Haldensaga – Nachtwanderung für Stadtbewohner
Die Spitze nähert sich
Und hier erstmal ein gigantöses Kreuz, vom vorletzten Papst gesegnet. Ein böszünginger Freudianer würde wohl etwas von Kompensation in den gut gestutzten Vollbart murmeln, während er an seiner Zigarre nuckelt. Zum Glück jedoch ist das Kreuz noch nicht der Gipfel. Wieder heißt es weiter, diesmal zur säkularen Haldenspitze. Und da thront ansehnlicheres als ein antikes Hinrichtungsinstrument: Am Haldenkamm, über einem Amphitheater, stehen Totems. Über 100 Bahnschwellen hat der baskische Künstler Agustín Ibarrola bunt bemalt und aufstellen lassen. Der grauen Mondlandschaft verleihen sie eine fremdartige Schönheit. Am nächsten Samstag, gegen Sonnenuntergang, werden hier rund dreißig Menschen ihre Radios anschalten. Und nicht nur auf der Halde Haniel. Auch auf den Halden Norddeutschland, Rheinpreußen, Beckstraße, Schurenbach, Rungenberg, Hoheward und Großes Holz. Denn als Nachwehe der Ruhr 2010 gibt es in diesem Jahr die Haldensaga.
Eine Nachtwanderung mit Kultur-Sahnehäubchen
27 Touren ziehen in dieser Nacht auf Halden überall im Ruhrgebiet. Neben Wanderei und fest installierter Kunst haben die RUHR.2010-Macher noch ein Happening in petto. Zurück zu den Radios: Alle Haldenbesucher nehmen pünktlich zum Sonnenuntergang an einem Radioballett teil. Die Hamburger Künstlergruppe LIGNA verknüpft die Besucher in einem akustischen Netz und verbindet sie mit Mini-Radios zu einem Gesamtkunstwerk. Zusammen mit der Aussicht auf die Lichter des Ruhrgebiets macht die Serenade für Acht Halden die schmerzenden Füße vergessen. Danach geht die Wanderung hinab ins Tal. Eine Pause und die Gelegenheit, sich die Geschichten der Nachtdozenten über das Ruhrgebiet anzuhören. Dann geht es weiter: auf die nächste Halde, um im Sonnenaufgang das zweite Radioballett zu erleben. Für fitte Wandersleut, die sich von der Kultur im Ruhrpott überzeugen wollen, nur zu empfehlen.
FM