Ralph reichts
Randale in der Spiel-Arcade
„Bösewicht mit großen Händen und enormem Zerstörungspotential gesucht, gute Kletterkenntnisse zwingend erforderlich.“ So oder ähnlich muss wohl die Stellenanzeige für Randale-Ralph (im Original Wreck-It Ralph) gelautet haben.
Denn das macht der Bösewicht im 8-Bit-Arcade-Spiel »Fix-It Felix, Jr.« den ganzen Tag: Ein schickes Apartmenthaus hochklettern und dabei alles zu Klump hauen. Immer gefolgt vom Spiel-Helden Fix-it Felix, der Ralphs Verwüstungen repariert und am Schluss eine Medaille kriegt – wohingegen sein Widersacher vom Dach geworfen wird. Nach 30 Jahren sinnloser Zerstörung reicht Ralph sein Job als Böser. Er macht sich auf den Weg, eine eigene Medaille zu erringen. Dazu verlässt er sein Spiel und reist in den Shooter »Heroe‘s Duty« und ins lollipopbunte Rennspiel »Sugar Rush«. Dort freundet er sich mit der rotzfrechen Göre Vanellope von Schweetz an, die von unkontrollierbaren Glitch-Attacken gebeutelt wird. Währenddessen sucht Fix-It Felix seinen Widersacher, weil ohne ihn das Spiel nicht mehr läuft. Dabei trifft der Heimwerkerheld den weiblichen Space Marine Sergeant Tamora Jean Calhoun. Zusammen folgen sie Ralph in der Eyecandy-Spielwelt von »Sugar Rush« – auch, um eine Gefahr aus dem »Heroe‘s Duty«-Universum aufzuhalten.
Schuster, bleib bei deinen Pixeln
Da geht einer auf Wanderschaft, weil es ihm zu Hause nicht recht gefällt, erlebt Abenteuer und kehrt heim,um sein Schicksal anzunehmen. Keine neue Geschichte aus dem Disney-Konzern, aber schön erzählt. Vielleicht sogar pädagogisch wertvoll. Beim Happy End hat jede Figur etwas über die eigenen Stärken und Schwächen gelernt und versteht die Anderen besser. Bis auf den richtigen Bösewicht, der natürlich kein Extraleben mehr hat. Aber der hat es ja auch verdient. Dass es dabei nicht kitschig wird liegt an der Inszenierung, die auf unnötiges Pathos verzichtet, dafür aber mit viel Humor punktet. Und das Nerd-Publikum mit alten Bekannten entzückt.
War das nicht gerade Diablo?
Denn Cameo-Auftritte von Sonic, König Bowser, Pacman, sogar den Pong-Balken und vielen Videospielfiguren mehr machen aus »Ralph reichts« ein Fest für Gamer. Dazu kommen noch Anspielungen auf andere Spiele, bei denen die Rechte wohl nicht so erfolgreich verhandelt wurden. So sitzt der Diablo-Klon Satan, pardon, Satin, in der Bösewicht-Selbsthilfegruppe und die Cy-Bugs aus »Heroe‘s Duty« erinnern stark an Zergs – nicht zuletzt, weil sie »Sugar Rush« per Zerg Rush überfallen. Aber bei Spielen aus den Häusern Blizzard, Sega und Co. macht »Ralph reichts« nicht halt: Film-Klassiker wie »Alien« oder »Alice im Wunderland« schwimmen obenauf in der Zitateflut.
Product Placement und Polizeigewalt
Die nimmt beim Voranschreiten der Geschichte rapide ab, so dass sich auch Leute unterhalten fühlen, die weder zur Gattung der Cineasten noch zum Volk der Game-Nerds gehören. Man merkt, dass mit dem Futurama-Regisseur Rich Moore etwas schwarzer Humor ins bunte Disney-Universum eingesickert ist. So ruft Ralph zwei Donut-Polizisten aus King Candys Zuckerreich um Hilfe, die ihn erst einmal verprügeln, bevor sie ihn ins Biskuitchen werfen. Ein bisschen sauer stößt auf, dass im Reich der Süßwaren das eine oder andere Produktlogo ganz unverbindlich auftaucht. Immerhin herrscht ein Gleichgewicht der Supermarken, sowohl Nestlé als auch Kraft sind vertreten.
Liga der außergewöhnlichen Spielfiguren
Dagegen machen markengeschützte Figuren von Nintendo, Capcom, Atari etc. »Ralph reichts« erst zu einem ‚richtigen‘ Film über Videospiele. Charakter aus verschiedenen Fiktionen treffen seit den Sagen des griechischen Altertums aufeinander. Massive Multiplayer-Crossover aus dem Game-Sektor sind aber bisher die Ausnahme gewesen, wohl auch aus Copyright-Gründen. Im Gegensatz etwa zu Alan Moores viktorianischer Heldenliga, deren Charaktere allesamt mittlerweile gemeinfrei sind, gehören die Rechte an Mario, Sonic und Q*bert noch den Verwertern. Um dem Medium wirklich gerecht zu werden fehlt wohl noch ein genreüberschreitendes Spiel. Bis dahin ist der Film um den rebellischen Bösewicht Ralph ein erster Schritt und ein lohnender Kinobesuch. Eine Tour durch die Spieleuniversen, mit denen wir aufgewachsen sind und in denen wir uns heute noch immer gerne aufhalten. Die Abenteuer eines grobschlächtigen, aber sympathischen Helden. Vielleicht ein bisschen zu glatt, aber unterhaltsam und auf jeden Fall sehenswert.
Was fehlt noch
Die Graphiken sehen hervorragend aus, aber 3D hätte es echt nicht sein müssen.