Rätsel um Leonardo
Pocket Escape Book mit Renaissance-Genie
Man kann es sich nicht verkneifen: Der Originalverlag dieses „Escape Game Poche“ ist Larousse, ein gut bekannter Franzose. Und im Nachbarland lag es nahe, 2019 mit Leonardo da Vinci um die Ecke zu kommen, denn zu diesem 500. Todestag des Universalgenies feierte Frankreich zugleich 500 Jahre Renaissance. Das brachte vor allem den Schlössern an der Loire touristischen Zustrom. Besonders beliebt war Château du Clos Lucé, das verträumte Anwesen, das König Francçois I. seinem Günstling Leonardo als Alterswohnsitz überlassen hatte.
Bevor nun zu viel verraten sei, wäre zu verraten, dass das Spiel herzlich wenig über Meister Leonardo vermittelt. Die deutsche Fassung geht auch nicht weiter darauf ein, dass 1519 ein Schlüsseljahr gewesen ist. Vielleicht wäre das peinlich gewesen, weil die Übersetzung erst seit dem vertrackten Corona-Jahr 2020 vorliegt. Es bleibt aber die somit rätselhafte Notiz in der Einleitung: „Paris, zu Hause, 9. Januar 2019“. Dort nimmt der Protagonist die Fährte auf und wird – demnach nicht gerade plausibel – an die französischen Wirkungsorte des Renaissancemeisters geführt. Dort soll es Einblicke in da Vincis Forschungen geben, von denen kein Mensch bisher wusste.
Tatsache ist, dass bis heute an zahlreichen Rätseln um Leonardo getüftelt wird. Allein das grandiose Schloss Chambord hält immer noch mehr Fragen als Antworten bereit. Nur hat das Escape Book die Chance verpasst, den Blick auf diese wahren Geheimnisse zu richten. Stattdessen tapert man schlecht informiert durch dunkle Räume, in denen es Codes ohne geistigen Wert zu knacken gilt. Hat man einmal verstanden, dass ein Smartphone das vielleicht wichtigste Werkzeug bei der Lösung der Rätsel ist, wird die Sache etwas fade: Alle Codes besitzen eine gewisse Verwandtschaft, keiner fordert eine nähere Beschäftigung mit Leben und Werk des Meisters.
Glück gehabt, werden die einen urteilen, Zeitverschwendung dürften die anderen resümieren. In den Bann schlägt einen das Spielchen nicht. Sein auffälliges Hantieren mit Errungenschaften der Gegenwart birgt einen Sinn, der für die konstruierte Geschichte logisch erscheint, nicht aber für die historische Gestalt Leonardo. Dieser Künstler war kein Geheimniskrämer, die Rätsel um ihn ergaben sich vielmehr aus Geschehnissen nach seinem Tod. Was etwa Chambord angeht, so wurden schlichtweg Unterlagen vernichtet, die spätere Generationen nicht mehr für relevant hielten. Spannend und zudem lehrreich wäre es gewesen, sich im Rahmen eines Spiels mit den daraus erwachsenen Rätseln zu beschäftigen. Nur hätte das Recherchearbeit erfordert und wäre nicht mit lapidaren Jonglagen abgetan gewesen.

Vincent Raffaitin: „Rätsel um Leonardo“. Rheinbreitbach (Ullmann Medien) 2020, 128 Seiten, 5,99 €