Trash für Gentrifizierte
Manfred Rebhandls Wien-Krimi:
»Das Schwert des Ostens«
Erlaubt ist, was gefällt, könnte man über den (beinahe) neuesten Kriminalroman des österreichischen Unterhaltungsautoren Manfred Rebhandl sagen, und so ein Urteil über dieses unflätig-coole, politisch-unkorrekte und pornös-trashige Machwerk in den Bereich des persönlichen Geschmacks verlagern. Ob man das wild-abstruse Figurenensemble lustig findet oder abscheulich, sei eben von individuellen Schmerzgrenzen abhängig. Nicht jeder Leserin oder jeder Leser mag sich wohl über derart abseitig-suspekt-ferkelige Begegnungen mit einer zur Anschaulichkeit überzeichneten Unterschichts-Kultur amüsieren. Und klar, wer das Buch mit dem fantasy-tauglichen Titel das „Schwert des Ostens“ nicht lesen möchte, muss es ja nicht. Aber verpassen, das soll als Gesamturteil des Rezensenten schon im Voraus verraten werden, verpassen würde man schon etwas.
Ein Gastbeitrag von Matthias Rürup, Wuppertaler Lyriker und Erziehungswissenschaftler.
Einerseits lässt sich der Roman der inzwischen sehr beliebten Rubrik der Regionalkrimis zuordnen. Bedient wird hier ein Wiener Lokalkolorit, aber nicht jenes der K&K-Nostalgie mit Opernball, Schmäh und Kaffeehaus-Dunst. Leitend ist vielmehr das Wiener Klischee der bezaubernd-lebensechten Dirnen, der naiv-ehrlichen Burschen und der abgeklärt-ehrlichen Gewohnheitstrinker umrahmt vom morbiden Duft städtischen Verfalls. Allerdings bleibt bei Rebhandls satirisch überzogener Aktualisierung des klassischen Typenensembles kaum etwas von der alten Wiener Melancholie und Tiefe.
Der Hauptheld, der Gelegenheitsermittler Rock Rockenschaub entspricht zwar noch irgendwie dem Klischee des bodenständig, liebenswert-naiven, idealistisch-gutgläubigen Straßenjungen. Als Pornokino-Türsteher (und –Nutzer), Kleindealer und Dauerkiffer ist er allerdings deutlich ins machohaft-glitschig-unangenehme transformiert. Auch das sonstige Figurenensemble unterliegt ähnlichen Verzerrungen: Nicht mehr ist es das Kaffeehaus, was Gemeinschaft stiftet, sondern der geteilte Besuch und das Fable für Dirty Willis Swedish Pornhouse mit seinen Klassiker-Vorführungen von Jack Schlecks Oralbeglückungen. Das schafft Netzwerkverbindungen zur Polizei und versorgt Rockenschaub mit Beschattungsaufträgen für eventuell untreue Ehefrauen. Die leichtfertigen (Dienst-) Mädchen lassen sich nun – in der Figur der dicken Bärbel – eher mit osteuropäischen Arbeitsmigranten ein als mit Künstlern und Landstreichern. Als neuer lokaler Einfluss hinzugekommen ist eine türkische Halbwelt-Gegenkultur aus Dönerläden und Fitnessstudios, die in der Geschichte die frühere klischeehaft-jüdische Rolle des gierigen Geldverleihers und fies-kriminellen Strippenziehers übernimmt.
Andererseits wird man Rebhandls Krimi nicht gerecht, wenn man ihn zu einer bloßen Wiener Regionalposse verkürzt. Es kann zudem als – satirisch überzogenes – Wutstück über die Verdrängung alter, dubios-antibürgerlicher Wohnräume durch eine gut situierte ökologisch-moralisch auftrumpfende Wohlstandsgesellschaft gelesen werden – kurz: als ein kritischer Kommentar zur Gentrifizierung. Mögen die abgehalfterten, mit ihrem alten heruntergekommenen Kiez passiv zufriedenen Hauptfiguren auch unangenehme Nachgeschmäcker hinterlassen – so dumm-dreist, verkifft und machohaft wie sie sind – so werden sie in der Erzählung als letztlich doch ehrlicher, authentischer und liebenswerter hervorgehoben, als die zugezogenen, arrogant-engstirnigen Neureichen mit ihren überzogenen Ansprüchen an eine bürgerliche, öko- und gesundsheitsdidaktorische Reinlichkeit städtischer Quartiere.
Um sich mit den ambivalenten Hauptfiguren der Story gegen die veganen Mütter und linksalternativen Teeverkäuferinnen verbündend zu amüsieren, ist es so herzlich egal, dass es sich bei dem Ort der Handlung um den sozial abgehängten Wiener Stadtteil Ottakring handelt und nicht etwa um das Hamburger Schanzenviertel gleich hinter der Reeperbahn oder ähnliche Armuts- und Rotlichtbereiche in Berlin, Paris, London oder New York. Lediglich bestimmte Typen – wie die Altnazis, typischerweise Metzger und Trafikanten mit ihrem lokalen Einfluss und ihrer sozialen Akzeptiertheit – passen wohl glaubwürdiger nach Wien. Andernorts wird es aber ähnliche Unholde geben, die als alteingessenene Übel die Hässlichkeit des Bisherigen verkörpern, zugleich aber auch – indem sie Überfall- und Mordopfer werden – symbolisch die Frage aufwerfen, ob es wirklich eine Verbesserung ist, aus dem öffentlichen Raum systematisch alle Schandflecken zu tilgen.
Von der – rasant, abwechslungsreich, schlagfertig und einem feinen Gespür für absurde Situationen geschriebenen – Kriminalstory sei nicht allzu viel verraten – nur, dass der Titel des Romans eigentlich nichts mit dem behandelten Kriminalfall zu tun hat, braune Arschlöcher auch sexuell attraktiv sein wollen und Penisneid nicht nur zwischen den Geschlechtern existiert.
Manfred Rebhandl: »Das Schwert des Ostens« (2012, Wien: Czernin-Verlag, 243 Seiten,) Zur Leseprobe.
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