Pokémon GO – Interview Nr. 2
Fischpott-Interview mit Sebastian Standke
Pokémon GO liegt mittlerweile bei über 8 Millionen Downloads allein in Deutschland. Wie sich das Spiel weiterentwickeln wird, ob das Zeitalter der Augmented-Reality-Spiele herangebrochen ist – es stellen sich einige Fragen zur Zukunft der (nicht nur) Pokémon-jagenden Gamerszene. Wir haben sie dem Medienwissenschaftler Sebastian Standke gestellt. Auf dem Blog Techniktagebuch schreibt er über seine Erfahrungen mit Pokémon GO.
Du bist schon vor dem deutschen Release gestartet – wie hast du das gemacht?
Einige Tage vor dem internationalen Release wurde Pokémon GO bereits in einigen wenigen Ländern, darunter auch Neuseeland, ein paar Tage früher freigeschaltet. Ich habe mir daher eine neuseeländische App-Store-ID erstellt und mich mit dieser etwa zwei, drei Tage vor dem deutschen Release beim Spiel angemeldet. Bis auf ein paar Tricksereien und Recherchen (beispielsweise über das Format von neuseeländischen Telefonnummern) ging das auch ziemlich unkompliziert.
Was hat dich am Spiel so gereizt, dass du schon vorher loslegen wolltest?
Das ist vermutlich die klassische Story, die man andauernd hört: 1999, als der Pokémon-Anime im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, war ich gerade mal zarte elf Jahre alt. Ich war sofort verliebt in die vielen kleinen Geschichten, die witzigen Charaktere und insbesondere in die Vielfalt der Monster. Als dann auch noch die Game-Boy-Spiele herauskamen, war es richtig um mich geschehen. Meine Mutter brachte mir gleich am Release-Tag – es war ein Freitag im Oktober – die Blaue Edition von der Arbeit mit, sodass ich das ganze Wochenende Zeit hatte, in diese Welt einzutauchen. Und auch, wenn ich nie wirklich viele Pokémon-Spiele besessen habe, so habe ich trotzdem ständig die neusten Editionen im Blick behalten und mich über die mal kleinen, mal großen spielmechanischen Fortschritte über all die Jahre informiert. Pokémon war seitdem immer ein Teil von mir, da es mich popkulturell stark geprägt hat. Diesen Teil meiner Kindheit habe ich mir stets bewahrt, weshalb das neu entfachte Interesse in Pokémon GO vermutlich einfach ein logischer Schluss war.
Welche Tipps würdest du Anfängerinnen und Anfängern gerne mit auf den Weg geben?
1.) Folgenden Spruch verinnerlichen: „Wer das Taubsi nicht ehrt, ist das Dragoran nicht wert!“ Soll heißen: Gerade die häufig vorkommenden Pokémon (insbesondere Taubsi, Hornliu sowie Raupy) sollten unbedingt so oft es geht gefangen werden. Im Gegensatz zu vielen anderen ihrer Artgenossen brauchen sie gerade mal zwölf Bonbons, damit sie ihre nächste Entwicklungsstufe erreichen können. Jeder Fang eines Pokémons bringt drei Bonbons, wenn man eins zurück an den Professor schickt, dann gibt es ebenfalls nochmal einen Bonbon. So kann man mit gerade mal drei gefangenen und daraufhin wieder verschickten Taubsis bereits zwölf Bonbons kassieren und ein anderes Taubsi weiterentwickeln. 2.) Weiterentwicklungen sollten im besten Falle dann passieren, wenn man ein Glücks-Ei aktiviert hat. Beim Einsatz eines Glücks-Eis erhalten die Spieler*innen das Doppelte an Erfahrungspunkten (kurz: EP), die sie normalerweise erreichen würden. Eine Weiterentwicklung bringt im Standardfall 500 EP ein, mit einem Glücks-Ei hingegen 1.000 EP. Besonders effektiv wird der Glücks-Ei-Einsatz dann, wenn man ein Pokémon entwickeln kann, das man bisher noch nicht hatte. Wann immer man ein neues Pokémon fängt oder eben entwickelt, bekommt man nochmal 500 beziehungsweise durch das Glücks-Ei eben 1.000 weitere EP hinzu. 3.) Am besten immer mit ein paar Freund*innen spielen, das macht schließlich viel mehr Spaß! 4.) Lasst das Botten und Cheaten einfach sein. Niemand hat Lust auf derartige Spielverderber*innen, die sich unverdienterweise in die Arenen reinpflanzen.
Was sind deine Spielerfolge? Oder konkreter: Welches Level hast du erreicht und was für Pokémon hast du schon gefangen?
Innerhalb von etwa fünf Wochen habe ich das Level 26 erreicht. In dieser Zeit habe ich 93 verschiedene Pokémon-Arten gefangen beziehungsweise entwickelt: Meine sechs besten Pokémon sind aktuell ein Aquana (1955 Wettbewerbspunkte bzw. WP), ein Garados (1939 WP), zwei Quappos (einmal 1708 und einmal 1705 WP), ein Entoron (1617 WP) sowie ein Aerodactyl (1599 WP). Meine persönlichen Favoriten sind allerdings mein Alpollo (920 WP) sowie mein Schlurp (895 WP).
Ist Pokémon nur der Anfang einer Welle von AR-Games?
Nein und ja zugleich. Ich glaube nicht, dass der Markt zukünftig mit erfolgreichen AR-Spielen überschwemmt werden wird. Das Konzept der Augmented Reality ist für mich aktuell nicht ausgefeilt genug, als dass es genügend kreative Köpfe gäbe, die dessen technischen wie auch ästhetischen Probleme kompensieren könnten. Es herrscht eine gewisse Diffusität, die Spieleentwickler*innen dafür bekämpfen müssten. AR-Spielwelten wirken dafür oft noch zu abgekoppelt und zu fremd, als wären sie einfach nur lieblos über unsere Realität übergestülpt, anstatt tatsächlich eine Erweiterung zu sein. Aber jetzt komme ich zum „Ja“-Teil meiner Antwort: Pokémon GO hat AR-Spielen durchaus eine Tür geöffnet. Dadurch, dass die Pokémon-Welt mehr wie eine Art Alternativ-Universum mit fantastischen Kreaturen funktioniert anstatt dass sie ein überkomplexes, stark regionen-bezogenes, selbstfixiertes Universum darstellt, ist Pokémon das vermutlich idealste Franchise für ein AR-Spiel, was man sich vorstellen kann. Aus diesem Grund wäre beispielsweise ein Star Wars-AR-Spiel nicht annähernd so erfolgreich gewesen – wenn wir als echte Menschen auf dem echten Planeten Erde ein AR-Spiel spielen würden, in dem wir uns zwischen verschiedene fiktive Planeten oder gar Galaxien zu bewegen hätten, dann wäre das ein kurioses Gefühl. Oder nehmen wir das Disney-Universum als weiteres Gegenbeispiel: Zwar sind die Disney-Filme auf der ganzen Welt bekannt und geliebt, aber sie verbindet bis auf ihre Ästhetik und häufige Moralhaftigkeit nicht wirklich etwas. Daraus lässt sich kein natürliches, stringentes Spielpotenzial entwickeln. Pokémon ist quasi simpel genug um auf unsere Welt projiziert zu werden, ohne an Reiz zu verlieren, da es eben noch den Sammel-Trieb perfekt befriedigt. Des Weiteren konnte es durch die bereits gegebene Popularität auch den AR-Spielen im Generellen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Daher wird es sicher einige Studios geben, die nun oder in Zukunft verstärkt auf AR setzen werden – aber ich glaube nicht, dass damit automatisch ein langfristiger Erfolg einhergehen wird.
Gestern habe ich in einem Gespräch am örtlichen Pokémon-Treffpunkt die Vermutung gehört, dass schon beim nächsten Update ein Tauschmodus eingeführt werden soll – hältst du das für möglich?
Möglich wäre es zwar definitiv, aber nach den Beobachtungen des letzten Monats schätze ich persönlich Niantic so ein, dass dies für sie noch keine hohe Priorität hat. Aktuell bemüht sich Niantic durch verschiedene Bug- und Server-Fixes mehr um die Stabilität der Performanz als um die spieltechnische Weiterentwicklung. Außerdem steht aktuell die Implementierung eines neuen Pokémon-Such-Radars – also eines Trackers – an, der von den meisten Spieler*innen sehnlichst (wieder) herbeigewünscht wird. Aber wenn das Kernspiel sich als absolut stabil und performant darstellt, dann werden sie sich auch bestimmt um solche Features kümmern.