The Batman
Back in Black
Mythen ziehen ihre Kraft bekanntlich aus der Wiederholung, wobei der Zauber dann insbesondere in den Differenzen und Verschiebungen liegt. Wie variiert also Matt Reeves in The Batman den Mythos um den Milliardär im Fledermauskostüm?
Diesmal kommt Batman im Noir-Stil daher. Gotham City ist eine durch und durch korrupte und verwahrloste Stadt. Seit zwei Jahren geht der Milliardär Bruce Wayne (Robert Pattinson) Nacht für Nacht als Batman auf die Jagd nach Verbrechern, um daran etwas zu ändern. Und tagsüber bastelt er an seiner Ausrüstung oder schreibt seine Gedanken in ein Tagebuch. Ansonsten suhlt er sich im Weltschmerz, fährt mit dem Motorrad rum und meidet jeden menschlichen Kontakt – selbst zu seinem Butler Alfred (Andy Serkis).
Als ein Serienkiller beginnt die wichtigsten Männer der Stadt kunstvoll hinzurichten, macht Batman sich zusammen mit dem Polizisten James Gordon (Jeffrey Wright) an die Arbeit, die elaborierten Rätsel des Killers zu entschlüsseln.
Im Folgenden treffen Batman-Fans zahlreiche Neuinterpretationen alter Bekannter: der Pinguin (Colin Ferrell) als schmieriger Mafioso in der Tradition von John Cazales Fredo Corleone, der Riddler (Paul Dano) als Zodiac-Killer im Internet-Zeitalter, Catwoman (Zoë Kravitz) als rachsüchtige Diebin und Carmine Falcone (John Turturro) als grandios böser Pate von Gotham City.
Nachts sind alle Fledermäuse grau
Bis zum Beginn des letzten Akts bleibt der Film dieser harten Noir-Linie treu. Desillusionierte und müde Männer raunen sich in dunklen Räumen gegenseitig zu, wie schlecht die Welt ist. Über (fast) jede integer scheinenden Figur kommen schmutzige Geheimnisse ans Licht und das makabre Rätselraten führt nur zu der ultimativen Lösung, dass die ganze Welt bereits vor die Hunde gegangen ist. Nur die Zigaretten fehlen.
Man mag einwenden, dass die Actionszenen für Noir etwas zu dick aufgetragen und der Soundtrack zu bombastisch sind. Aber es bleibt halt doch ein Film über Batman. Da darf es auch mal der Holzhammer sein und bleibt im Vergleich doch noch Noir.
Dieser Ansatz ist nicht neu. Immer wieder übernahmen die Comics Elemente der Hard Boiled School und der Schwarzen Serie. Vor 20 Jahren wollte Frank Miller seinen Kult-Comic Batman: Year One mit Darren Aronofsky als brutalen Straßenkrimi inszenieren. Und auch der Film, der später Batman Begins werden sollte, begann als verhältnismäßig kleines Projekt, das im Bereich Neo-Noir angesiedelt war.
Stadt ohne Helden
Dabei hat Roger Ebert schon 1992 in Bezug auf Batman Returns darauf hingewiesen, dass Superhelden und Noir nicht zusammenpassen können. Die Grundlage des Film Noir ist ja gerade, dass es keine Helden mehr geben kann. Anstatt dieses Paradox umständlich aufzulösen, lässt Reeves das für dreiviertel des Films so stehen und erhält ein Ergebnis, dass manche Zuschauer und Batman-Fans irritieren könnte. Denn The Batman wirkt deshalb im Vergleich zu seinen Vorgängern so gar nicht wie ein Batmanfilm.
Die große Bedrohung, die es mit überraschenden Super-Bat-Waffen zu verhindern gilt? Fehlanzeige. Abgefahrene und schön designte Spielzeuge? Nein. Alles wirkt selbstgebastelt, unfertig, dreckig. Faszinierende, charismatische Superschurken, die cooler wirken als der Held? Keine Spur. Stattdessen ekelerregende Typen und erbärmliche Verlierer, die versuchen, etwas zu kompensieren. Nicht einmal die klassischen moralischen Instanzen des Mythos, Alfred und Batmans tote Eltern, bleiben am Ende sauber.
Dabei bleiben die Figuren meist grob gezeichnet und ohne große Tiefe. Das ist einerseits schade. Aber es ist andererseits auch ganz erfrischend, dass man mal nicht die herzzerreißende Geschichte von der schlimmen Kindheit des Pinguins oder das harte Trauma von James Gordon um die Ohren gehauen bekommt, nur um zu erklären, warum beide so sind, wie der Plot sie eben braucht.
Riddle me this …
Insgesamt wirkt alles für einen Batmanfilm erstaunlich klein, direkt und, ja, irgendwie falsch. Batman löst als Protagonist – Held mag man kaum schreiben – zwar alle Rätsel, aber kann nichts verhindern. Sein Kampf gegen das Verbrechen ändert seit Jahren nicht das Geringste in der Stadt. Sogar ihm selbst wird die Absurdität seines Handels immer wieder bewusst.
Bis kurz vorm letzten Akt wirkt The Batman also eher wie eine Variation von David Finchers Sieben oder Zodiac, aber nicht wie Batman. Selbst die obligatorische Verfolgungsjagd mit dem Batmobil erscheint nach heutigen Standards eher als Understatement.
Und das ist gut!
Denn obwohl The Batman mit seinen Noir-Ansatz streckenweise vollkommen anachronistisch wirkt, ist er dadurch auch ziemlich aktuell und besser als viele Vorgänger. Er holt Batman von seinem hohen moralischen Ross des Superhelden und wirft ihn auf den Boden der Tatsachen. Wie es sich eben für einen Noir-Helden gehört, für den schon das reine Überleben einen Sieg bedeutet. Erstmals zeigt ein Batmanfilm, wie naiv die Idee ist, dass ein weißer reicher Mann mit physischer Gewalt gegen weniger Privilegierte die Welt verbessern würde. Und so wird Batman, den Pattinson übrigens herrlich trocken spielt, wirklich mal zu einem Anti-Helden, für den viele ihn oft erklären.
The Batman: Ein Held?
So etwas wie moralisches Heldentum leuchtet dann erst im letzten Akt auf, wenn schon alles verloren ist und es nicht mehr darum geht, die Bösen zu verkloppen, sondern das Schlimmste zu verhindern, die Trümmer wegzuräumen und den Leuten mal wirklich zu helfen.
Und ebenso wie der Held werden auch die Schurken entzaubert. Es sind keine selbstermächtigenden Außenseiter, mit denen sich Incels und andere in ihrer Männlichkeit verunsicherte Internet-Trolle identifizieren und aufwerten könnten. Im Gegenteil wird dieser armselige Trend im Riddler schließlich offen bloßgestellt.
The Batman schafft abschließend durch seinen Ansatz dasselbe Kunststück wie Tim Burtons Batmanfilme vor 30 Jahren, wenn auch auf völlig andere Art: Gerade weil es kein „richtiger“ Batmanfilm ist, ist es ein richtig guter Batmanfilm.
Zusatz: Comic-Empfehlungen, wenn einem The Batman gefallen hat
- Frank Miller, David Mazzucchelli: Year One
- Jeph Loeb, Tim Sale: The Long Halloween
- Darwyn Cooke: Batman – Ego
- Geoff Johns, Gary Frank: Batman – Earth One, Vol. 1&2
- Scott Snyder, Greg Capullo: Zero Year