Abreißen und Wohlfühlen
Diogenes-Kalender Kritik
Zum Ende oder wahlweise Beginn eines jeden Jahres steht man vor dem ewig gleichen Dilemma: Welchen Kalender stelle/lege/hänge ich mir dieses Mal in mein Büro? Diogenes hat’s mit klugen Sprüchen probiert. Hier zwei Beispiele.
Paulo Cohelho – Wochen-Kalender 2020
Den Meisten wird Paulo Cohelho als Meister einer beeindruckenden Reihe teilweise etwas sentimentalerer Philosophie-Romane bekannt sein. Zu seinen Werken zählen unter Anderem Der Alchemist und Veronika beschließt zu sterben. Im Wand-Kalender von Diogenes versammeln sich nun eine beachtlichte Sammlung weiser Sprüche des Meisters. Im März gibt es ein empowerndes „Wenn ich jemandem treu sein muss, dann in erster Linie mir selbst“. Ja, schon mal gehört, eine Erinnerung tut aber auch mal gut. Im Juni bekommt man etwas fragwürdigere Aussagen, wie „Auseinandersetzungen halten die Liebe an unserer Seite“ oder „Schwierigkeiten sind ein Werkzeug, um unser wahres Selbst zu erkennen“. Kann man definitiv drüber streiten. Passend dazu hält der August „Wenn wir Rache nehmen, gleichen wir uns unseren Feinden an. Während im Verzeihen Weisheit und Klugheit liegt“ bereit.
Zusammenfassend ist Paulo Cohelho – Wochen-Kalender 2020 eher für Menschen gedacht, die ein seichtes Schulterklopfen bevorzugen und eine liebevolle Atmosphäre im Großraumbüro bevorzugen.
Abreißen, loslassen. 366 kluge Tage
Im Tages-Kalender 2020 von Diogenes gibt es zwar ebenfalls Sprüche, sie sind aber mitnichten etwas weniger pathetisch. Der Januar hält etwa ein einfaches „Tea is key“ als englische Lebensweisheit bereit (und die Briten werden nächstes Jahr viel Tee brauchen) oder „Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht unterschreiben will.“ von Anatole France. Passend zum Prokrastinieren gibt es auch ein „Aufräumen ist ein herrlich meditativer Prozess.“ von Bettina Wagner und „Der Mensch lebt von der Unordnung seines Herzens und stirbt an der Ordnung, die das Leben in ihm schafft.“ von Jörg Fauser. Manchmal passt auch Anne Schmuckes Aussage: „I can’t decide if I need a hug, a large coffee, six shots of vodka or two weeks of sleep.“ Oder man sieht es im Dezember wie Virgina Woolf, wenn sie sagt: „When you consider things like the stars, our affairs don’t seem to matter much, do they?“
Dieser dicke Klotz von Kalender eignet sich also eher für die philosopisch bodenständigeren Büromenschen, die auch schon mal unterm Schreibtisch ein Nickerchen machen, denn „Das Großartige kann nicht artig sein.“
Fischpott-Disclaimer: Wir haben Rezensionsexemplare der Kalender vom Verlag erhalten.