World on Fire – Staffel 1
Oh, oh … Sean Bean in einer Serie zu Zeiten des zweiten Weltkriegs, da ist der frühzeitige Charaktertod ja quasi vorprogrammiert. Doch die Serie der BBC konzentriert sich auf eine ganze Reihe von Charakteren, die in den Wirren des zweiten Weltkriegs hoffen, sich und die, die ihnen wichtig sind, zu retten.
Die Serie beginnt im Jahr 1939 und konfrontiert den Zuschauer gleich mit einer Vielzahl von Personen, die das Herz der siebenteiligen Serie ausmachen werden. So lernen wir Harry Chase (Jonah Hauer-King, demnächst Prinz Eric in Disney’s Arielle-Remake) und Lois Bennett (Julia Brown, The Last Kingdom) kennen. Sie eine Jazz-Sängerin, er Übersetzer auf dem Weg nach Warschau. In Warschau beginnt Harry eine Beziehung mit der Polin Kasia (Zofia Wichlacz, Warschau 44), während Lois in Manchester auf seine Rückkehr wartet und sich nebenbei um ihren Vater (Sean Bean, Sharpe-Reihe), einen Weltkriegsveteranen und Pazifisten, und ihren rebellierenden Bruder Tom (Ewan Mitchell, The Last Kingdom) kümmert. Etwa zur selben Zeit wird die amerikanische Korrespondentin Nancy Campbell (Helen Hunt, Oscar für Besser geht’s nicht) Zeuge vom Kriegsausbruch an der polnisch-deutschen Grenze und versucht ihren Neffen Webster O’Connor (Brian J. Smith, Stargate Universe) zu warnen, der in Paris als Chirurg arbeitet. Dieser hat sich jedoch bereits in den Jazz-Saxophonisten Albert Fallou (Parker Sawyers, My First Lady) verliebt und bleibt auch nach der Okkupation in der französischen Hauptstadt. Neben diesem bereits reichlich gefüllten Korb an Hauptfiguren spielen auch Harrys emotional distanzierte Mutter Robina (Lesley Manville, Der seidene Faden) und Kasias Familie, insbesondere ihre zwei Brüder, eine nicht unerheblich Rolle in den Wirren des ersten Jahres des zweiten Weltkriegs.

© Mammoth Screen 2019
Was sich nach einigen Handlungssträngen anhört, umschreibt noch nicht einmal die Hälfte der ersten Folge und überfordert den Zuschauer zuweilen etwas. Nachdem sich die überschlagenden Ereignisse jedoch etwas gelegt haben, findet man schnell in die verschiedenen Storylines und entwickelt eine Bindung zu den Charakteren. Hier spielt auch eine der größten Stärken des Weltkriegsdramas eine Rolle, die gleichzeitig die größte Schwäche der Produktion ist. World on Fire ist in vieler Hinsicht mehr Soap als (Anti-)Kriegsserie, mehr Coronation Street als Band of Brothers. Zwar liefert die Serie See-, Land- und Städteschlachten, jedoch treten diese im Gegensatz zu den menschlichen Schicksalen in den Hintergrund. Da geht es eher um die Liebe zu zwei Frauen, die verbotene Liebe zwischen zwei Männern, die unterkühlte Beziehung zwischen einer Mutter zu ihrem Sohn und um einen Vater, der hilflos zusehen muss, wie sich seine Kinder emotional und geographisch von ihm entfernen. Große Schauwerte halten sich eher in Grenzen, was wahrscheinlich auch ein weiser Schachzug der Produzenten war, denn wer möchte schon in einer TV-Produktion, die nicht das Budget von Game of Thrones hat, den Abzug bei Dunkirk inszenieren, nachdem Christopher Nolan einen visuell berauschenden Kinofilm über dieses Ereignis drehte? Tatsächlich spielt sich der Krieg bei World on Fire meistens im Hintergrund ab. Statt in die Schlagabtäusche der Armeen einzutauchen, werden die übergeordneten Entwicklungen zumeist von der Korrespondentin Nancy in Form ihrer Radiosendung vorgetragen. Auch geschehen weitreichende Gräueltaten wie der Holocaust off screen oder werden aus der Perspektive einzelner Schicksale eher angerissen, wie die Angst eines mit Nancy Campbell befreundeten deutschen Ehepaares, das um das Leben ihrer epileptischen Tochter im reinrassigen Deutschland fürchten muss.

© Mammoth Screen 2019
Wer nun also bei Weltkriegsproduktionen eher in die Richtung eines Roland Emmerichs (Midway) denkt oder ergreifenden Pathos erwartet, wird bei World on Fire sicherlich an der falschen Adresse sein. Das gilt ebenso für Zuschauer, die bei historischen Serien auf dokumentarische Korrektheit wert legen. So fragt man sich schon, warum das dritte Reich eine amerikanische Korrespondentin so lange mit deutlich feindlichem Tonus aus Berlin heraus berichten lässt oder wie es ein einzelner polnischer Soldat von Danzig zu Fuß bis nach Dunkirk schafft. Stattdessen bietet World on Fire ein Charakterpotpouri, das den Zuschauer mitnimmt und an einzelnen Stellen sogar den deutschen Unterdrücker nuanciert darstellt. Auch wenn Handlungsstränge sicherlich differenzierter ausgearbeitet werden könnten, weckt die Serie das Bedürfnis doch noch eine weitere Folge anzusehen, um dem Weg von Nancy, Harry, Tom, Lois, Kasia und allen anderen weiter zu folgen. Erfreulicherweise wurde bereits eine zweite Staffel bestätigt, jedoch ohne festen Sendetermin.

Foto: Dusan Martincek / © Mammoth Screen 2019
World on Fire richtet sich an ein Publikum, für das Abbitte (2007) zu viel Wert auf Krieg legte. Das Jane Austen gerne mit einer Prise Brokeback Mountain würzt und dann mit Der Soldat James Ryan in den Mixer wirft. Kurzum, ein Publikum, das im Weltkriegssetting mehr Gefühle als bloßen Pathos und Schmerz sehen möchte. Wer sich in dieser Nische wiederfindet, findet bei World on Fire die richtige Mischung.
Kommentare
World on Fire – Staffel 1 — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>