Nevermind Nirvana – Pearl Jam Twenty
Grunge wird oftmals als die letzte musikbasierte Jugendbewegung bezeichnet. Dabei gilt Kurt Cobain als die Stimme, „Nevermind“ als das Album und „Smells like Teen Spirit“ als die Hymne dieser Generation. Anfang der 90er kam so eine ganze Reihe Gruppen zu Weltruhm. Alle vereint durch einen harten Sound und die Herkunft aus Seattle. Mit ihrer rauen Art stellten sie einen Gegenpol dar zu den bis dato erfolgreichen Hairmetal/Hairrock-Gruppen vom Schlage eines Eddie van Halen. Pearl Jam gehörten neben Nirvana, Alice in Chains und Soundgarden zu den größten Acts dieser Bewegung und ihr wegweisendes Debut „Ten“ steht viel zu oft ungerechterweise in der zweiten Reihe. Mit „Pearl Jam Twenty“ erscheint nun eine Doku, die das 20-jährige Bestehen der Ur-Grunger aus Seattle zelebriert. Inszeniert hat das rund 120-minütige Werk Oscar-Preisträger Cameron Crowe (Almost Famous), der bereits 1992 mit dem Film „Singles“ der Grunge-Szene in Seattle ein Denkmal setzte.
This is Shangri-La
„Pearl Jam Twenty“ setzt etwas früher als die eigentliche Bandgründung ein. Zu Beginn steht die kurze Geschichte der Musikhoffnung „Mother Love Bone“ die unter anderem aus den späteren Pearl-Jam-Gründungsmitgliedern Stone Gossard und Jeff Ament bestand. Kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums starb der charismatische Frontmann Andy Wood an einer Überdosis und die beiden Musiker sahen sich vor dem Ende ihrer viel zu jungen Karriere als Rockstars. Ab diesem Punkt konzentriert sich Crowes Doku voll und ganz auf den Werdegang von Pearl Jam. Sehr ausführlich beschäftigt er sich mit den einzelnen Mitgliedern, vor allem natürlich mit der Gallionsfigur Eddie Vedder. Wichtige frühe Punkte, wie die kurze Existenz als „Mookie Blaylock“ und die Supergroup „Temple of the Dog“, kommen ebenfalls nicht zu kurz. Das wird alles durch alte Aufnahmen gezeigt, die von neu gefilmten Interviews mit den Bandmitgliedern unterbrochen werden.Der Großteil besteht dabei aus Konzertmitschnitten, für die jeder Pearl-Jam-Fan dankbar sein wird. Diese Raritäten zeigen fantastische Auftritte in denen man den Spaß und die Energie von Eddie & Co förmlich körperlich spürt. Spätestens, wenn Eddie Vedder – wie so häufig in den frühen Tagen – Gerüste erklimmt, muss der Zuschauer dem Drang widerstehen, zum Klang von „Porch“ auf den hauseigenen Kronleuchter zu klettern. Vor- und Nachteil zugleich ist, dass Crowe seinen Blick auf Pearl Jam verengt. Bis auf Chris Cornell (Soundgarden, Audioslave) kommen keine anderen Stimmen zu Wort. Natürlich sind die beiden anderen großen Frontmänner des Grunge, Kurt Cobain und Layne Staley, verstorben. Aber dennoch wären an dieser Stelle Blickwinkel von beispielsweise Jerry Cantrell (Alice in Chains) oder Mark Arm (Mudhoney) sehr interessant gewesen. Durch das Ausklammern weiter Teile der damaligen Grunge-Szene entsteht aber auch eine Intimität, die die Band dem Zuschauer kaum näher bringen könnte.
Turned my world to black
Im Folgenden wird gezeigt, wie der Erfolg der Band kurz nach der Veröffentlichung ihres Debuts „Ten“ durch die Decke geht. Im Wechselspiel zwischen alten und neuen Interviews wird dem Zuschauer vermittelt, wie sich der Erfolg nach und nach vom Segen zum Fluch entwickelt. Wichtige Stationen sind dabei natürlich der Suizid von Kurt Cobain und Pearl Jams Kampf gegen das Monopol von Ticketmaster. Es ist Crowe hoch anzurechnen, dass er sich dazwischen viel Zeit nimmt um sich immer wieder auf die Geschichte hinter Songs wie „Jeremy“, „Black“ oder „Daughter“ zu konzentrieren und so das eigentlich wichtige an Pearl Jam nie aus dem Auge verlieren: die Musik. Pearl Jams Weg aus dem Rampenlicht und hin zu einer Band, die sich gegen die Konventionen des Business richtet wird ausführlich dargestellt und durch die Bandmitglieder erklärt und kommentiert. Ein großer Einschnitt ist das Jahr 2000, als bei einem Auftritt im dänischen Roskilde mehrere Menschen zu Tode gequetscht wurden. Der Schock, den dieses Ereignis für Pearl Jam bedeutete wird in den Reaktionen jedes Einzelnen spürbar.
Once you were in my rearview mirror
Leider scheint es, als ob die wichtigsten Kapitel über Pearl Jam damit abgehandelt wurden. Die restlichen elf Jahre werden bedauerlicherweise als kaum differenzierter Gesamtblock dargestellt, in dem Pearl Jam mit sich, ihrer Kunst, ihren Fans und ihrer eigenen Art mit dem Musikbusiness umzugehen ins Reine gekommen sind. Entwicklungen wie schwindende Verkaufszahlen oder die Produktion ihrer Alben ohne Major-Label Deal werden dabei nur am Rande behandelt. Besonders ärgerlich ist, dass das Zustoßen Boom Gaspars zur Band überhaupt nicht erwähnt wird. Dafür muss zu den Bonusfeatures gegriffen werden, die diese wichtige Veränderung ebenfalls nur unzureichend behandeln. Hätte sich Crowe in diesem Teil so viel Mühe gegeben wie im packenden Ersten, der auch knapp drei Viertel der Laufzeit einnimmt, wäre Pearl Jam Twenty insgesamt ein runderes Ergebnis geworden.
The End
Cameron Crowes „Pearl Jam Twenty“ ist natürlich ein Werk für Fans. Entsprechend macht es auch kaum Sinn an dieser Stelle über den musikalischen Aspekt der Produktion zu reden. Es bleibt aber festzuhalten, dass besonders über die frühe Phase der Bandgeschichte wundervolles Material gezeigt wird und die raren Konzertmitschnitte eine ungeheurere Kraft vermitteln, die jeden auch nur annähernd rockinteressierten sofort zu seinen alten PJ Platten greifen lassen wird. Musik ist das zentrale Thema der Band und die Unabhängigkeit und Reinheit genau dieser wird in „Pearl Jam Twenty“ zelebriert. Entsprechend ist Cameron Crowes Werk ein Muss nicht nur für Pearl-Jam-Fans (aber für die natürlich besonders) sondern auch für jeden anderen, der auf harten gitarrengetriebenen Rock steht. Da lässt es sich auch verschmerzen, dass das Bonusmaterial der Standard DVD mit acht sehr kurzen Featuretten (jeweils zwischen 3 und 10 Minuten) eher mau ausfällt. Das Highlight ist dabei eine kleine Tour durch Eddie Vedders Haus, das wie ein einziger großer Flokati wirkt.
TG
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