Die Expansion von Christoph Martin
Der Panamakanal gilt als eines der wichtigsten Bauprojekte der Welt. Doch die vor über hundert Jahren in Betrieb genommene Wasserstraße konnte den Anforderungen der Zeit nicht mehr standhalten. Deshalb wurde der rund 82 Kilometer lange Kanal, der Atlantik und Pazifik verbindet und damit eine wunderbare Abkürze für Containerschiffe darstellt, zwischen 2007 und 2016 erweitert. Die Expansion von Christoph Martin erzählt die Geschichte der Erweiterung nun ein wenig anders. Im Vordergrund steht hier weniger der Ausbau an sich, was interessant gewesen wäre. Vielmehr geht es um Korruption, Intrigen und Verrat – verübt von Figuren, die irgendwie nicht überzeugen.
Geomantik vs Geomatik
Max Burns ist Geomatikingenieur. Das heißt, dass seine Kernkompetenzen in der Erarbeitung und Ausführung großer Projekte wie Brücken- oder eben Kanalbauten liegen. In der deutschen Übersetzung des zuerst auf Englisch erschienenen Buches ist hingegen immer wieder von Geomantik die Rede. Also einer sehr esoterischen Disziplin, bei der Muster und Markierungen in der Erde dem Hellsehen dienen. Ein sich konsequent durchziehender Tipp- oder Übersetzungsfehler? Oder ist es vielleicht gar nicht wichtig, welcher Profession die Hauptfigur nachgeht?
Ob nun Esoteriker oder Ingenieur, Max Burns erhält den Auftrag und die Mittel, mit einem britischen Team an der Ausschreibung zum Ausbau des Pananakanals teilzunehmen. Ein Projekt dieser Güte war schon immer sein Traum. Also wirft er einen guten Job und eine Liebesbeziehung über Bord, um für seinen dubiosen Jugendfreund Godfredo und dessen noch viel dubioseren Vater Paco zu arbeiten. Mit einem Team, das er noch aus Unizeiten kennt, zieht er Richtung Panama. Auf einer vorgelagerten kommt das Team vor lauter von Godfredo angezettelten Parties kaum dazu, seinen Job zu machen. Was allerdings auch nicht tragisch ist. Es ist längst beschlossene Sache, dass das Team die Ausschreibung gewinnen wird. Dafür hat Paco gesorgt, der mit dem für die Expansion verantwortlichen Behördenvertreter gemeinsame Sache macht. Und dabei auch klarstellt: Sollte hier irgendwas schiefgehen, ist es die Schuld von Max Burns.
Im Zweifel ist immer Max der Schuldige
Das mit der Schuldzuweisung sehen auch andere Vertreter so. An der Ausschreibung beteiligen sich natürlich auch die Vereinigten Staaten. Die hatten 1999 den Kanals als unveräußerliches Eigentum des panamaischen Volkes an Panama übergeben und wollen nun wieder die Finger im Spiel haben. Schon allein, weil sie befürchten, China könnte die Ausschreibung gewinnen. Doch China nimmt gar nicht daran teil. Vielmehr setzen die Chinesen darauf, dass sich das britische Team rund um Max verzockt und so ihr eigenes Bauvorhaben in Nicaragua an Bedeutung gewinnt.
Allen voran fühlt sich der US-Botschafter berufen, die amerikanischen Interesse um jeden Preis zu durchzuboxen. Ähnlich sieht es auch die Chefin einer neu geschaffenen, CIA-ähnlichen Behörde, die sich vor Ort von ihrer Mitarbeiterin Karis Deen vertreten lässt. Die lernt Max bald kennen und auch direkt lieben. Und ist dennoch immerhin in der Lage, ihren einigermaßen wachen Blick zu behalten. Umgekehrt ist es auch für Max Liebe auf den ersten Blick, was ihn allerdings noch verblendeter durch Ausschreibungsphase und Zuschlag in die Bauphase hineinstolpern lässt. Dass er an den viel zu niedrig angesetzten Baukosten schuld sein soll, bekommt er vor lauter Party mit Godfredo, Golfspielen mit dem chinesischen Botschafter und Verliebtheit in Karis gar nicht mit. Dass er dann aber auch noch am Tod des panamaischen Behördenvertreters schuld sein soll, realisiert er hingegen schon. Aber da ist die Kacke für ihn schon am Dampfen.
Fazit
Meine offenkundig mangelnde Begeisterung für Die Expansion von Christoph Martin, der sein Buch im Übrigen zusammen mit der australischen Schriftstellerin Libby O’Loghlin verfasst hat, hat nicht nur mit meiner der Erzählabsicht entgegengesetzten Erwartung zu tun. Ich dachte leider, ich würde hier viel über Panama und seinen Kanal erfahren. So streut das Autorenteam zwar immer wieder Aspekte der langen und in Teilen auch tragischen Geschichte dieses Bauwerkes. Für eine weitergehende Erkenntnis war der entsprechende Wikipedia-Eintrag dann doch hilfreicher. Letztlich scheint es aber auch fast egal, um welches Großprojekt es hier geht, weil der Schwerpunkt eben nicht auf dem Projekt an sich, sondern auf der Korruption und dem Verrat liegt.
Meine Kritik hat aber noch mehr mit den arg flachen Figuren zu tun. Nun könnte man auch sagen: Sie sind immerhin konsequent. Max Burns zeigt sich konsequent naiv. Paco, sein Auftraggeber, ist konsequent boshaft, verschlagen und schlecht. Sein Sohn Godfredo gibt konsequent die Dumpfbacke. Der US-Botschafter hingegeben übt noch an seiner Verschlagenheit. Für die Agentenchefin gibt es als Ausrede eine schwere Erkrankung, während das zumindest in Teilen professionelle Auftreten ihrer Mitarbeiterin Karis durch deren Hintergrund als Marine gerechtfertigt wird. Diesem Personal hätte ich eine Komödie abgekauft, vielleicht auch pure Action. Für eine interessante Geschichte rund um Korruption und Intrige hätte es für meinen Geschmack erheblich mehr Tiefe gebraucht.