Coming and Going – Film sucht Geld
Interview mit Kim Münster
Chinesische Wanderarbeiter werden systematisch ausgebeutet und leiden unter der repressiven Gesetzgebung. Dabei geht ihr Schicksal auch uns in Deutschland an, die wir von billigen Produkten aus China profitieren. Die Filmemacherinnen Tianlin Xu und Kim Münster planen eine Dokumentation über diese Wanderarbeiter, über ihre Familien und ihre Lage. Dazu fehlt den beiden noch das nötige Startkapital. Auf Startnext sammeln sie Spenden, um möglichst bald loszulegen. Fischpott hat mit Kim Münster ein Interview über Planung, Budgets und planändernde Schwangerschaften geführt.

Kim Münster, Filmemacherin aus Wuppertal
Der Film »Coming and Going« ist ja noch nicht gedreht. Sie haben aber alles vorbereitet und können loslegen, sobald das Geld zusammen ist?
Genau, wobei es auch schon einen Recherchedreh von Tianlin Xu gab. Der Kontakt zu den Protagonisten musste aufgebaut werden, gerade bei den Kindern konnten wir nicht so lange warten. Für diesen ersten Dreh haben wir das Geld vorgestreckt, aber der Hauptdreh ist für das Frühjahr geplant, zum chinesischen Frühlingsfest. Da passieren einfach viele wichtige Dinge. Das können wir nur machen, wenn wir das Geld auch zusammenbekommen.
Mit 4000 Euro können sie nicht den gesamten Films finanzieren sondern nur die Unterkunft und die Reise. Wie lange sollen denn die gesamten Dreharbeiten dauern?
Geplant ist, dass wir drei bis vier Wochen vor Ort sind. Das ist etwas schwierig, weil man bei einem Dreh im Ausland alles dabeihaben muss. Das braucht schon seine Zeit.
Zu wie viel Personen reisen sie an?
Unsere ursprüngliche Planung hat sich aus persönlichen Gründen geändert. Ich produziere den Film, wäre auch mitgeflogen, aber weil ich schwanger bin haben wir einen befreundeten Kameramann angefragt. Chris Caliman aus Berlin ist sehr gut und macht das erst einmal auf Rückstellung. Im Frühling reist er mit Tianlin Xu nach China. Mit den 4000 Euro zahlen wir Flug, Verpflegung, Versicherung, die Visumsbeantragung und die Miete vom Equipment.
Wie ist ihre persönliche Verbindung zu China?
Ich bin über Medien auf das Thema gestoßen und mich hat das sehr interessiert. Dann kam ich mit Tianlin ins Gespräch und bin dann dabei geblieben. Ich selbst habe keine direkte Beziehung zu China, sehe das Thema der Wanderarbeiter aber als sehr relevant für uns in Europa. Das geht nicht nur China an sondern durch die Globalisierung und die Ausweitung des chinesischen Marktes auch uns hier.
Man könnte also sagen, das wir in Europa vom Einsatz der Wanderarbeiter profitieren?
Wir können hier nur so günstig T-Shirts oder Obst und Gemüse in Dosen kaufen – mehr als 50 Prozent davon kommen aus China, das muss nicht ausgewiesen werden – weil die ganzen Landarbeiter in die Stadt ziehen und für einen ganz geringen Lohn arbeiten. Auch in China gibt es reiche Menschen, aber wegen der weit auseinanderklaffenden Schere von Arm und Reich sind viele Arme auf diese Billigjobs angewiesen. Der chinesische Wirtschaftsboom ist nur möglich, weil die Bauern so extrem ausgebeutet werden können.
In dem Imagefilm auf Startnext wird auch eine‚Hoffnungsschule‘ erwähnt – was genau ist das?
Die Hoffnungsschulen sind allgemeine Charity-Schulen für ländliche Kinder in armen Familienverhältnissen. Sie werden vom Staat und durch Spenden der städtischen Bürger finanziert. Sie sind nicht ausschließlich für die zurückgelassenen Kinder der Wanderarbeiter vorgesehen. Deren Kinder können nämlich nicht in die Städte mitreisen, weil sie nur dort zur Schule gehen dürfen, wo sie geboren wurden. In China werden Bauern und Bürger vom Gesetz her unterschiedlich behandelt und haben nicht die gleichen Rechte. Bauernkinder müssen auf dem Land bleiben, Tausende von ihnen wachsen ohne Eltern auf und die Hoffnungsschule bietet ihnen eine Möglichkeit, überhaupt zur Schule zu gehen. Gleichzeitig bietet sie den Kindern eine Unterkunft, falls sie nicht bei den Großeltern leben können. Sie bietet ihnen die Hoffnung, aus den Verhältnissen herauszukommen. Das wird aber zum Beispiel dadurch erschwert, dass sie die Schule oft nicht beenden und nach der Grundschule aufhören.
Auf Startnext schreiben sie auch von der Unterstützung durch den Verein Vollbild. Was ist das für ein Verein?
Vollbild ist ein Wuppertaler Kunstverein, der Filme und Medienkunst in Wuppertal fördert. Der Verein ist dabei nicht der Geldgeber, aber er hilft durch Netzwerkarbeit, Kontaktförderung und beim Beantragen von Geld. Er ist vor ungefähr drei Jahren gegründet worden und besteht aus 12 Leuten, die sich gegenseitig stärken. Eine Vollbild-Premiere fand schon im Cinemaxx statt und bei der jährlichen Hauptversammlung tauscht man sich untereinander aus. Natürlich unterstützen sich die Mitglieder das ganze Jahr über gegenseitig.
Für die restliche Unterstützung haben sie also auch Anträge gestellt. Wieviel Geld brauchen sie für »Coming and Going«?
Wenn alles klappt, werden wir das komplette Projekt mit 45000 Euro finanzieren. Das ist keine extrem hohe Summe für einen Dokumentarfilm im Ausland, wir können so immerhin unser kleines Team bezahlen. Die Anträge haben wir bei verschiedenen Fördereinrichtungen gestellt und warten noch auf Antworten. Weil man auch immer einen Eigenanteil braucht versuchen wir noch andere Sponsoren zu finden.
Eigenanteil bedeutet … ?
Stiftungen oder Fördereinrichtungen finanzieren Projekte meistens nicht zu 100 Prozent. Es soll immer noch jemand anderes mit dabei sein. Zum Beispiel könnten wir die 4000 Euro über Startnext – wenn das klappt – auch als Eigenanteil anrechnen. Manche Förderungen erwarten auch 50 Prozent Eigenanteil, und das ist natürliche eine ganze Menge. Das wird dann schnell zum Pokerspiel, wenn man noch auf Antworten verschiedener Förderer wartet, die Zusagen aber voneinander abhängen.
Dann ist die Finanzierung doch noch nicht komplett abgesichert. Den Supportern auf Startnext steht aber ein Dankeschön wie eine DVD oder ein Filmplakat zu, wenn die 4000 Euro zusammenkommen. Falls aber der Film nicht zustande kommt – wer trägt die Verantwortung?
Die Verantwortung liegt bei uns. Aber wenn wir das Geld von Startnext zusammen kriegen, dann fliegen wir auf jeden Fall nach China. Dann gibt es auf jeden Fall auch einen Film. Vom Geld der anderen Fördertöpfe hängt es ab, wie lange wir daran sitzen. Ohne Geld verzögert es sich und wir müssen noch einmal Leute für die Fertigstellung um unentgeltliche Hilfe bitten. In der Filmbranche weiß man ja nie, ob ein Projekt ein Erfolg wird und ob es sich wirtschaftlich lohnt. Die Filmproduktion will letztendlich Geld verdienen oder sich zumindest nicht verschulden, aber das Ergebnis kann niemand wissen. Wenn man es wüsste, gäbe es nur erfolgreiche Filme.
Der Film soll erst einmal nur auf dem deutschen Markt erscheinen?
Zur Zeit versuche ich auch in China Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel über das Goethe-Institut. Ich will die Verbreitung nicht auf Deutschland beschränken, aber die Strukturen von Verleih und Auswertung sind da sehr kompliziert und ich muss mich da noch einmal durcharbeiten.
Wie ist das denn mit der Zensur in China? Gibt es keine Schwierigkeiten, wenn sie über Missstände wie die Behandlung der Wanderarbeiter berichten wollen?
Da haben wir auch sehr viel darüber diskutiert, weil das auf wirklich schwierig ist. Das Thema wird zwar auch in den chinesischen Medien behandelt und nicht totgeschwiegen, aber wenn aus Europa Filmemacher anfragen wird das schon sehr kritisch gesehen. Deswegen bin ich sehr froh, dass Tianlin Xu dabei ist, die einen anderen Zugang ermöglicht. Sie ist selber Chinesin, trotzdem hat es einiger Überredungskunst bedurft, um eine Drehgenehmigung an der Schule zu erhalten. Man war dort sehr skeptisch. Die Anmeldung war sehr kompliziert und wir haben schon gespürt, wie stark so etwas normalerweise kontrolliert wird. Natürlich wollen wir den Film ohne staatlichen Einfluss machen. Aber es ist uns klar, dass wir kritisch beäugt werden.
Alle Fotos: Chris Caliman
Linkliste
Homepage von Kim Münster
Tianlin Xu bei vimeo
Der Verein Vollbild