Super Dungeon Explore – Der Vergessene König
Monster plätten, Schätze sammeln: Spätestens seit dem legendären Hero Quest ist Dungeoncrawl ein eigenes Brettspiel-Genre. Der jüngste Vertreter des Ruinenplünderns mit Plastikfiguren ist Super Dungeon Explore.
Beim Betreten des Verbotenen Waldes stand den Helden das Grauen bevor. Schon nach den ersten Schritten attackiert ein Schnabelknecht die Zentaurin … „Schnabelknecht? Was ist das denn für ein albernes Monster?“ „Na, dann warte mal auf den Miniboss, das ist der bullige Boris.“ Wenige Minuten später: „Ich habe eine Schatzkarte gezogen, ich habe jetzt einen Tierbegleiter!“ „Und wie heißt er?“ „Admiral Flauschepo …“
Kill ’em with cuteness
Wenn kampferprobte, mit allen Dugeonwassern gewaschene Helden eines sein sollten, dann gewiss nicht niedlich. Bei Super Dungeon Explore dagegen ist Niedlichkeit das Alleinstellungsmerkmal. Alle Helden1 sind im japanischen Chibi-Stil abgebildet und modelliert: Riesige Augen, riesigere Köpfe und ganz allgemein ein Körperbau, der eher an ein Kleinkind als an einen ausgewachsenen Dungeoneer erinnert. Dieser Stil wird bei Super Dungeon Explore strikt durchgehalten und schlägt dann auch bei der Benennung von Monstern, Schätzen und Tierbegleitern durch. Niedlich sind auch die Token, bunte Herzen und Tränke, die Würfel sind in eher knalligen Farben gehalten.
It’s dangerous to go alone!
Der Stilmix Chibi + Dungeon erinnert nicht von ungefähr an Japan-RPGs wie Legend of Zelda. Super Dungeon Explore ist voller Anspielungen an die digitalen Welten diverser Spielkonsolen: 8Bit-Monster, Tränke droppende Gegner und der Startpunkt als On/Off-Icon. Passenderweise bietet Super Dungeon Explore zwei verschiedene Spielmodi an: Klassik und Arcade. Klassik stellt die heroquesteske Konstellation Monsterseite (hier Dunkler Konsul genannt) gegen die Helden dar. Beim Arcademodus spielt die Gruppe gemeinsam gegen das Brett, die Monsteraktionen werden durch zufällig gezogene Karten bestimmt. Das Spiel programmiert sozusagen die Spielenden. Sehr elegant ist hier der „Zorn“-Mechanismus: Durch bestimmte Aktionen sammeln die Spielfiguren Zorn-Marker und die Figur mit den meisten Markern wird angegriffen. Zorn ist zudem begrenzt, so dass die Spitzenreiter immer mal wieder ihre Marker abgeben und sich vom Prügelknabenstatus verabschieden können.
Von Bernd beerdigt
Das erste Testspiel im Klassik-Modus war ein gefundenes Fressen für den Dunklen Konsul. Durch spontanes Vorpreschen des Questritters erschien der Miniboss Bernd der Baummensch recht früh und wischte mit den Helden den Boden auf. Zum Versagen der Guten führte allerdings auch der Umstand, dass Teile der Regeln überlesen wurden. Der Grund dafür ist wohl in der sehr unübersichtlichen Spielanleitung zu finden. Regelmäßig musste geblättert werden, wann welche Gegner was für Gegenstände droppen, was mit toten Charakteren passiert, was die zahlreichen Symbole bedeuten, und so weiter. Wie viele Dungeoncrawler verfügt Super Dungeon Explore über ein umfangreiches Regelwerk, das nach einer besser strukturierten Anleitung verlangt.
Zwei Bücher sind eines zuwenig
Denn eigentlich ist der Ansatz mit zwei Regelbüchern – eins für Arcade- eins für Klassik-Modus – ziemlich gut. Dafür vermisst man eine Weltbeschreibung in der Box – wer dieser König ist, wer ihn vergessen hat und warum der Wald verboten ist, bleibt komplett im Dunkeln. Sämtliche Hintergrundinfos stehen zwar auf der Ulisses-Webseite zum Download bereit, für knapp 100 Euro hätte das aber schon drin sein dürfen. Was auch noch schön gewesen wäre: Ein Kampagnenmodus. Denn spielt man Super Dungeon Explore out of the box kann man im Grunde immer wieder denselben, leicht variierten Dungeon durchackern. Das ist zwar auch ein großer Spaß, aber gerade im Vergleich zum zeitlosen Klassiker Hero Quest schmerzt dieser Mangel doch. Dass es in der kommenden Publikation Super Dungeon Explore: Legends einen Kampagnenmodus geben soll, ist da ein schwacher Trost. Und obwohl das Spiel vorschlägt, Mini-Bosse auszusuchen oder mehr als zwei einzusetzen, sind bloß zwei in der Box. Das heißt, für mehr Abwechslung sollte man schon ein oder zwei dazukaufen. Erst dann kann man auch spielbare Versionen der Mini-Bosse einsetzen.
Das Anti-Darke Spaßpaket
Insgesamt ist Super Dungeon Explore: Der Vergessene König ein komplexes Game, an dem Dungeoncrawler-Fans ihre Freude haben werden. Im Gegensatz zu anderen Vertretern des Genres wie Shadows Of Brimstone oder Descent ist Super Dungeon Explore kein bisschen grim, gritty und dark sondern bonbonbunt, niedlich und albern. Die 58 spielfertigen Miniaturen sind ein Traum (wenn man Chibi-Stil mag). Für ein wirklich abgerundetes Spielerlebnis fehlt ein Kampagnenmodus und die Spielanleitung lässt man sich besser vorher erklären.
- Mit okayem Geschlechterverhältnis, aber alle hellhäutig. Ist Diversität denn so schwer? ↩