Deon Meyer
Portrait des ersten Thriller-Autoren Südafrikas
Deon Meyer ist Bure. Oder Afrikaaner, wie es heute heißt. Also ein Nachfahre jener Bevölkerungsminderheit des Landes am Kap der guten Hoffnung, die die Apartheid erfunden hat. Deon Meyer aber ist kein Rassist. Ganz im Gegenteil: Als bekennender Demokrat ist er fasziniert von kulturellen Vielfalt Südafrikas, das nicht weniger als elf Amtssprachen hat. Seine Bücher schreibt er in seiner Muttersprache Afrikaans. Seine Helden sind meist Weiße, seine Schurken auch. Immer mit dabei: Vertreter der vielen Kulturen der Regenbogennation. Gerne auch Vertreter der einheimischen Fauna. Und genau das macht die Werke des ersten Thriller-Autoren Südafrikas so interessant und spannend.
Südafrika ist sein USP
Dass Südafrika sein Unique Selling Point (sein Alleinstellungsmerkmal) ist, kommt nicht von ungefähr. Bevor sich der 1958 in der Kapprovinz Geborene für das schriftstellerische Fach entschied, war er Markenstratege und Projektmanager für BMW Motorrad. Den Job hängte er 2008 an den Nagel. Seine Begeisterung für Motorräder allerdings nicht. Viele der Wege und Straßen, von denen er in seinen Büchern erzählt, ist er mit seiner Maschine vorher abgefahren. Zwischen den Zeilen ist das spürbar. Offensichtlich aber ist, dass seine Geschichten nicht an austauschbaren Orten stattfinden können. Habe ich kürzlich noch behauptet, Haruki Murakamis »1Q84« könnte in jeder beliebigen Metropole der Welt spielen? »Rote Spur« (Spoor, 2010) kann es sicherlich nicht. »Dreizehn Stunden« (13 Uur, 2009) und »Weißer Schatten« (Onsigbaar, 2007) ebenso wenig. Es sei denn, illegale Nashorntransporte oder Geier-Auffangstationen gehörten allerorts genauso zum Alltagsbild wie das Ringen unzähliger Stämme um Bodenrechte oder die auch fast zwanzig Jahre nach den ersten freien Wahlen noch immer existente rassistische Grundstimmung der weißen Minderheit. Letztlich ist es Deon Meyers Anliegen, seinen Lesern die Konflikte seines Landes nahezubringen. Die von ihm geschaffenen fiktionalen ebenso wie die historischen oder aktuell politischen. Dabei artet er aber niemals in eine Lehrstunde aus.
Das Leid mit den garstigen Geschwistern
1994, also im Jahr des offiziellen Endes der Apartheid, veröffentlichte Deon Meyer seinen ersten Roman. Recht spät für einen, dessen Werke mittlerweile in über zwanzig Ländern erscheinen. Schuld daran sind seine beiden Brüder Bertus und François, gaben sie ihm als 14-jährigen eine derart herbe Kritik zu seinem frühen Schaffen, dass er fortan die Finger von der Fiktion ließ und sich für den Beruf des Journalisten entschied. Ein tiefes erzählerisches Bedürfnis können aber auch die garstigsten Brüder nicht vollends zerstören. 1999 folgte sein zweites Buch, das erst ins Englische, 2005 auch ins Deutsche übersetzt wurde: »Der traurige Polizist« (Feniks, Phoenix). Zu dieser Zeit war Deon Meyer noch der einzige Crime-/Thriller-Autor Südafrikas. Einzig die Erben des britischen Autors James McClure könnten ob dessen Geburtsstadt Johannesburg hier noch Rechte geltend machen. Mittlerweile hat der »Mankell Südafrikas«, wie Rezensenten Deon Meyer oft nennen, allerdings einige Konkurrenz bekommen. Das bringt zunehmende Demokratisierung so mit sich. Der vierfache Vater und Mozart-Fan lebt mit seiner Familie als Weißer unter Weißen in der Nähe von Kapstadt, hat aber auch ein Domizil in der Karoo, einer Halbwüste nordöstlich von Kapstadt. Hier in der Stadt Loxton lebt auch einer seiner Protagonisten, der Einzelgänger und Personenschützer Lemmer. So wie die Polizisten Bennie Griessel und Mat Joubert hat auch Lemmer einen festen Platz in der Charaktere-Galerie. Deon Meyer greift auf sie zurück, so wie er sie braucht. Im Vordergrund steht für ihn die Geschichte. Macht er dann aber wie in »Weißer Schatten« Lemmer zum Ich-Erzähler, darf der die Geschichte durchaus auch mit beeinflussen.
Traue niemandem – vor allem keinen kleinen Frauen
Lemmer hat so seine Regeln. Eine davon lautet, niemandem zu trauen, vor allem keinen kleinen Frauen. Dumm nur, dass der freiberufliche Personenschützer von seiner Auftraggeberin ausgerechnet eine solche als Klientin zugewiesen bekommt. Wirklich eine Wahl zu haben, glaubt Lemmer nicht. Er geht davon aus, dass die Chefin von Body Armour in ihm dasselbe sieht wie er selbst: white trash, armen weißen Afrikaaner-Dreck. In miesen Verhältnissen aufgewachsen, hat Lemmer längst seinen Vornamen abgelegt. Nicht länger will er nach seinem prügelnden Vater benannt sein. Früh fielen entscheidenden Stellen seine – geerbten? anerzogenen? – Kompetenzen auf: sein Jähzorn und seine Gewaltbereitschaft. Als Regierungsangestellter konnte er sich diverse Minister lang beherrschen, um dann doch die Kontrolle zu verlieren und im Gefängnis zu landen. Nun glaubt Lemmer, der keine Waffe mehr tragen darf, auf der Preisliste von Body Armour ganz unten zu stehen. Seine kleine Klientin wie ein Unsichtbarer dabei zu begleiten, ihren längst für tot erklärten Bruder lebend im Kruger-Nationalpark zu finden, hält er für einen durchaus machbaren, wenn auch nicht erfolgversprechenden Job. Niemals hätte er diesen Auftrag erhalten, wenn sie tatsächlich Schutz bräuchte. Denkt Lemmer. Und startet in eine Geschichte, die ihn quer durch Südafrikas Wildnis und Geschichte führt und ihm bald mächtig über den Kopf wächst.
Schnalzend den Tafelberg rauf und runter
Wie Lemmer haben auch Deon Meyers andere Protagonisten ihre Päckchen zu tragen. Sei es die Alkoholsucht von Bennie Griessel oder der Schwermut Mat Jouberts. Das könnte schnell abdriften in die Art von Charakterstudie, die einer Crime Story schnell den Thrill nehmen kann. Doch das passiert bei Deon Meyer nicht. »Dreizehn Stunden« beginnt mit der verzweifelten Flucht einer jungen Frau vor ihren Verfolgern. Über den Löwenberg geht es, den Tafelberg rauf und runter, und dabei hält Deon Meyer das Tempo dieser Jagd atemberaubend hoch. Zeitgleich zerreißt sich der mittlerweile trockene Bennie Griessel zwischen gleich zwei Mordfällen an einem Tag. Seine jungen Kollegen soll er anleiten, den eher schüchternen Xhosa Vusumuzi Ndabeni unterstützend fordern, während er den ‚Farbigen‘ Fransman Dekker mit seiner offen vorgetragenen Feindseligkeit immer wieder mäßigen muss. Die Sympathie aber geht mit beiden Figuren: Keiner hat es in Südafrika schwerer als jene, die weder richtig schwarz noch weiß sind. Und den Xhosa muss man schon ob seiner unfassbar beeindruckenden Muttersprache lieben, die reich an ungewöhnlichen Konsonanten und Schnalzlauten ist und deshalb so klingt, als hätte George Lukas sie erfunden. Wenn ich also einen Einstieg in die Welt des Deon Meyer empfehlen kann, dann sind es seine »Dreizehn Stunden« quer durch Kapstadt. Nicht nur, weil er es seinen garstigen Brüdern gewidmet hat. Ich jedenfalls habe mich noch nicht durch die komplette Reihe des Deon Meyer gelesen, da hoffe ich schon, dass er noch oft auf seinem BMW Motorrad durch sein Südafrika reisen und uns hinterher davon erzählen wird.
Deutscher Verlag: atb aufbau-verlag.de
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