Das erste seiner Art in NRW: Literaturcamp Bonn

Volles Haus in der VHS Bonn beim Literaturcamp Bonn, Foto: bk
Literaturcamp Bonn, das hat nichts mit Lesen im Wohnwagen zu tun. Camp bedeutet hier BarCamp, also jene Form der Konferenz, die die Teilnehmenden selbst organisieren. Entsprechend lässt sich vorher nicht sagen, was im Laufe des Tages passieren oder hinterher herauskommen wird. Die ultimative Antwort auf die Frage, was Literatur ist, war es am vergangenen Samstag sicherlich nicht. Über alle anderen Erkenntnisse, das gehört zum guten Ton, berichten die Teilnehmenden im Nachhinein. Ob nun ihren Familien, Freunden und Nachbarn oder auf ihrem Blog – halt so, wie es gerade passt. Und weil der Fischpott durch mich vertreten war, gibt es hier nun meinen Bericht vom ersten Literaturcamp in NRW.
Viele Neulinge an Bord
Die Erfahrung besagt, dass BarCamps große Familientreffen sind. Unter dem Motto »Einmal BarCamp, immer BarCamp« zeugt die Vorhersage, auch in der Nachbarstadt auf diverse bekannte Gesichter zu treffen, nicht von Genialität. Umso überraschter waren die üblichen Verdächtigen, wie hoch der Anteil der Neulinge war. Das sorgte für Gesprächsstoff in den Pausen: Gefühlte fuffzig Prozent, wow! Die Themenvorgabe Literatur hatte sicherlich so manche vom Schreibtisch weggelockt, die zu einer themenoffenen Unkonferenz sonst nicht gekommen wären: Autoren (ob nun mit oder ohne Verlag), Lektorinnen oder Verlagsmenschen, alle gespannt auf das, was da kommen möge. Sicherlich auch irritiert, sich in der Morgensession allen anderen mit drei Satzvollendungen erst einmal vorstellen zu müssen:
- Literatur interessiert mich, weil …
- Ich lese gerade …
- Mich beschäftigt gerade …
Einige der anwesenden BarCamp-Profis machten daraus bald die üblichen drei Hashtags, die in meinem Fall gelautet hätten: #informellesLernen, #darkweb und (wie immer) #wordpress. Letzteres war sicherlich nicht besonders originell, passte aber besser zu meinem Sessionvorschlag. Alternativ hätte ich #dieSchlechtigkeitderMenschheit sagen müssen. Aber das hätten nur jene verstanden, die meinen zweiten Hashtag gelesen haben.
Die Sessions beim Literaturcamp Bonn

Der Sessionplan und die Qual der Wahl, Foto: bk
Eine Themenvorgabe grenzt die Vielfalt eines BarCamps natürlich ein. Dennoch galt nicht zu befürchten, dass es beim Nacherzählen der jeweilig aktuellen Lektüre bleiben könnte. Tatsächlich war das Themenspektrum durchaus breit: Neben inhaltlichen Aspekten wie Entwicklung von Figuren oder Gagschreiben in 140 Zeichen ging es vor allem auch um Gesichtspunkte rund um das (Selbst)-Publizieren. Also zum Beispiel um das Drama vom Autor und seinem Lektor oder die Covergestaltung. Natürlich durften auch die üblichen BarCamp-Themen nicht fehlen, allen voran WordPress. Zu dieser Kategorie gehörte dann auch mein eigenes Angebot: In meiner Session Texten im Web ging es um das Verbessern von Onlinetexten. Als Beispiel hatte ich meine letzte Fischpott-Rezension zu dem Science Fiction Die drei Sonnen herangezogen. Alles nachzulesen auf meinem Internetkurse Köln Blog: Texten fürs Web. Dies erwähne ich jetzt aber nicht nur im Sinne der Eigenwerbung.
Ich erwähne es auch, weil ich in diesem Zusammenhang unfreiwillig für einen ausgemachten Ehestreit vor versammeltem Publikum beigetragen habe. Und der ging ungefähr so: Ein Paar trifft sich morgens in der Küche. Er kommt gerade aus dem Bad, während sie schon den Kaffee zubereitet. Plötzlich bückt er sich, nimmt einen Zettel vom Boden auf und sagt völlig unvermittelt: »Das Internet braucht mehr Schifffahrtsrouten!« Für sie offenbar ein Affront sondergleichen. Selbst diverse Zettel mit vorgetragenen Zitaten später ruft sie noch immer aufgebracht: »Du immer mit deinen Schifffahrtsrouten!« – Dabei hatte ich in meiner Session doch nur zu mehr Hyperlinks aufgefordert, weil keine Website eine einsame Insel sein sollte.
Kein BarCamp ohne Taubenhaucher
Klar, dabei kann es sich nur um Improtheater handeln. Und wer sie bereits bei der ein oder anderen Veranstaltung erlebt hat, erkennt sofort die Taubenhaucher. Beim Literaturcamp Bonn waren sie nun auch als Sponsoren vertreten. Als solche hatten sich Axel Bungert und Gabi Deeg nichts Geringeres vorgenommen, als in der Abschlusssession eine improvisierte Zusammenfassung des Tages zu liefern. Die basierte zu Teilen auf den gesammelten Zitaten des Tages, die beim Publikum immer dann besonders gut ankamen, wenn jeder sie zuordnen konnte. So zum Beispiel den dezenten Hinweis noch aus der Morgensession, dass das mit dem Vorstellen »vieeeellll kürzer!« gehen muss. Sehr schön aber auch das Experten-Statement direkt zu Beginn. Dabei trugen Gabi und Axel in Personalunion nicht nur ihre Erkenntnisse über Literatur als solche (stillt zum Beispiel Hunger und Durst), vielmehr sogar auf Wunsch des Publikums mittelalterliche Liebeslyrik vor.
Improvisation kann man üben
Kurz zuvor hatte Axel einmal mehr seine Session zu den Improtheater Übungen abgehalten. Die mitzumachen ist immer wieder eine Freude. Gerade eine verkopfte Planerin wie ich kann ein wenig Anleitung gut vertragen, möglichst begeistert »Jaaa!!!« zu allem zu sagen, was da kommt. Zum Beispiel die Vorstellung der eigenen Person als Weltbeste in welcher Disziplin auch immer. So wurde mir die außerordentliche Fähigkeit zugeschrieben, Worte und ganze Sätze in beliebiger Reihenfolge nutzen zu können. Meinen Sitznachbarn stellte ich dann als weltschnellsten Autofahrer vor, der immer bereits ankommt, bevor er überhaupt losgefahren ist. Kein Wunder, dass wahrscheinlich die meisten Fotos des Tages aus dieser Session stammen. Immerhin haben wir uns im wahrsten Sinne des Wortes zum Affen gemacht. Wobei ich als Katze gar keine Affen gesehen habe. In der Vielfalt der Tierwelt mögen mir die Schimpansen und Gorillas aber auch einfach nur entgangen sein.
Nach dem Camp ist vor dem Camp
Am Ende des Tages war die allgemeine Zufriedenheit mal wieder groß. So schien auch der Raumsponsor, die VHS Bonn, mit dieser Veranstaltung glücklich gewesen zu sein. Immerhin hat das Haus die Wiederholung im nächsten Jahr zumindest schon mal in ausdrückliche Erwägung gezogen. Das sei den Veranstalterinnen auf jeden Fall zu wünschen. Schließlich haben sie sicherlich so manche angefixt, die sich jetzt schon auf die Wiederholung nächstes Jahr freuen.