Wie man einen Toaster überlistet
Unautorisiertes Brot
In der Novelle Wie man einen Toaster überlistet schildert Cory Doctorow eine nahe, sehr wahrscheinliche Zukunft, in der Smart Devices zum Alptraum werden.
„If the tech industry gets their way, none of your stuff will be yours anymore.“
– Adam, Adam Ruins Everything
Ein Toaster kann ganz schön gefährlich sein. Wer schwer nikotinabhängig ist und Zigaretten, aber kein Feuerzeug im Haus hat, kommt manchmal auf die dumme und brandgefährliche Idee, mit einem Toaster und etwas Küchenrolle selbst Feuer zu machen. Die gute Nachricht: Ein smarter Toaster könnte das verhindern. Die schlechte Nachricht: Er könnte noch viel mehr verhindern.
Brot vom Drittanbieter
Denn genau das ist das Problem von Salima: Ihr Toaster verhindert, dass sie jede beliebige Brotsorte verwendet. Denn der Toasterhersteller und bestimmte Lebensmittelproduzenten haben Verträge miteinander abgeschlossen – zum Nachteil ihrer Kunden. Und seitdem der Toasterhersteller insolvent ist, toastet Salimas Toaster überhaupt kein Brot mehr. Aber da Salima eine clevere Frau ist, nimmt die in den USA der nahen Zukunft lebende Libyerin die Sache selbst in die Hand. Sie recherchiert und findet schließlich die Möglichkeit, den Toaster zu hacken. Und da der Geschirrspülerhersteller ebenfalls insolvent geworden ist und ihr Disher kein Geschirr von Drittanbietern mehr reinigen will, hackt Salima den auch.
Bald ist Salima nicht mehr die einzige in ihrem Wohngebäude, deren Geräte gehackt sind. Da alle Bewohner der Sozialwohnungen die gleichen Geräte besitzen – geregelt durch einen Vertrag zwischen den Herstellern und der Wohnungsgesellschaft – haben auch alle die gleichen Probleme. So hilft Salima zunächst ihrer Freundin Nadifa, die aus Somalia in die USA gekommen ist und bald kann auch Nadifas Sohn Abdirahim Küchengeräte jailbreaken. Er und Salima geben ihre erworbenen Fähigkeiten weiter und bald werden die Kinder aus den Sozialwohnungen zu Befreiern der Geräte. Das entwickelt sich zu einem Problem, als die insolventen Hersteller wieder geschäftsfähig werden und Salima klar wird, dass alle ihre Nachbarn aus den Wohnungen geworfen werden könnten und ihr sogar eine Gefängnisstrafe droht …
Die Welt von morgen
In Wie man einen Toaster überlistet – Originaltitel Unauthorized Bread – zeigt Doctorow anschaulich, wie unsere Zukunft bald aussehen könnte. Schon heute besitzen wir bei vielen Geräten die Software nicht, sie ist im Grunde nur gemietet. Das führt zu absurden Geschehnissen, wie den dutzenden Apps auf unseren Smartphones, die wir nie nutzen, die wir aber auch nicht löschen können. Mehr Beispiele zeigt das Video Why You Don’t Own Your Tech von Adams Ruins Everything. Dass wir diesem Vorgang mit dem Anklicken einer seitenlangen AGB zugestimmt haben, macht die Sache auch nicht besser – wenn wir nicht zustimmen, können wir das Gerät schließlich nicht nutzen. Und da immer mehr Geräte sogenannte Smart Devices werden, verlieren wir immer mehr Kontrolle über sie.
Ähnlich wie Eschbachs NSA – Nationales Sicherheitsamt ist Wie man einen Toaster überlistet stellenweise ein Manifest. In diesem Fall keines gegen eine totale transparente Digitalgesellschaft sondern gegen die kapitalistischste Nutzung von Smart Devices. Dieser Manifestcharakter spricht aber nicht gegen das Buch, in dem Doctorow eine unterhaltsame, zu Herzen gehende kleine Geschichte erzählt, welche die aktuelle Wertschöpfungslogik der kapitalistischen Weltgesellschaft ein paar Schritte weiterdenkt. Noch sind Smart Devices und Smart Homes größtenteils Luxus-Spielzeuge, die Reichen das Leben verschönern. Schon jetzt beginnen Konzerne damit, sie gewinnmaximierend auf den Rest der Bevölkerung anzusetzen.
Gibt es einen Ausweg? Vielleicht ist die Graswurzelbewegung der FabLabs und Repair Cafés die Antwort. Wie man einen Toaster überlistet zeigt eigentlich genau diesen Weg auf: Menschen holen sich von den Konzernen die Kontrolle über ihre Geräte zurück, indem sie sie hacken und reparieren. Do it Yourself als Selbstermächtigung.
Haben wir gelernt, wie man einen Toaster überlistet?
Für eine große Story reicht Wie man einen Toaster überlistet nicht. Aber schließlich steht auf dem Cover „Novelle“ und genau das trifft die 170 Seiten lange Erzählung recht gut.
Kurz und kurzweilig und zum Nachdenken anregend: Wie man einen Toaster überlistet ist ein Bericht aus einer Welt, die nicht mehr fern ist. Keine Dystopie mit Killerrobotern oder Gedankenkontrolle sondern eine mit Toastern, die nicht toasten.
Wir haben ein Rezensionsexemplar erhalten.