The Bourne Identity (1988)
Jeder kennt Jason Bourne. Und warum kennt jeder Jason Bourne? Wegen Matt Damon.1 Doug Liman zauberte diesen unscheinbaren und höchst effektiven Superkiller im Jahr 2002 perfekt auf unsere Kinoleinwände, bevor Paul Greengrass darauf 2007 mit The Bourne Ultimatum den nach wie vor nicht getoppten Standard in Sachen Agenten-Action setzte.

Sean Connery der wahre Bond, Richard Chamberlain der wahre Bourne?
Doch was wenige wissen: Schon 1988 wurde der Bestseller The Bourne Identity von Robert Ludlum unter gleichem Namen (oder hierzulande als Agent ohne Namen) verfilmt. Nicht als Hollywood-Blockbuster, sondern als dreistündiger TV-Zweiteiler. Und nicht mit Matt Damon und Franka Potente, sondern mit Richard Chamberlain und Jaclyn Smith in den Hauptrollen. Regie führte ein gewisser Roger Young, den man wohlwollend als „Experten für TV-Filme“ bezeichnen kann, was aber für einen aufstrebenden Regisseur wohl nicht gerade die Expertise erster Wahl sein dürfte. Und was am Ende dabei herauskam, war … nun ja, keine Vollkatastrophe. Aber gewiss auch nicht zu gut.
Nachplappern, was in der Bibel steht
Wissen Sie übrigens, was „Bourne“ auf Deutsch heißt? Borowski. Zumindest, wenn es nach dem Heyne-Verlag geht, welcher The Bourne Identity in vorauseilendem Misstrauen der Deutschen zum Englischen Der Borowski Betrug betitelte, und das nur, um sich seinen Platz in der Reihe der dümmsten Umwidmungen englischer Titel zu sichern.2 Besagter Film jedenfalls hält sich im Vergleich zur späteren Umsetzung mit Matt Damon sehr nahe am Buch. Verstehen Sie mich nicht falsch: „Nahe am Buch“ wird ja gerne als Kompliment für Filmadaptionen benutzt; Filme funktionieren aber nicht wie Bücher und so ist das penible Nachplappern eines Romans auch nicht zwingend eine Tugend. Das gilt auch hier. Beispiele? Gerne.
- Wenn Deutsche in Ludlums Büchern Englisch sprechen, beenden sie ihre Sätze häufig mit mein Herr. („I did what you said, mein Herr. What else do you want?“). Das ist natürlich dummes Zeug, im Film wird das aber 1:1 so umgesetzt. Lächerlich.
- Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Bourne und Bösewicht Carlos ist, gelinde gesagt, Kinderkacke. Bourne gibt vor, Staatsoberhäupter nach Carlos Methode (Schuss in die Kehle) zu töten, damit Carlos eifersüchtig wird und aus seinem Versteck gekrochen kommt? Bitte. Kein Wunder, dass man Bourne für Matt Damon komplett umgeschrieben hat.
Ansprechende Kulissen, solide Performance
Dennoch sind die drei Stunden dieses Zweiteilers durchaus kurzweilig. Es wird ordentlich geprügelt, geschossen und wir bekommen unter anderem die französische Mittelmeerküste, Zürich, Regensburg, Paris und zum Showdown Manhattan zu sehen – Letzteres natürlich in der East 71st. Wie es sich gehört, wird der Zuschauer zumeist per Verfolgungsjagd durch diese Kulissen geführt, aber zur Entschleunigung werden zwischendurch auch ein paar sinnfreie Spaziergänge durch die Altstädte geboten. Und bis auf die 80er-Brillen, deren Ränder selbst für 80er-Verhältnisse viel zu hoch über die Augenbrauen ragen, hat der Film keinen unangenehm auffallenden 80er-Charme.
Die Darsteller spielen ihr emotionales Portfolio solide runter, Chamberlain kauft man den durch seine Amnesie verwirrten, aber eigentlich guten Jungen einigermaßen ab und Jaclyn Smith spielt zwar die bisweilen etwas überzogen hysterische Kuh (die der Zuschauer wohl 1988 auch erwartet hat), aber alles in allem ist sie eine starke Kraft, die über das passive Frauenklischee des typischen 80er-Actionfilms hinausgeht. Allerdings würde neben Franka Potente – deren Performance neben Matt Damon mit viel Optimismus als „Underacting“ umschrieben werden könnte – in der Retrospektive auch so ziemlich jede Darstellung oscarwürdig erscheinen.
In den weiteren Rollen sehen wir einen Griechen mit dem lustigen Namen Yorgo Voyagis als obersten Bösewicht Carlos, den man aber eigentlich fast nicht zu Gesicht bekommt. Dafür gibt es aber eine Bösewichtenebene tiefer ein cineastisches Bonbon, denn Schurke Fritz König wird gespielt von Peter Vaughan, unter anderem bekannt als Uncle Alfie in Sterben für Anfänger (2007) und nicht zuletzt Master Aemon in Game of Thrones.
Alberne Action: Bourne kann gar nichts
Schöne Kulissen, solide Schauspielkunst, wo ist denn nun das Problem? Das Problem ist, dass wir hier einen Agentenfilm haben, in dem der Agent eigentlich nichts kann, was man so von einem Agenten erwartet. Kämpfen, untertauchen, schießen, tricksen? Fehlanzeige.
Bourne, der seiner Identität qua Amnesie verlustig ging, fragt sich gefühlte dreißig mal in der ersten Stunde: „Why am I so good at killing?“ Und man möchte ihm einfach nur antworten: Bist Du doch gar nicht. Jetzt mag man mir zurecht vorwerfen, dass ich keine Ahnung habe, wie sich ein echter CIA-Killer verhält und dass die in Actionfilmen oft prominent platzierten Brust- und Oberarmmuskeln einfach nur lächerliche maskuline Attribute sind und so ziemlich das Letzte, was ein effektiver Spion braucht.3 Ok, geschenkt. Aber musste dann all das trotzdem sein:
- Richard Chamberlain bewegt die Pistole bei jedem Schuss immer mit der Hand nach, wie ein Kind, das Räuber und Gendarm spielt. Es fehlt eigentlich nur, dass er dazu Schussgeräusche von sich gibt („piu!“).
- Er ruft auch ständig seine Gegner laut bei ihrem Namen, bevor er auf sie schießt. Das gibt ihnen mehrfach Gelegenheit, rechtzeitig wegzurennen.
- In den zahlreichen Kämpfen ballt er keine richtige Faust, sondern schlägt gerne auch mal mit der flachen Hand zu. Und damit meine ich keine Karate-flache-Hand, sondern eher eine Bud-Spencer-flache-Hand.
- Wenn er getroffen wird – egal, ob mit der Faust oder der Waffe – fällt er nicht, sondern hüpft. So auch in der Auftaktszene: Er wird getroffen, steht doof am Rand des Boots rum, und springt dann ins Mittelmeer.
- Im ganzen Film gibt es keine einzige Szene, in der er jemanden austrickst, wie man es von einem Spion erwarten würde. Szenen wie im Bourne Ultimatum, als Matt Damon die ganze CIA aus ihrem Gebäude lockt, um die Büros der Mitarbeiter zu durchschnüffeln? Fehlanzeige.
Das ist aber alles halb so wild; für einen Fernsehthriller kann man sicher darüber hinwegsehen und 1988 hat Jeff Imada noch keine Kampfchoreographien überwacht. Man sollte von The Bourne Identity jedoch keineswegs den Actionfilm erwarten, der er irgendwie auch sein will.
3 von 5 Fischen im Pott.
- https://www.youtube.com/watch?v=gnPWJOJYVKc ↩
- Für diese Behauptung gibt es keinen Beleg. Habe ich mir ausgedacht. Sorry. ↩
- Über die Ursprünge des Kults um männliche Oberkörpermuskulatur siehe Christopher McDougall: Natural Born Heroes ↩