobos X, das Festival der Dark Ambient Music hat die Neue reformierte Kirche in Wuppertal am 16. März 2019 in einen Ort der Dunkelheit verwandelt. Ein Abend in vier Akten.
TeHÔM
Keine Worte, keine Einleitung. Stattdessen verlischt das Licht im Konzertraum. Ein Symbol, das sowohl eine außerirdische Streitmacht als auch einen Dämonenkult repräsentieren könnte erscheint auf der Leinwand. Ein atmosphärischer Klangteppich aus bedrohlichem Dröhnen und sphärischer Geräuschen erfüllt den Raum. Das kroatische Dark Ambient Projekt TeHÔM bezieht seinen Namen aus dem hebräischen Wort für „Abgrund“ oder auch „Flut“ und dementsprechend abgründig sind die Szenen auf der Leinwand bei der Performance. Unterwasserszenen und pharaonische Bilder mischen sich mit wackeligen Handyaufnahmen eines Erdbebens mit Flutkatastrophe in Japan. Die Musik von TeHÔM vermittelt dabei das Gefühl der Schockstarre im Angesicht der Katastrophe, im Angesicht der Schönheit der Zerstörung.
Vortex
Pagan-düster beginnt das Berliner Duo Vortex seinen Auftritt. Kurz bevor man sich fragen kann „Warum hat der eine von den beiden eine Maske auf?“1 fegt der skandinavisch anmutende atmosphärische Sound des Albums As Gods Fall alle Skepsis beiseite. Archaische Instrumente, Hörner, Hölzer zusammen mit einem an Oberton erinnerndem Gesang ziehen das Publikum in eine Welt, in der ein Göttersturz gar nicht so unwahrscheinlich scheint. Dazu kommt das absolut großartige Filmmaterial von Artmaniax Media, das mit wunderbaren Landschaften, regnenden Steinen und wabernden Phantasmen ein Tor in eine archaisch-mythische Welt öffnet. Für mich persönlich der Höhepunkt von Phobos X.
Circular
Die schockierend an einen Ladescreen der Neunziger erinnernde Grafik zu Beginn der Performance von Circular weicht zum Glück schnell einer ineinandergleitenden Mischung aus abstrakten-digitalen Bildern, die Assoziationen an den Weltraum weckt. Das Downtempo-Projekt Circular von Johannes Riedel aus Leipzig untermalt diese Space Night mit der Musik vom Album Radiating Perpetual Light. Pulsierende, mehrschichtige Klangwelten mit analogen Synthesizern, Gitarre und E-Bass schicken das Publikum wie auf einer sanft dahingleitenden Hyperraumumgehungsstraße in die tiefsten Tiefen des Weltalls. Der beruhigende Ton, der hier durch die Sophienkirche wabert könnte gut als Soundtrack einer Expedition an den Rand des Sonnensystems und darüber hinaus dienen.
Arktau Eos oder Der Kult der Feuerschlange
Banner mit roten Schlangen flankieren die Bühne, halb zerfetzte Kapuzen verhüllen die Gesichter der Musiker: Der Beginn der Performance von Arktau Eos erinnert an einen dunklen Kult von Shub-Niggurath-Anbetern oder einen Götzendienst zu Ehren von Nyarlatothep. Dazu kommt das Video im Hintergrund, das ein unscharfes Gebilde zeigt, das die Phantasie anregt. Ist es ein Götzenbild? Ein Geist vor einem Spiegel? Oder doch nur ein Fleck auf der Linse? Denn leider verpufft die unheimliche Wirkung, als die beiden Kapuzenmänner sich mit klingenden Glocken und Segensgesten an das Publikum wenden. Ein klassisches Dilemma der Postmoderne: Ironie besiegt das Okkulte. Naja, vielleicht ist es auch einfach ein bisschen spät, als Arktau Eos um 23:40 Uhr beim Phobos X beginnen. Begeistern kann die mystisch-archaisch-elementare, vom Rhythmus getriebene Musik trotz all dem Kultisten-Brimborium – vielleicht ist sie sogar tanzbar.
Phobos-Fazit
Dark Ambient ist eine eigene Welt der Musik. Aber trotz aller in diesem Artikel anklingender leicht ironischer Distanz hat die Musikrichtung ihren ganz besonderen Reiz. Wer neugierig auf diese Welt der Düsternis ist, sollte auf jeden Fall das Phobos in Wuppertal besuchen. Und ein bisschen Sitzfleisch mitbringen – mehr als vier Stunden reine Spielzeit fordern ihren Tribut.
- Die aber auch später abgelegt wird. ↩