Sieben Kontinente – Ein Planet
Ungarischer Tanz von Johannes Brahms zu Purzelbäumen von Pavianen. 1974 drehte Jamie Uys Die lustige Welt der Tiere und erntete Lacher für die animalische Komik. 16 Jahre zuvor tischte Walt Disney für den Blockbuster-Erfolg White Wilderness seltsame Verhaltensweisen im Tierreich auf, die aber reine Erfindung waren. Berühmt wurde der Zug der Lemminge mit abschließendem Massensuizid. Weil doch Disney so herzzerreißende Tier-Trickfilme lieferte, traute man ihm nicht zu, dass er in Dokus Lügen inszenierte. Nichts anderes aber war die Völkerwanderung der Nager. Man hatte eine Legende und musste Bilder dazu liefern. Das Kamerateam kaufte deshalb Lemminge auf dem Markt und trieb dummdreiste Spiele mit ihnen – bis hin zum erzwungenen Sturz von den Klippen des Effekts wegen.
In gewissen Kreisen kursiert die Auffassung, dass die Medienwelt nie so verlogen gewesen sei wie heute. Dokumentarfilmen kann man das kaum vorwerfen, denn gedreht werden sie inzwischen weder als Anreiz für Schenkelklopfer noch als Befeuerung einer Gerüchteküche. Mit Sieben Kontinente – Ein Planet hat die BBC vielmehr ein filmisches Meisterwerk über das immer noch atemberaubende Tierleben auf einer massiv bedrohten Erde vorgelegt.
Je etwa 50 Minuten widmet die Serie den sieben Erdteilen. Das ergibt ganz sicher kein umfassendes Kompendium, vielmehr beschränken sich die einzelnen Teile auf wenige Fallbeispiele. In Asien ist es nicht die Prominenz wie Komodowaran oder Bengaltiger, sondern Stumpfnasenaffe in bitterster Kälte Chinas und trickreiche Spinnenschwanzviper in der feuerheißen iranischen Wüste Lut. In Europa filmten die Teams Revierkämpfe tonnenschwerer norwegischer Moschusochsen, von denen kaum einer wissen wird, dass es sie noch gibt. Faszinierend ist aber auch das Arrangement, das Berberaffen auf Gibraltar mit den Fanalen menschlicher Zivilisation getroffen haben. Da erklettern sie stählerne Gerüste, als seien es artgerechte Baumwipfel.
Während der Sprecher immer noch ein wenig von der Erzähltradition aus Nachkriegszeiten bewahrt hat, überschlagen sich innovative Bilder an Schönheit, Seltenheit und Empathie. Moderne Technik, insbesondere der intensive Einsatz von Drohnen, liefert eine Nähe, die begeistert und verzaubert. Nach sieben Stunden, die man den Filmern ohne Ermüdungserscheinung um den Erdball gefolgt ist, stellt sich die Frage nach dem Bonusmaterial, das ein wenig mit der Arbeitsweise der Teams vertraut macht. Auch da wird niemand enttäuscht. So darf man quasi mit auf eine Nussschale steigen, die sich durch eine Meereshölle schneidet, und aus reiner Sympathie mit über eine imaginäre Reling kotzen. Nicht minder hautnah ist die Begegnung mit einem Silberrücken, jenem kraftstrotzenden Gorillamännchen, das ganze Kathedralen zu Kleinholz zerlegen könnte und in der Nahaufnahme selbst am sicheren Bildschirm Knie schlottern lässt.
Die Bilder – das ist der wesentliche Schatz auf den drei Discs, die unsere sieben Kontinente beschreiben. Satt wird man davon nicht, vielmehr entfacht jede Tierart Interesse an der nächsten zauberhaften Lebensform. Das weckt unterschwellig auch den Hunger nach einer intakten Erde. Von ihrer Zerstörung durch den Menschen ist immer mal die Rede, dennoch nicht in schulmeisterlicher Art. Vielmehr wird das Wunder des Lebens beschrieben und sogar Hoffnung gegeben, dass bei einer Rückkehr zu vernünftigem Haushalten mit den Ressourcen noch Hoffnung besteht. Das schaut man sich gerne an – wieder und wieder.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der DVD erhalten.