Doctor Strange
Das Marvel Cinematic Universe wächst, gedeiht und sammelt einen Star nach dem anderen. Der aktuelle Neuzugang ist Benedict Cumberbatch, der den Part des Sorcerer Supreme Dr. Strange übernimmt.
Gleich zu Beginn geht Doctor Strange in die vollen. Eine Bande unter Führung von Mads Mikkelsen bricht in eine Bibliothek ein, massakriert den Bibliothekar und klaut wichtige Seiten aus einem offensichtlich verbotenem Buch voll mit Geheimwissen. Sie entkommen durch eine Art Dimensionsportal, werden jedoch von einer kuttentragenden Gestalt gestellt und ein Kampf mit mystischen Mitteln in ein einer sich auf den Kopf stellenden, ineinander verschachtelnden Stadtlandschaft beginnt. Die Bibliotheksschänder können entkommen, und das Publikum ahnt schon, dass sie später noch eine Rolle spielen. Es liegt nicht falsch.
What does not kill us makes us Strange
Schnitt. Willkommen im Leben von Stephen Strange. Dr. Stephen Strange. Eine Rolle, wie gemacht für Benedict Cumberbatch. Der Chirurg ist ein Meister seines Fachs, aber auch ein arroganter Mistkerl. Sein Leben läuft auf der Überholspur, und da holt ihn auch das Schicksal ein. Denn nach einem – leicht übertrieben spektakulär inszenierten – Autounfall sind die Nerven seiner Hände irreparabel geschädigt. Der Egomane ist am Boden zerstört und stößt schließlich seine einzige Verbündete, die Arztkollegin und Ex-Geliebte Christine Palmer (Rachel McAdams) weg. Sein Physiotherapeut weckt in Strange eine letzte Hoffnung: Er kenne einen Querschnittsgelähmten, der seit seinem Besuch an einem Ort namens Kamar-Taj wieder laufen kann.
Treffen sich zwei Benedicts
Strange zweifelt an der Geschichte von der Wunderheilung, macht sich aber auf den Weg nach Nepal – dort soll sich Kamar-Taj befinden. Hier trifft er einen Mann namens Mordo (Chiwetel Ejiofor), der ihn in das Haus der Ancient One (Tilda Swinton) einführt. Die blasse, kahle, alterslose Frau öffnet das Bewusstsein des Doktors für die Verwendung von Energie aus anderen Dimensionen, von Uneingeweihten Magie genannt. Strange wird vom Skeptiker zum Zauberlehrling und entwickelt unter der Anleitung der Ancient One ein Talent für Magie. Vom Bibliothekar Wong (Benedict Wong) erfährt er die Geschichte des abtrünnigen Magiers Kaecilius (Mikkelsen) und seinen Plänen, die Tore zur Dunklen Dimension aufzustoßen und die Erde seinem Meister Dormammu zu übergeben. Bald darauf überfällt Kaecilius Kamar-Taj und Dr. Strange ist auf sich allein gestellt. Epische Kämpfe folgen, deren Ergebnis … nun ja, ohne spoilern zu wollen: das Marvel Cinematic Universe besteht sicher noch ein bisschen länger.
There is no such thing as magic
Doctor Strange erweist sich als ein Film, der auch für Marvel-Noobs verständlich ist. Das Werk von Regisseur Scott Derrickson unterhält wahrscheinlich auch Menschen, die noch nie in ihrem Leben das Wort Superhelden gehört haben. Denn Zauberei und Magie kennen wahrscheinlich wirklich alle Menschen aus Märchen, Sagen und Harry Potter. Dabei unterfüttert Derrickson die Marvel-Magie mit pseudowissenschaftlichen Erkläransätzen und macht aus Zauberei das Anzapfen außerdimensionaler Energien. Was wiederum zum Ursprung des Charakters Dr. Strange als Amalgam aus New Age-Esoterik und Pulpgeschichten um tibetische Mystiker passt.
Tibet? Welches Tibet?
Apropos Tibet: War die Figur Dr. Strange ursprünglich eng mit Tibet verknüpft und war der Ancient One in der Comic-Vorlage noch ein Mann aus ebenjener Region, begibt sich Strange in der aktuellen Kino-Version nach Nepal und die Ancient One ist keltischer Abkunft. Das ist schon ein Einknicken vor chinesischer Zensur und auch ein bisschen bedenklich – das Whitewashing von nichteuropäischen Figuren ist schließlich eine schlechte alte Sitte der westlichen Kino-Kultur. Für Drehbuchautor Robert Cargill war der Ancient One aber ohnehin ein rassistischer Stereotyp1, der – so könnte man zynisch anmerken – geschickt durch Genderbending und Whitewashing entschärft wurde. Das macht Doctor Strange keineswegs zu einem schlechten Film, ganz im Gegenteil, die Schauspieler spielen ihre Rollen gut, die Geschichte langweilt kein bisschen und die Effekte sind fantastisch, aber ein leicht unangenehmer Nachgeschmack bleibt.
Disclaimer: Fischpott hat eine Einladung zur Pressevorführung wahrgenommen und den Film in der englischsprachigen Fassung und größtenteils überflüssigem 3D gesehen.
- Siehe dieser Artikel bei Screenrant.com: http://screenrant.com/doctor-strange-china-tibet-ancient-one/ ↩