Tomb Raider (2013)
Liebe Spieler, ihr müsst jetzt ganz tapfer sein. Man hat Lara Croft in diesem Spiel zwei Dinge genommen, die wir sehr gern an ihr gesehen haben, mit denen wir sie rumspielen ließen und die zugegebenermaßen viel zu groß für ihre zarte Gestalt waren. Lara beginnt dieses Spiel ohne ihre beiden treuen Pistolen. Und außerdem hat man ihr auch noch die Brüste verkleinert und sie zum Teenager gemacht. Gleich drei (oder fünf, je nachdem, wie man rechnet) Dinge, die mich ausgesprochen skeptisch an Tomb Raider haben herangehen lassen.
Zäher Anfang
Zu Beginn fühlte ich mich in allen Belangen bestätigt. Das Spiel versteht sich als Relaunch der Reihe und möchte als solches praktisch die Anfänge der unerschrockenen, sexy Grabräuberin erzählen. Dementsprechend ist Lara anfangs eine kleine, weinerliche Memme, die vor lauter emotionaler Überforderung gerne mal mit den Armen rudert.
Das Spiel kommt eher langsam in Fahrt, die Zwischensequenzen nerven anfangs gewaltig, erinnern sie doch streckenweise an Mittschnitte aus bekannten und zu Unrecht beliebten Soaps. Auch die Story braucht recht lang, um sich in Bewegung zu setzen. Aber dann …
Die Story
Lara ist als Studentin (die aber eher wie 16 aussieht) mit einer Forschungsexpedition unterwegs und strandet mit dieser auf einer Insel. Auf dem Eiland hat sich bereits ein merkwürdiger Kult niedergelassen, der den Gestrandeten das Leben schwer macht, indem er es ihnen nehmen will. Ziel des Spielers ist es, Lara durch die Ereignisse zu führen, um am Ende die Insel wieder verlassen zu können. Aber die Insel will sie nicht gehen lassen, denn die Kultisten sind nicht die größte Bedrohung.
Die Geschichte wird in gut gemachten Cutscenes vorangetrieben. Auch wenn einige Gegenstände zum Sammeln und geheime Gräber den Eindruck erwecken sollen, man könne sich auf der Insel frei bewegen, ist die Story gnadenlos durchgescriptet. Man folgt einem sehr unterhaltsamen, aber auch sehr gradlinigen Spielverlauf ohne jeden Schlenker.
Ein bisschen gnädig muss man auch im späteren Verlauf noch mit der Storyführung sein. Da metzelt man sich einerseits durch Dutzende Kultisten, um dann in einer Zwischensequenz mitansehen zu müssen, wie die beste Freundin entführt wird, weil Lara moralische Bedenken hat, abzudrücken. Solche Momente sind jedoch zum Glück selten und die Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse im späteren Spielverlauf aufeinander folgen, trägt einen darüber hinweg.
Die deutsche Synchronspur macht ihre Arbeit gut, ist lebendig und passt zu den Figuren.
Tolle Langstrecke
Sobald man einige Waffen und die ersten Ausrüstungsgegenstände beisammen hat und anfangen kann, zu klettern, zu springen und böse Inselbewohner zu ermorden, macht das Spiel so richtig Spaß! Über längere Teile fühlt es sich (im positiven Sinne) wie ein moderner Egoshooter an, aber dann kommt immer wieder auch das typische Tomb-Raider-Feeling zum Vorschein.
Die Rätsel- und Bewegungssequenzen sind stellenweise recht kniffelig, ohne aber die Frustration aufkommen zu lassen, die uns in alten Tomb-Raider-Varianten erfasst hat. Das liegt vorrangig daran, dass die Steuerung ausgesprochen gut funktioniert und man das Scheitern nur seinem Timing zuzuschreiben hat, und nicht der ungeschickten Kameraperspektive oder Programmierungsfehlern.
Übung macht die Meisterin
Natürlich haben auch in Tomb Raider mittlerweile die Verbesserungsmöglichkeiten Einzug gehalten. Sie kommen in zwei Geschmacksrichtungen daher. Da gibt es einmal die Erfahrungspunkte, die es Lara ermöglichen, Wildnis-Fähigkeiten und besondere Kampfmanöver zu erlernen. Zum anderen kann sie Treibgut einsammeln und damit ihre Waffen verbessern. Beides macht großen Spaß und trifft hinreichend zielsicher das Belohnungszentrum.
Lara ist tot
Selbstverständlich kann Lara auch bei dieser Iteration des Spiels auf mannigfaltige Weise zu Tode kommen. Anders als früher tut einem das Mädchen aber richtiggehend leid, denn wenn es aus dem Leben scheidet, dann leidet es dabei sichtlich. Das nimmt ein bisschen den Spaß aus dem früher so beliebten Lara killen.
Gespeichert wird an festen Kontrollpunkten, die leider oft vor einer Cutscene oder ein Stück von der Action entfernt liegen. Zwischensequenzen kann man aber zum Glück überspringen. Ansonsten vermisst man das freie Speichern jedoch selten.
Multiplayer
Der Online-Multiplayer ist im Wesentlichen eine große Egoshooter-Arena in Form der Inselsets, an denen man sich im Team gegenseitig ausschaltet. Dabei werden all die Gimmicks des Spiels genutzt, aber die im Singleplayer so angenehmen Reaktionszeiten sind für ein Deathmatch einfach zu lang. Hinzu kamen bei meinem Test diverse Grafikfehler. Das Ganze wirkt wie ein recht eilig aufgesetztes Feature, weil man halt irgendwas für die Onliner braucht.
Fazit
Wem es nichts ausmacht, eine sehr junge Hauptfigur durch Ströme von Blut waten zu lassen und ein bisschen Geduld für den Anfang mitbringt, wird mit dem besten Tomb Raider aller Zeiten belohnt. Gameplay, Story und Grafik können überzeugen. Nur in Sachen Sexappeal muss Mann Abstriche hinnehmen. Aber das gleicht das Spiel durch Spaß und Güte locker wieder aus. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Disclaimer: Fischpott hat ein Rezensionsexemplar vom Herausgeber Square Enix erhalten.