Rocky Beach – Eine Interpretation
Von Christopher Tauber und Hanna Wenzel.
Als Kind der 80er Jahre ist es fast unmöglich nicht mit Hörspielkassetten aufgewachsen zu sein. Von Hui-Buh über die Fünf Freunde bis hin zu den Drei Fragezeichen, die heute noch als ewig junggebliebene Detektive Fälle in einer kleinen fiktiven Stadt namens Rocky Beach lösen. Und genau das ist auch der Titel eines Comic-Bandes das vor kurzem beim Kosmos-Verlag erschienen ist.
Doch wer einfach ein bebildertes Abenteuer der drei Junginvestigatoren erwartet, wird schon beim Anblick des Bandes stutzen, denn das kommt eher wie ein Noir-Krimi daher als wie eine bunte Detektivgeschichte. Und auch der Zusatz „Eine Interpretation“ lässt darauf schließen, dass wir es hier nicht mit einem der üblichen Drei-Fragezeichen-Produkte zu tun haben und genau so ist es. Denn die kreative Köpfe hinter Rocky Beach öffnen hier ein Fenster in eine alternative Realität, in der den drei Detektiven Justus Jonas, Bob Andrews und Peter Shaw das wiederfahren ist, was auch den meisten anderen Menschen in der echten Welt wiederfährt: sie sind gealtert.
Rocky Beach entführt die Leser in eine Welt, in der sich die Drei Fragezeichen im Laufe der Jahre von einander entfernt und entfremdet haben, in ein Rocky Beach, das so düster ist, dass man das Gefühl hat, man befindet sich in Sin City. Das wird natürlich auch von dem Zeichenstil hervorgerufen, der dieses Noir-Feeling gekonnt durch das ganze Band forciert.
Und genauso düster wie die Stadt sind auch die Geschichten und die Charaktere, die man im Laufe der Graphic Novel (neu)kennenlernt. So ist Bob Andrews jetzt ein impotenter Drehbuchautor, der zu nah am Alkohol gebaut ist, während Peter Shaw als Versicherungsdetektiv sein Dasein fristet und Justus Jonas nur noch ein verbitterte Schatten seiner selbst ist. Das ganze schmeckt ein wenig nach (Achtung Nerdanspielung!) der Darkest Timeline bei Community.
Die Geschichte von Rocky Beach beginnt etwas zäh und es braucht schon eine ganze Weile, bis sich die drei Hauptcharaktere zusammenfinden. Doch nach und nach entfaltet sich eine spannende und sehr erwachsene Geschichte, die auch mit einer sehr aktuellen Thematik punkten kann.
An dem Stil und der Qualität der Zeichnungen gibt es nichts auszusetzen, lediglich die Schriftgröße hätte gerne etwas größer sein können, gerade wenn man bedenkt, dass viele Drei-Fragezeichen-Fans wie ich jetzt langsam in das Gleitsichtbrillenalter kommen.
Die Qualität des Bandes und des Hardcover-Umschlags hingegen ist wirklich verbesserungswürdig, wirkt sogar sehr pappig und billig.
Ich muss zugeben, dass Rocky Beach mich ein wenig zwiegespalten zurückgelassen hat.
Die Geschichte war, kam sie erst mal in Fahrt, richtig gut und stimmig, aber man hätte sie auch erzählen können, ohne sie in die Welt der Drei Fragezeichen zu implementieren.
Irgendwie hinterlässt es bei mir den Eindruck, dass man hier zwei Teile genommen hat, die nicht wirklich miteinander kompatibel sind.
Und obwohl ich die Intention dieser Interpretation verstehe, so muss ich leider anmerken, dass es mich nicht gekriegt hat, was vielleicht aber auch daran liegt, dass mich so etwas wie melancholische Gefühle mit den Drei Detektiven verbindet.
Wer aber Noir-Geschichten mag und gerne mal sehen würde wie die Darkest Timeline bei den Drei Fragezeichen aussehen könnte, sollte Rocky Beach eine Chance geben.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar vom Kosmos Verlag erhalten.
Tauber und Wenzel: „Rocky Beach – Eine Interpretation“ Stuttgart (Kosmos) 2020, 200 Seiten, 25 €