Batman: Year One
DC Universe Animated Original Movie
Regie: Lauren Montgomery, Sam Liu
Es war ein langer Weg bis zu diesem Film. Die Geschichte Year One von Frank Miller und David Mazzucchelli erschien 1987 in Batman #404-407. Bereits 1989 haben mit Sicherheit viele erwartet, dass Tim Burtons Batman dem beliebten Year One nicht unähnlich sein würde. 1994 versuchte der viel gescholtene Joel Schumacher eine Verfilmung des Stoffes durchzusetzen (wozu er sich stattdessen hergegeben hat, muss hier nicht weiter erwähnt werden). 2000 arbeiteten Frank Miller und der damals noch nicht gefeierte Darren Aronofsky an einer Verfilmung, dessen Proposal Batman in die Tradition von Scorseses Taxi Driver stellen sollte. Lediglich Teile des Comics schafften es letztendlich in Batman Begins und den zu unrecht vergessenen Kinofilm Batman: Mask of the Phantasm. Fast 25 Jahre nach Erscheinen des Comics folgt also endlich der Batmanfilm, auf den man so lange warten musste – wenn auch nur direct-to-dvd in der Reihe „DC Universe Animated Original Movie“.
Batman und Noir? Unmöglich!
1992 schrieb der Filmkritiker Roger Ebert zu Batman Returns, dass Superhelden und das Noir-Genre grundsätzlich nicht zusammen passen, da die Prämisse des Letzteren gerade das Ende allen Heldentums ist. Dass Year One diese Verbindung trotzdem zustande bringt, liegt vor allem an einem erzählerischen Kniff:
Anstatt Bruce Wayne zum tausendsten mal in seiner Entwicklung zum berühmten Fledermausmann zu zeigen, konzentriert sich der Film, wie die Comicvorlage, auf den späteren Polizeichef James Gordon. Als buchstäblich erste Nebenfigur des Batman-Kosmos beschränkte sich dessen Aufgabe lange hauptsächlich darauf, der Welt seine eigene Inkompetenz zu demonstrieren, indem er bei jedem Problem den Nachthimmel mit dem Ruf nach einem Gesetzlosen in Fledermauskostüm erhellte. Nicht so in diesem Klassiker der Bat-Literatur.
Zur selben Zeit, als der Milliardär Bruce Wayne nach Jahren in seine Heimatstadt Gotham zurückkehrt, wird Lieutenant James Gordon (im Original hervorragend gesprochen von Bryan Cranston) aus Chicago strafversetzt. Während Wayne nach einer Methode sucht, sein Vermögen und Training gegen das Verbrechen einzusetzen, wird Gordon aufgerieben: zwischen seinen eigenen Werten und dem korrupten Department, zwischen seiner unscheinbaren, schwangeren Frau und der Affäre mit der Kollegin Sarah Essen, zwischen der eigenen Integrität und der Sicherheit seiner Familie. Selbst sein Bündnis mit Batman wirkt lediglich wie ein Kompromiss; wie die Wahl des kleineren Übels, gegen die Institutionen, die schlimmer sind als ein verrückter mir Maske. Millers und Mazzucchellis Comic folgt den Techniken des Neo-Noir. Hinter Gordons faltigem Columbo-Anzug, der nerdigen Hornbrille und dem biederen Schnauzbart versteckt sich ein resignierter Sam Spade ebenso wie ein melancholischer Philip Marlowe und, wie sein Partner feststellen muss, auch ein brutaler Mike Hammer. Gordon, der einzige ehrliche Cop in Gotham, steht in der Tradition der Detektive der schwarzen Serie. Auch sein Chef, seine Kollegen, die Mafia – sie alle sind klassische Figuren der 40er und 50er hineinversetzt in die brutale Welt der 80er.
Rückbesinnung
Montgomerys und Lius Film geht noch einen Schritt weiter. Anstatt die Handlung in die Gegenwart zu verlegen, spielen sie mit ihrer Historizität. Ein bisschen wie Philip Marlowe (Elliott Gould) in Robert Altmans Der Tod kennt keine Wiederkehr als personifizierter Anachronismus durch das Los Angeles der 70er stolpert, zieht auch Gordon als hard-boiled Ermittler durch die dunkle, nur von Neonlicht erhellte Welt der 80er; wenn auch weniger reflektiert als Goulds Marlowe. Year One bezieht sich neben Mode, dem fehlen moderner Medien und Technik (oder der übernommenen Erwähnung Prinzessin Carolines als noch junges „It-Girl“) auch formal explizit auf den Actionfilm und die Animes der 80er, inklusive Musik und Glow-Effekte. Was daraus entsteht ist ein beeindruckender „Neo-Neo-Noir“: Ein Film, der die 80er zitiert, welche die 50er zitieren.
Auch Batman steht in der Tradition des gebrochenen Anti-Helden. Erscheinen dessen körperlichen und geistigen Fähigkeiten oft als Deus Ex Machina, als ultimative Lösung für jedes noch so komplizierte Problem (zuletzt überspitzt im gerade auslaufenden, großartigen Run Grant Morrisons), ist Bruce Wayne in Year One herzzerreißend unperfekt. Sein erster Ausflug in die Verbrechensbekämpfung endet fast tödlich (übertölpelt von einem minderjährigen Mädchen), auch jugendliche Kleinkriminelle überwältigt Batman nur mit Anfängerglück und ob Gordon sich von seiner mäßigen Playboy-Darstellung täuschen lässt bleibt fraglich. Batman Year One schafft den Sprung zum Film Noir (wie auch Batman Returns, dem er gelegentlich Danny Elfmans Catwoman Thema entnimmt) nicht zuletzt indem der dunkle Ritter entmystifiziert, dafür aber menschlicher wird.
Dass es Year One nur zum direct-to-dvd- Film gebracht hat, kann als Vorteil wie auch als Nachteil gewertet werden. Natürlich kann Year One nicht mit Zeichentrickfilmen fürs Kino verglichen werden und man sieht den Animationen ihr Budget an – von der deutschen Synchronisation ganz zu schweigen, der mit „halbherzig“ noch geschmeichelt würde. Dafür ist fraglich ob die liebevolle Arbeit mit David Mazzucchellis Vorlage und das stoische festhalten an Millers Plot, wie beides hier vorliegt, in einem größeren Projekt möglich gewesen wäre. Für einen bequemen Videoabend mit Batmanfans und als Alternative für das durchschnittliche TV-Programm ist Batman: Year One jedoch mehr als empfehlenswert.
Zwar dauert der Film nur 64 Minuten, dafür ist diesmal auch auf der gewöhnlichen DVD-Version ein Kurzfilm zu finden; diesmal zu Batmans on-and-off-Beziehung Catwoman.
LB