Tenet
Terroranschläge, undurchsichtige Waffenhändler, verdeckte Operationen und Pistolenkugeln, die rückwärts fliegen. Tenet, der neueste Film von Christopher Nolan ist das heimliche, aber wunderschöne geistige Kind von Ian Fleming und Philip K. Dick.
Keine Zeit für Bond
Denn genau wie Flemings Bond reist der Protagonist, Der Protagonist1, in Tenet durch eine brandgefährliche Welt des Verbrechens. Er legt sich mit dubiosen Waffenhandelnden in Mumbai an, verfolgt einem russischen Oligarchen und plant einen Heist auf einen Freeport in Oslo. Und genau wie in einer Dick-Geschichte werden die Grundfesten unserer Realität in Frage gestellt. In diesem Fall durch mysteriöse invertierte Gegenstände. Etwas oder jemand hat ihre Entropie umgekehrt, sie bewegen sich also entgegen dem Strom der Zeit.
Diese verkopfte Idee macht Nolan im Lauf von Tenets 2,5 Stunden noch ein bisschen komplizierter, was aber durch viele intensive Actionszenen ausgeglichen wird. Der Zeitreisemechanismus wirkt nicht komplett in sich logisch – die Regeln der Filmwelt für invertierte Menschen sind interessant, kommen aber nicht immer schlüssig rüber. Für den Verlauf und die Handlung von Tenet reicht das aber vollkommen aus.
Weggeblasen
Denn die Ernsthaftigkeit des Drehbuchs, die Schauspielkunst des Ensembles und der treibende Soundtrack fegen jeden Zweifel hinweg wie die Schockwelle einer nuklearen Explosion ganze Häuser. John David Washington als Der Protagonist ist der ganz der smarte harte Agent im edlen Zwirn, der immer die Oberhand behält. Andrei Sapor ist so ein fieses Ekel, dass ich zwischendurch daran zweifelte, wirklich den Shakespeareonkel Kenneth Branagh auf der Leinwand zu sehen. Elizabeth Debicki überragt als Kat Sator in der Rolle der Ehefrau eines Monsters, die zu drastischen Maßnahmen greifen muss.
Und auch in den Nebenrollen glänzen Robert Pattinson, Dimple Kapadia, Clémence Poésy und Himesh Patel. Der Soundtrack von Ludwig Göransson ist sehr präsent, pusht das Atemlose des Films gnadenlos weiter. Nolan hat mit Tenet wieder einmal einen packenden Film geschaffen, der clever und mit Anspruch zwei Genres vereint, die sich wunderbar ergänzen. Auch wenn sich Kenner*innen von Valerian & Veronique an den Band Die Geister von Inverloch von 1982 erinnern könnten. Hier werden Agenten des Kalten Krieges in eine temporale Bedrohung von außerhalb hineingezogen.
Tenet? Or not Tenet?
Am Ende von Tenet stellen sich viele Fragen, aber nur drei davon sind wichtig: Warum müssen weibliche Rollen immer über ihre Männer/Söhne/Typen definiert werden? Warum zeigt uns das Kino immer wieder CIA-Agenten mit einem funktionierendem moralischen Kompass? Und, trotzdem: Kann ich den bitte noch einmal sehen?