Wildes Japan – Land der tausend Inseln (DVD)
BBC Earth Dokumentation über die japanische Naturverbundenheit
Japan ist der viertgrößte Inselstaat der Welt und macht mit seinen 127 Millionen Einwohnern etwa 1,7 Prozent der Weltbevölkerung aus. Historisch ist Nippon, wie die offizielle Bezeichnung Japans lautet, oder Nihon, wie es umgangssprachlich heißt, die erste Industrienation Asiens und galt lange Jahre als die zweitgrößte Wirtschaftsmacht hinter den USA. Das wirft die Frage auf, ob es im Land der aufgehenden Sonne überhaupt noch Platz für Wildtiere geben kann. Die dreiteilige BBC Earth Dokumentation Wildes Japan – Land der tausend Inseln zeichnet ein Bild einer ausgesprochen naturverbundenen Bevölkerung und stellt einige der einheimischen Arten vor.
Honshu, Der Südwesten und Hokkaido
Japan besteht aus vier Haupt- und über 6.800 kleineren Inseln, die sich entlang des Pazifischen Feuerrings erstrecken. Ihre Gebirgskette macht über fast drei Viertel der Landmasse aus, sodass für die Menschen mit ihrer Landwirtschaft, der Industrie sowie dem benötigten Wohnraum nur etwa ein Fünftel überhaupt nutzbar ist. Grundsätzlich also schon mal Platz für Flora und Fauna, die wie die menschlichen Bewohner gelernt haben, mit den Vorzügen, aber auch mit der Bedrohung durch die vierzig aktiven von insgesamt über zweihundert Vulkanen zu leben. Wildes Japan – Land der tausend Inseln stellt das Land im Rahmen von drei Teilen à fünfzig Minuten vor, regional aufgeteilt in Honshu, Der Südwesten und Hokkaido. Dabei macht die Dokumentation deutlich, wie vielfältig sich die Lebenswelten schon allein ob ihrer klimatischen Voraussetzungen gestalten. Japan lässt sich in sechs unterschiedliche Klimazonen aufteilen, so in Regionen wie die Nordinsel Hokkaido mit ihren kalten, schneereichen Wintern, bis hin zu der subtropischen Inselkette im Südwesten. Die zentrale Insel Honshu kennt beides, eine kühle Nordspitze und subtropische Zonen im Süden. Als größte der japanischen Inseln gilt sie auch als das Kernland. So leben hier die meisten Japaner (rund einhundert Millionen), von denen sich wiederum die meisten in den Ballungszentren Tokio und Yokohama angesiedelt haben.
Naturliebende Japaner
Der Raum für städtebauliche Maßnahmen ist eingeschränkt, stößt ebenso wie die Landwirtschaft immer wieder auf geographische Begrenzungen und damit auch auf Tierwelten. Unweigerlich kommt es also zu Überschneidungsflächen, in denen Mensch und Tier sich begegnen und bestenfalls gar voneinander profitieren. Die Macher der Dokumentation betonen dabei das naturbezogene Zusammenleben der Japaner mit ihrer Um- und Mitwelt. Sei es die Begeisterung für die Kirschblüte im Frühjahr und das Farbenspektakel der herbstlichen Laubwälder Hokkaidos oder die Zusammenarbeit von Mensch und Tier in Fragen der Erhaltung von gemeinsamen Ressourcen. So profitieren Karpfen zum Beispiel von den angelegten Kanalsystemen und reinigen durch ihren gesunden Appetit das Wasser für die weitere Nutzung im Rahmen des Reisanbaus. Und wenn sich an einem Gewässer Leuchtkäfter zur Balz treffen, wissen die Anwohner, dass ihr Wasser auf jeden Fall sauber ist, würden diese Glühwürmchen sich andernfalls dort nicht einfinden. Selbst das Zusammenleben zwischen Fischern und Braunbären mit ihrem gemeinsamen Interesse an Lachsen soll sich weitgehend friedlich gestalten. Japanmakaken allerdings, die die nördlichste Affenpopulation der Welt darstellen, können sich bei Raubzügen auf Obstplantagen einigen Ärger mit den von den Bauern abgerichteten Shiba-Hunden einhandeln. In Japan ist man wie Hund und Affe – und nicht wie Hund und Katze.
Wildtiere profitieren von Shintoismus und Buddhismus
Im gewissen Sinne verdankt die einheimische Tierwelt ihr Überleben auch den beiden zentralen Religionen: Shintoismus und Buddhismus. So erfreut sich ein Tanuki (ein japanischer Marderhund, der einem Waschbären gar nicht so unähnlich ist) an dem Status als anerkannter Glücksbringer. Als Sikahirsch darf man sich an dem zentralen Schrein in Nara, einer der ältesten Städte Japans, gar so einiges gegenüber den Besuchern herausnehmen, gelten Sikahirsche nämlich als heilig. Das japanische Serau, eine in Wäldern lebende Ziegenantilope, wird ob seiner zurückgezogenen Lebensweise fast mit den Waldgeistern gleichgestellt, an die manch ältere Japaner glauben. Russische Riesenseeadler schlagen ihr Winterquartier gerne auf Hokkaido auf, weil die ansässigen Eisfischer sie als gutes Omen betrachten und ihnen immer wieder gerne Fangreste überlassen. Auch spricht die Dokumentation einheimischen Bauern das erfolgreiche Bemühen um den Erhalt der Mandschurenkraniche zu. Mitte des 20. Jahrhunderts habe es auf Hokkaido gerade mal noch dreißig Exemplare dieser Symbole der Schönheit und des langen Lebens gegeben, die ein beeindruckendes Schaupiel aus Gesang und Tanz zelebrieren. Heute soll ihr Bestand wieder auf etwa eintausend Vertreter gestiegen sein.
Schöne Bilder – wenig Hinterfragen
Wildes Japan – Land der tausend Inseln gestaltet sich durchaus informativ, bleibt allerdings leider auf dem Niveau wahrlich schöner Bilder. Während des Betrachtens fragte ich mich immer wieder, warum die Macher im Jahr 2015 so gar nicht auf Aspekte wie Fukushima eingehen oder das immer wieder heiße Eisen Walfang ansprechen. Eine Dokumentation, die sich die Naturverbundenheit eines Volkes zum Thema macht, kommt meines Erachtens gar nicht darum herum, nicht nur auf die Vielfalt der Arten, sondern auch auf die Vielfalt der menschlichen Interessen einzugehen. Wie kann es sein, dass ein Volk, das seine Hirsche heiligspricht und mit Karpfen Koalitionen eingeht, internationale Gesetze in Sachen Walfang bricht, obwohl die Bevölkerung immer weniger Wal nachfragt. Oder auf seine Atomkraft besteht, wenngleich die Katastrophe im Kraftwerk Fukushima-Daiichi nicht nur über 160.000 Menschen die Heimat, sondern auch über 600 Menschen und unzähligen Tieren das Leben gekostet hat.
Ich kann nur vermuten, dass sich viele Japaner durchaus dieser Widersprüche bewusst sind, diese aber auch irgendwie für sich integrieren können. So, wie vielleicht so mancher deutscher Tierfreund sich ohne Bedenken ein Steak auf den Grill haut und besorgt auf die Wiederansiedlung von einheimischen Wölfen schaut. Widersprüche machen das Leben aus. Mir geht es nicht um Bewertung. Von einer guten Dokumentation erwarte ich aber, dass sie nicht wie eine Werbebotschaft für die Japan-Touristik daherkommt. Wenn ich dann im Nachgang auch noch lese, dass vermutlich jedes Jahr zehntausende Japanmakaken wegen ihrer Raubzüge getötet werden, passt das nur bedingt zu dem Bild, das die Doku von dem Zusammenleben mit den pfiffigen Affen zeichnet.
Wildes Japan – Land der tausend Inseln ist ab 29.07.2016 als DVD und Blu-ray erhältlich.
Fischpott Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar von Polyband als DVD erhalten.