The Sisters Brothers
Merkwürdiger Titel (was zur Hölle sind „Die Schwestern Brüder“??), noch merkwürdigerer Western: Was genau ist The Sisters Brothers für ein Film? Lässt er sich überhaupt einem Genre zuordnen? Und wer genau kam eigentlich auf die Idee, Joaquin Phoenix und John C. Reilly als Brüder zu besetzen – und daraus sogar einen guten Film zu machen?
Gut, ganz so verwirrend ist The Sisters Brothers glücklicherweise nicht. Aber die Kombination aus Joaquin Phoenix und John C. Reilly auf den Postern und DVD-Covern ließ einen doch erst ein wenig stutzen. Während Phoenix (The Master, Her, Walk the Line) das Charakterdarsteller-Dasein nicht nur lebt, sondern geradezu morgens im Frühstücksmüsli wegfuttert, ist Reilly (Walk Hard: Die Dewey Cox Story, Stiefbrüder, Check it out! With Dr. Steve Brule) ein Schauspieler, den man bislang eigentlich eher mit Komödien assoziiert hat. Vielleicht eine etwas unfaire Einordnung, immerhin hat John C. Reilly ja auch in Filmen wie The Lobster oder We need to talk about Kevin mitgespielt – trotzdem wirkt Reilly in voller Western-Montur in den ersten Minuten von The Sisters Brothers ein wenig wie ein Fremdkörper. Glücklicherweise nur in den ersten Minuten.
Charlie und Eli Sister sind auf der Jagd nach dem Goldsucher Hermann Kermit Warm (Riz Ahmed). Das berüchtigte mörderische Brüderpaar wurde von dem Commodore (Rutger Hauer, RIP) beauftragt, ihn zur Strecke zu bringen, da er etwas gestohlen hat. Doch nicht nur die Sisters Brüder sind hinter Warm her. Auch der mysteriöse Detektiv John Morris (Jake Gyllenhaal) hat Interesse an dem höflichen Mann. Und er hat seine ganz eigenen Beweggründe.
Schwesterliche Bruderliebe
Kenner der Filmografie von Regisseur Jacques Audiard (u.a. Der Geschmack von Rost und Knochen, Ein Prophet) wissen, dass der Franzose filmisch nicht gerade die allergrößte Spaßkanone ist. Seine Dramen durchdringt in der Regel eine tiefe Traurigkeit. The Sisters Brothers ist trotz seiner Genrebezeichnung als Westernabenteuer und Komödie keine Ausnahme – auch wenn der Film weit davon entfernt ist, ein zweiter Der Geschmack von Rost und Knochen zu sein. Durch den gesamten Film zieht sich eine unterschwellige Melancholie, was sich insbesondere in dem beeindruckenden Spiel von John C. Reilly zeigt. Seine Figur hat genug vom Outlaw-Leben, von den Gewalttaten, der ewigen Flucht und davon, seinem betrunkenen Bruder wieder auf das Pferd zu helfen. Höhepunkt ist hier eine tragikomische Szene zwischen ihm und einer verwirrten Prostituierten (Alison Tolman).
Doch es ist nicht nur John C. Reilly, der hier überzeugend spielt. Joaquin Phoenix verschwindet förmlich in seiner Rolle als aufbrausender, impulsiver Bruder. In seinen Dialogmomenten wird die Unberechenbarkeit seiner Figur spürbar deutlich, was zu einigen der spannendsten Momente des Films sorgt. Gleichzeitig verfügt Phoenix in den vereinzelten wirklich komischen Sequenzen von The Sisters Brothers über ein beeindruckendes komödiantisches Timing. Am besten sind sowohl Reilly als auch Phoenix im gemeinsamen Zusammenspiel. Auch wenn sie äußerlich nicht wie Brüder wirken, sind ihre Interaktionen glaubhaft und strahlen eine eingelebte Chemie zwischen den beiden Figuren aus.
Ein Roadmovie auf dem Pferd
In einem parallelen Handlungsstrang kommt es zu einer kleinen Nightcrawler-Reunion, denn Jake Gyllenhall darf hier ein weiteres Mal mit Riz Ahmed spielen. Gyllenhall erweist sich ein weiteres Mal als ein unglaublich vielseitiger, immer noch kriminell unterschätzter Darsteller, der mit subtilen Gesichtsregungen und einem ungewöhnlichen Akzent seiner Figur John Morris auf beeindruckende Weise Leben einhaucht. Ahmed ist ein weiteres Mal der zurückhaltende, naive und intelligente Gegenpol, als der er häufig besetzt wird – aber es funktioniert halt.
Während die meisten modernen Western düstere, brutale Dekonstruktionen des Genres sind, ist The Sisters Brothers trotz des melancholischen Grundtons weit weniger zynisch. Es kommt zwar zu einigen überraschenden Wendungen in der Geschichte, insgesamt ist der Film aber tatsächlich mehr eine Art Roadmovie – nur eben zu Pferde. Große Teile der Handlung, bevor die Sisters Brüder endlich auf Morris und Warm treffen, sind in ihrer Erzählweise fast schon episodenhaft (Höhepunkt ist hier das Kapitel in Mayfield). Nicht immer funktioniert das ganz sauber – einige Szenenübergänge sind etwas holprig geraten und manchmal arbeitet das gemächliche Erzähltempo etwas gegen den Film.
Abgesehen von dem beeindruckenden, aus der Ferne gefilmten nächtlichen Schusswechsel, der den Film eröffnet und einer beeindruckenden Sequenz am Schluss ist The Sisters Brothers visuell eher unspektakulär präsentiert und trotz beeindruckender Landschaftsaufnahmen merkt man dem Film in ein, zwei Szenen sein limitiertes Budget an. Uneingeschränkt großartig ist, wenig überraschend, der Soundtrack von Alexandre Desplat – der Mann versteht einfach sein Werk und die Filmmusik bleibt auch Tage nach der Sichtung noch im Ohr.
The Sisters Brothers ist ein ungewöhnlicher Western, der sich in keine klare Schublade stecken lässt – außer in eine vielleicht: Großes Schauspielkino. Der Film ist mit seinem Erzähltempo und seiner Grundstimmung vielleicht nicht für jeden geeignet – wer sich darauf einlassen kann, wird aber mit einer überaus lohnenswerten Tragikomödie belohnt.
Disclaimer: Fischpott hat eine DVD des Films zu Rezensionszwecken erhalten.
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