Schau dir den Heino an, der hat sogar ein ironisches Album
Heino: ‚Kult‘, unsichtbare Feinde
und alter Wein in alten Schläuchen
Heino hat eine CD herausgebracht, in der er junge (naja, jüngere) deutschsprachige Pop-Interpreten covert. Überraschend ist, dass Heino noch lebt und singt, ansonsten könnte – oder sollte – die Neuigkeit schnell in Anbetracht wichtiger Nachrichten untergehen. Zum einen, weil die Idee nicht neu ist. 1994 hatte Johnny Cash so sein sehr erfreuliches Comeback begründet. Ebenfalls in den 90ern klappte das Konzept bei Tony Bennett. Die Tea Party des Rock’n Roll, Pat Boone, versuchte sein Image ‚ironisch‘ mit neu arrangierten Metal-Klassikern aufzupolieren und auch in Deutschland wollte James Last mit »They Call me Hansi« sich an ein junges Publikum wenden. Von Projekten wie Richard Cheese, Hellsongs oder Nouvelle Vague, die Punk, Metal und Alternative in verfremdeter Form neu präsentieren ganz zu schweigen.
Und trotzdem ist Heinos Wiederkehr verwunderlich! Woher kommt dieses Echo der Presse? Seit Heino alle drei Strophen der Nationalhymne veröffentlichte, hat keine seiner Aufnahmen mehr so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wie kann es sein, dass die Presse inklusiver vieler Internetge- und missbraucher darin eine clevere Idee sehen? Schließlich hinkt Heino gute 10 Jahre hinter oben genannten Kollegen hinterher. Dass BILD und andere Boulevardmedien hier glauben, etwas Neues, Interessantes zu sehen, war nicht anders zu erwarten – und wieder wird schnell das Wort ‚Kult‘ bemüht, womit man sich weiterer Gedankengänge im Voraus entledigt. Erstaunlich nur, dass Medien, die man für schlauer gehalten hätte und Freunde ganz unironisch diese vermeintlich gelungene Ironie Heinos loben – im schlimmsten Fall tappt man selbst in diese Falle. Denn genau das ist das Stichwort: Ironie!
Wer glaubt, Heino hätte sich mit »Junge« eine kämpferische Hymne gegen die Elterngeneration einverleibt und ironisch gebrochen, den beißt die Ironie von hinten in den Arsch. Junge, 2007 von einer Band weit jenseits der 40 veröffentlicht, beschwört eine Welt, die es so schon lange nicht mehr gab: „Schau Dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto“, diesen Satz dürfte kaum ein Teenager aus der Realität kennen. Und auch sonst: Löcher in der Hose, Piercings, laute Musik – alles zu Beginn des 21. Jahrhunderts definitiv kein Auslöser mehr für Generationskonflikte; insbesondere von einer Band, deren erste Fan-Generation 2007 mit ihren schon erwachsenen Kindern die Konzerte besuchte. Auch wenn in dem Song ein gutes Stück unironischer Wahrheit steckt, so lässt sich sein ganzes Potential am besten erfassen, wenn man sich beim Hören Farin Urlaubs ansteckendes Dauergrinsen vergegenwärtigt (der wird dieses Jahr übrigens auch schon 50). »Junge« war immer nur zur Hälfte Beschwörung einer Punk-Attitüde, zur anderen Hälfte nostalgischer (und wirklich ironischer) Abgesang auf die vergangenen Kämpfe mit den Eltern; eine Art letzte Hommage an eine ausgestorbene Generation, die wirklich noch Heino hörte und jetzt als Feindbild fehlt.
Heinos Version von »Junge« als ironischen Gegenschlag der Volksmusik gegen die ‚spießigen‘ Pop-Musiker zu interpretieren, wirkt, als würde man »Die Passion Christi« als ironische Antwort auf »Das Leben des Brian« verstehen. Das liegt vor allem am formulierten Anspruch Heinos. Die Bezeichnung der CD als »Das verbotene Album!« evoziert das Bild, Heino würde einen wunden Punkt berühren, dem Pop einen Spiegel vorhalten, ihn mit seiner eigenen Spießig- und Humorlosigkeit konfrontieren. Nichts könnte falscher sein. Die Fantastischen Vier, Sportfreunde Stiller, die Toten Hosen und vor allem Rammstein exerzieren die eigene ironische Brechung schon lange selbst – teilweise sogar mit rollendem R – da schlägt Heino doch eigentlich ins Leere. Warum sehen so viele hier trotzdem so viel mehr? Werden die Ärzte, Rammstein oder Silbermond wirklich als ernsthafte Rebellen-Rocker wahrgenommen? Wohl kaum. Worin liegt der Reiz für viele? Klar, die Texte kennt man eh auswendig, in Heinos Versionen kann man sie aber noch besser besoffen gröhlen (und auf 1 und 3 dazu klatschen). Und man kann die eigene, bisher unbewusste Affinität zur Volksmusik durch die Entschuldigung der ‚Ironie‘ entdecken und öffentlich ausleben (man könnte aber auch den Mut haben, einfach unironisch dazu zu stehen).
Aber die offenbar verbreitete Annahme, dass Heino hier etwas Subversives täte und sich mit Ironie gegen jemanden oder etwas behaupte, erklärt das nicht. Klagen, juristische wie moralische, verletzte Eitelkeiten oder das Gefühl, ertappt worden zu sein, werden zwar herbeigeredet, von den gecoverten Künstlern selbst aber nicht geäußert.
Vielleicht steht Heinos neues Album und die Reaktionen darauf in der Tradition eines paranoiden politischen Konservativismus’, der überall Repressionen eines ‚Political Correctness‘-Gespensts imaginiert, sofort die Hexenjagd von ‚Links‘ herbeiredet, ohne dass diese real geschieht. Ist Heinos neue Platte der instinktive Balzruf des Rechtskonservativen, „Man wird jawohl noch sagen dürfen, dass…“, in seiner musikalischen Form? Vielleicht hat Heino auch ein anderes Bild von Ironie und Satire und hat – ohne zu ahnen, dass er damit allein steht – fest mit einer Klage gerechnet, wie er sie in den 1980ern gegen den Heino-Parodisten Norbert Hähnel eingereicht und diesen damit in die Haft gebracht hatte.
Man mag sich darüber beömmeln, dass Musik auch anders arrangiert und interpretiert werden kann. Aber zu glauben, dass Heinos neue Platte originell oder gar ein „Gegenschlag“ wäre, ist als würde man glauben, dass Lederwesten und Totenkopfringe noch Ausdruck einer Gegenkultur wären.