Draft Day – Tag der Entscheidung (DVD)
In einer ganz anderen Welt als noch vor zwei Stunden
Wenn ich an Sportfilme denke, denke ich an Kevin Costner. Das mag etwas realitätsverzerrend sein, aber spätestens seit Tin Cup ist er für mich mehr der Golfspieler denn der mit dem Wolf Tanzende. Da kann es auch mal passieren, dass ich ihm Rollen andichte. Als ich Draft Day in den Player einlegte, wunderte ich mich noch: So eine ähnliche Geschichte mit ihm als Manager eines Sportvereins auf der Suche nach neuen Spielern hatte ich doch dieses Jahr erst im TV gesehen. Zwei Stunden später musste ich feststellen, dass es nicht Kevin Costner, sondern Brad Pitt in Moneyball war, in dem es auch nicht um Foot-, sondern um Baseball ging. Was Kennern des amerikanischen Sportfilms nun die Haare zu Berge stehen lassen dürfte, ist für mich ein wesentlicher Aspekt, den ich an Sportfilmen mag: Da geht es oft gar nicht um den Sport an sich. So auch nicht in Draft Day.
Man wird nur einmal gedraftet
Draft Day hat es nicht in die deutschen Kinos geschafft. Das hat sicher weniger mit der Besetzung (Kevin Costner, Jennifer Garner, Denis Leary) oder dem Regisseur (Ivan Reitman) zu tun denn mit dem Umstand, dass ich wahrscheinlich nicht die einzige Europäerin bin, die noch nie etwas von dem NFL Draft gehört hat. Dabei gibt es den schon seit 1936. Laut Satzung heißt er tatsächlich Player Selection Day und ist die Gelegenheit vor Saisonbeginn, bei der die 32 amerikanischen Football-Vereine den Nachwuchs aus dem Collegesport auswählen. Für die Spieler stellt dieser Tag einen wesentlichen Meilenstein in ihrer Karriere dar; schließlich kann man nur einmal gedraftet werden. Obwohl es sich bei dem NFL Draft also eigentlich nur um ein Geschäftsmeeting handelt, strahlen seit 1980 gleich zwei TV-Sender dieses Treffen zur Primetime live aus. Und weil wahren Fans das allein nicht ausreicht, zog die Veranstaltung 2006 in die Radio City Music Hall, damit all die Football-Anhänger ausreichend Platz finden.
Wenn Manager picken, was das Zeug hält
Man stelle sich vor, es gäbe ein vergleichbares Event für den europäischen Fußball: Kurz vor der neuen Saison treffen sich die Manager von Bayern München, Borussia Dortmund und Co. zum großen Nachwuchshandel. Bliebe es bis zum Saisonende bei dem aktuellen Tabellenstand, dürfte der BVB nächsten Sommer seine Wahl lange vor den Bayern treffen, denn gewählt wird nach umgekehrter Rangliste. Dabei heißt die Wahl nicht Wahl, sondern Pick. Dafür gibt es an drei Tagen insgesamt vier Durchgänge, und natürlich ist der Erstrunden-Pick der wichtigste. Gibt es einen heißen Nachwuchs-Spieler am Markt, den alle haben wollen, ist es günstig, so früh wie möglich an der Reihe zu sein. Also sieht das Reglement vor, dass die Vereinsvertreter um die Pick-Rangliste verhandeln können. Sie können also zum Beispiel sagen: „Tausche meinen diesjährigen Erstrunden-Pick gegen deine Erstrunden-Picks der nächsten drei Jahre“. Für solche Deals haben die Manager immer zehn Minuten Zeit. Sie können aber natürlich auch schon im Vorfeld damit beginnen. Oder bei den Verhandlungen noch einen drauflegen: „Gebe nicht nur meine Erstrunden-Picks, sondern auch noch einen meiner Außenverteidiger, den ich nicht länger brauche.“ Wäre das dem ein oder anderen Fan ein Besuch in der – sagen wir – Lanxess Arena wert?
Von der Black List in die Top Ten
Den footballverrückten Amis ist ihr Draft Day durchaus einen Besuch wert. Kein Wunder also, dass Drehbuchautoren auf die Idee kommen, darüber einen Film zu machen. Das Script von Scott Rothman und Rajiv Joseph blieb dennoch unverfilmt, bis es sich auf der Pole Position der Black List (Liste der besten nicht-produzierten Filmscripte) wiederfand und dort von Ivan Reitman entdeckt wurde. Gemeinsam sicherten sie sich die Kooperation der NFL, die es ihnen unter anderem ermöglichte, beim realen Draft zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen Fernsehteams für ihren Film drehen zu dürfen. Außerdem fanden sich diverse Spieler und NFL-Verantwortliche, die bereit waren, sich in dem Film selbst zu spielen. Mit diesen Hintergründen, die die Extras der DVD liefern, wird langsam klar, warum Draft Day nach dem ersten Wochenende in die Top Ten der US-amerikanischen Kinocharts eingezogen war.
Der Plot
Mit diesen Hintergründen ist es mir auch erst möglich, den Plot der Geschichte zu erzählen: Sonny Weaver jr. (Kevin Costner) ist General Manager der Cleveland Browns. Am Morgen des Draft Day erhält er von den Seattle Seahawks das Angebot, seine Erstrunden-Picks der nächsten drei Jahre gegen den allerersten Pick in diesem Jahr zu tauschen. Nun hat er die Qual der Wahl. Mit seinem Trainer Penn (Denis Leary) hatte er sich eigentlich auf Running Back Ray Jennings geeinigt. Er selbst hat ein Auge auf Middle Linebacker Vontae Mack geworfen und weiß um die Knieprobleme seines aktuellen Quaterbacks Brian Drew. Weil für den mit Bo Callahan nun ein heiß gehandelter Ersatz am Markt wäre, lässt sich Sonny auf den Deal ein und macht sich damit in den eigenen Kreisen nicht nur Freunde. Neben Brian Drew reagiert besonders Trainer Penn erbost. Doch das ist dem Funktionär egal. Er hatte ja auch kein Problem damit, seinen Vater als Trainer des Teams zu entlassen, als seine Mutter ihn darum bat. Dass Coach Sonny Weaver sen. dennoch eine Woche zuvor an den Folgen seines stressreichen Berufslebens gestorben war, hinterlässt Junior mehr oder weniger unberührt. Viel wichtiger ist es ihm, erstmals die Chance zu erhalten, ein von ihm zusammengestelltes Team zum Superbowl zu führen. Dabei ärgert es ihn, dass – unter anderem Twitter sei Dank – selbst Unbeteiligte wie seine Mutter binnen weniger Minuten bereits von seinen Entscheidungen Kenntnis erlangen. Und dass ihm seine Lebensgefährtin und Arbeitskollegin Ali (Jennifer Garner) ausgerechnet an diesem Morgen verkündet, von ihm schwanger zu sein, kommt für ihn auch nicht gut. Bis zur abendlichen Großveranstaltung werkelt Sonny sich nun also durch eine Reihe von teils beruflichen, teils privaten Konflikten. Allen voran stellt sich ihm die große Frage, warum die Seahawks von der Möglichkeit absehen, den vermeintlich so großartigen Bo Callahan selbst picken zu können. Als das Event schließlich startet und Sonny seine ersten zehn Minuten hat, überrascht er alle damit, statt des Quaterbacks den twitterbegeisterten Vontae Mack zu nennen (Im Gegensatz zu Sonny Weaver twittert der übrigens immer noch). Den hätte er auch ohne große Deals haben können. Aber wenn er dann neu verhandelt, kann sich die Welt sogar binnen dreißig Sekunden komplett ändern.
Das Fazit
Hat man sich einmal an den Sprachgebrauch gewöhnt, bei dem so viel gepickt, gedraftet und gesackt wird, entwickelt sich der Film langsam zu einem vertrackten Strategiespiel, das auch Menschen wie mich durchaus anspricht. Tatsächlich hätte ich mir noch mehr davon gewünscht und auf die parallele Liebesgeschichte mit der schwangeren Ali durchaus verzichten können. Ohnehin schafft es Jennifer Garner in meinen Augen nicht, die Rolle des footballkundigen Finanzvorstands glaubhaft mit Leben zu füllen. Letztlich wirkt ihr Erzählstrang wie der Versuch, dem hartgesottenen Sonny eine private Seite zu gönnen. Vielleicht war sie aber auch nur gut für ihren Ausspruch, dass der höchste Preis in der größten Macho-Sportart der Welt ein Schmuckstück sei (für den Sieg beim Superbowl gibt es einen protzigen Ring). Spannender fand ich die gewählte Bildästhetik. Seit Erfindung der mobilen Telefonie hat sich bekanntermaßen der Splitscreen zu einem wesentlichen Stilmittel gemausert. Als in Filmen noch Fernkommunikation nur von Bürotischen oder Telefonzellen aus möglich war, ließ es sich leichter schneiden. Heute aber, da ständig das Telefon am Ohr hängt, macht es durchaus Sinn, statt des Schnitts geteilte Bilder zu wählen. Bei Draft Day kommt nun aber die Komponente dazu, dass sich Figuren von dem einen Bild freigestellt durch das andere bewegen. Wenngleich ich immer noch rätsele, welche tiefere Bedeutung diese Technik im Zusammenhang mit Football oder der geschäftlichen Einigung in Sachen Spielerhandel haben soll, fand ich sie auf jeden Fall hübsch anzusehen.
Nachdem es im Frühjahr mit dem Einzug in die deutschen Kinos nicht geklappt hat, kommt der Film nun im Herbst pünktlich zum Weihnachtsgeschäft als DVD auf den deutschen Markt. Für Fans des amerikanischen Sportfilms ist Draft Day sicherlich nicht die schlechteste Geschenkidee.
Disclaimer: Fischpott hat ein Rezensionsexemplar der DVD erhalten.