Village
Kennerspiel mit Kopfeinsatz
Die einen knacken mit den Fingern und fahren schon mal die grauen Zellen hoch, die anderen rollen mit den Augen und verfluchen den Partner, der sie zu dem Spieleabend geschleppt hat: Wenn ein ‚Kennerspiel‘ ausgepackt wird, scheiden sich die Geister. »Village« aus dem Hause Eggert Spiele, verlegt von Pegasus ist ein solches. 2012 hat es den Preis »Kennerspiel des Jahres« erhalten und erreichte den ersten Platz beim Deutschen Spiele Preis.
von Fabian Mauruschat
Die Fischpott-Redaktion (Jan, Fabian und als Special Guest die Illustrantin) hat sich versammelt, die Box wird geöffnet und das Friemeln geht los: Potentielle Village-Spieler müssen erst mal 48 winzige Aufkleber auf 24 kleine Holzpöppel kleben. Das hemmt ein wenig die Vorfreude und muss eigentlich auch gar nicht sein – viel einfacher wäre das Beschriften zum Beispiel mit einem Permanent Marker.
Dann das erste Überfliegen der Regeln: Die Spieler verkörpern eine Familie, die sich möglichst erfolgreich im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge eines präindustriellen Dorfes durchsetzen muss. Es gibt vier Ressourcen: Glaube, Wissen, Überzeugungskraft und Können. Sowie Münzen, die als Joker dienen. Und Getreidesäcke. Und Zeit. Der Kopf schwirrt ein bisschen. Dann die Aktionen: Jede Runde haben Spieler und Spielerinnen die Wahl zwischen Getreideernte, Familie, Handwerk, Markt, Reise, Ratsstube, Kirche und Brunnen. Der Kopf schwirrt ein bisschen mehr. Außerdem kann man Ochsen, Pferde, Pflüge, Planwagen und Schriftrollen erwerben. Die Lernschwelle steigt gefühlt auf die Höhe der Alpen.
Mikromanagement im Mehrgenerationendorf
Der Spielbeginn ist also etwas zögerlich – aber nach und nach kommt Spielfreude und Taktieren auf. Das Ressourcensammeln wird immer taktischer, die Abläufe werden immer klarer und die Verknüpfungen fangen an sich zu erschließen. Möglichkeiten werden abgewogen: „Bilde ich eine Figur zum Wagner aus und investiere Zeit in Planwagen, um eine andere Figur auf Reisen zu schicken oder mach ich einen Viehzüchter aus ihr, um meine Getreideernte mit einem Ochsen vor dem Pflug zu optimieren?“
Nach und nach bringt jede und jeder die nächste Generation von Pöppeln ins Spiel und irgendwann sterben die Figuren der ersten Generation auf dem Spielfeld. Das ist zunächst aber nicht schlimm, weil sie in die Dorfchronik eingehen und am Ende des Spiels Punkte einbringen. Die erste Spielrunde endet und bei der Messe werden Pöppel aus einem Sack gezogen, die in der Kirche Punkte einbringen.
Wege zum Ruhm
Langsam erschließt sich die Spielwelt und die Möglichkeiten, an Ruhmpunkte (also Siegespunkte) zu gelangen werden ausgelotet. Wie es sich für ein Kennerspiel gehört, gibt es viele verschiedene Wege zum Ziel. Reisen, das Besetzen von Posten in der Ratsstube und das Platzieren von Familienmitgliedern in der Kirche sind nur ein paar davon. Die Interaktion mit anderen Spielern erfolgt nur indirekt: Man kann ihnen erschweren, bestimmte Aktionen durchzuführen, die vier Ressourcen vor ihnen abgrasen oder begehrte Plätze in der Kirche durch Geldeinsatz als Erste(r) belegen. Eine weitere Möglichkeit ist Jans Taktik, durch akute ‚Zeitverschwendung‘ Druck auf die Mitspieler auszuüben.
Wer »Die Siedler von Catan« für kompliziert hält, für den ist »Village« garantiert nicht das richtige Spiel. Wer dagegen ein Spiel sucht, das taktisch fordernd ist und das man sich beim ersten Spielen etwas erarbeiten muss wird mit »Village« fündig. Wer auf ‚komplex, aber nicht kompliziert‘ steht, hat sogar ein potentielles Lieblingsspiel gefunden.
Village ist bei Pegasus Spiele erschienen, kostet knapp 30 € und kann zu zweit, zu dritt und zu viert gespielt werden. Fischpott hat ein Rezensionsexemplar erhalten.