Sogar mein Kamel fand’s langweilig. Mit den verrücktesten Reisebewertungen um die Welt
Schlecht gelaunt durch die Rabatten der Welt
Der Traum eines Buchautors besteht wohl darin, dass sein Werk schon fertig ist, bevor er Hand anlegen muss. Noch schöner, wenn dann auch noch der Rubel rollt. Christian Koch und Axel Krohn haben so ein Buch veröffentlicht. Wobei das mit dem Rubel noch abzuwarten bleibt. Aber der Titel verspricht schon mal Kasse: Sogar mein Kamel fand’s langweilig. Auch für diesen Granatenbrüller musste das Autorenduo keinen Finger krumm machen – er wartete schon in der Google-Twitter-Facebook-Prickel-Pit Kathedrale auf seinen Entdecker.
Wobei Koch-Krohn nicht einmal mit den Sprücheklopfern abrechnen. Vielmehr haben sie nach eigenem Bekunden eine Art Sympathie für die „verrücktesten Reisebewertungen“ (Untertitel) entwickelt, um nach dem Studium der Tripadvisor-Phrasen ehrfürchtig festzustellen, dass Volkes Stimme eine eigene Poesie und Bauernschläue, einen Weitblick und Tiefsinn besitzt, sobald es darum geht, Reiseangebote mit Bewertungen zu bekleben. Sinn dieses schamlosen Handelns in aller Öffentlichkeit ist es, nachrückende Traveller vor Bauchlandungen zu bewahren oder sie in Paradiese zu führen. Wobei die Einleitung gerade an dem Punkt zweifelt, denn „die Einschätzungen sind komplett subjektiv“, ihnen zu folgen also irgendwie für die Katz.
Alles beginnt mit David, dem muskelbepackten Schönling in Florenz, von dem jeder zumindest weiß, dass irgendein Künstler ihn gehämmert hat. „Was zum Teufel ist an diesem nackten Mann so toll“, fragt ein Troll. Es gibt nicht den leisesten Versuch, darauf eine Antwort zu finden, wohl aber weitere Geistesblitze derer, mit denen man nicht unbedingt verreisen möchte: „Ich hatte mehr von diesem Künstler erwartet und war etwas enttäuscht.“
Fleißig wälzt man sich durch den geballten Kappes, nie in der Hoffnung, Erleuchtung zu finden, dafür immer bereit, noch eine Schippe mehr an Gaga zu konsumieren. Über das Brandenburger Tor: „Als wir da waren, war es sogar offen und man konnte durchgehen. Kann wohl gar nicht geschlossen werden.“ Oder der hier über Pisa: „Von der Stadt haben viele ein schiefes Bild.“
Spätestens damit muss klar werden, dass wir alle Rädchen im Getriebe sind, demnach auch das Personal des entsprechenden Gewerbes. „Die Wurst wird auf das einzige warme vegetarische Gericht gelegt“, stellt ein Schopenhauer der Gastronomie fest. Daraus folgt, dass mindestens eine kochende Knalltüte wirklich vegetarische Speisen mit Wurst belegt. Perfekte Symbiose in einer Industrie, die jedes Recht auf Leben verwirkt hat, aber ungeniert blüht. Das gibt allen Grund zum poetischen Galgenhumor, zumal beim Reiseziel Tschernobyl: „Fällt ein Russe tot vom Traktor, ist in der Nähe ein Reaktor.“
Erfreulich bleibt, mit wie viel Sachverstand sich die schreibende Seilschaft ans Werk begibt: „Toller Ozean! Gut, vielleicht nicht der Beste, aber definitiv unter den TOP 5!“ Das sind Menschen, mit denen man auf Kreuzfahrt gehen oder den Mount Everest erklimmen soll? „Ich dachte, man könnte da oben richtig Party machen – leider froren mir die Nüsse ab!“ Kurzum: Den meisten Reisenden ist alles zu teuer, zu voll, zu heiß, zu dreckig und deshalb immer wieder eine Traumreise wert. Wärmstens zu empfehlen, dieses Buch, schon um zu verstehen, dass all der Wahnsinn unbegreiflich ist. Die Reise „off the beaten track“, sie gehört der Vergangenheit an, denn inzwischen findet jeder Honk die App, die ihm durchs Leben und über die Hürden der Fremde hilft. Mit diesem virtuellen Rüstzeug, zu dem auch die Online-Portale gehören, dengeln, dremeln und kärchern sich Kreti und Pleti in oft trüber Stimmung durch die Antarktis und zum Orinoco. Die Welt hat einen Zauber verloren, dafür viel Hirnschmalz mit gelegentlichem Hang zum Rassismus gewonnen: „Im Dzanga-Sangha Nationalpark können Touristen die seltenen Gorillas begaffen und Gorillas die gar nicht mehr so seltenen Touristen. Gleiches gilt für die Pygmäen.“ Respekt vor den Autoren, die den Kampf mit dem Krampf auf sich genommen und Sahnestücke aus der Grütze gepickt haben. Als Beweis noch der hier über die Malediven: „Es ist so, dass es dort Hardcore Entspannung ist. Das kann auch nicht jeder. Dazu muss man sich schon zwingen.“
Christian Koch, Axel Krohn: „Sogar mein Kamel fand’s langweilig. Mit den verrücktesten Reisebewertungen um die Welt“. Dumont Reiseverlag, Ostfildern 2019, 10 €
Disclaimer: Fischpott hat ein Rezensionsexemplar des Buches vom Verlag erhalten.