Kreator – Phantom Antichrist
Nicht nur im Fußball spielt Deutschland schon seit einiger Zeit weltweit in der ersten Reihe mit – im Thrash Metal sorgt das unheilige Dreieck der Bands Destruction, Sodom und nicht zuletzt Kreator schon seit Jahrzehnten für harte Riffs und dreckige Stimmung im Teutonen-Land. Nach Sodoms „In War and Pieces“ und Destructions „Day of Reckoning“ ist es nun an Sänger Mille und seinen Mannen, mit „Phantom Antichrist“ Gitarren-Holz nachzulegen.
Los geht es – wenig originell – mit einem halbakustischen Intro: Mars Mantra erweist sich als atmosphärische aber wenig einfallsreiche „Ruhe vor dem Sturm“ mit leise vor sich hin flirrenden Gitarren. Warum das Ganze nun Mars Mantra heißt, erschließt sich bei dem dahingehauchten „Lalalala“-Text nicht wirklich, aber gut. Gegen Ende kommen dann noch harte Gitarrenriffs dazu, insgesamt bleibt der Track aber selbst für ein Intro recht lahm (fragt mal As I Lay Dying oder Trivium, die zeigen euch, wie so was geht).
Aber genug Vorgeplänkel, der Titelsong Phantom Antichrist geht erwartungsgemäß direkt in die Vollen. Das altbekannte Thrash-Riffing gesellt sich zu Frontmann Milles aggressivem Gebelle, im Refrain wiederholtes Gebrülle des Songtitels. Klingt stark nach „Enemy of God“, lädt aber bereits jetzt zum Mitgrölen auf einer der nächsten Live-Shows ein. Kein Überhit, aber ein sauberer und standesgemäßer Einstieg.
Death to the world beginnt als eine Mischung aus “Violent Revolution”, der Band Bullet for my Valentine – und irgendwie wie bereits drölfzigfach gehört. Auch Mille jault seinen altbekannten Stiefel, während die Hook immerhin Riff und aggressive (Kreator-typisch gedoppelte) Shouts zu einem simplen Thrash-Song der alten Schule macht. Bei den Gitarren-Soli wird jedem Metal-Head das Herz aufgehen und ihn wild die Luftgitarre schwingen lassen. Ansonsten leider wenig spektakulär.
Aber Kreator wären nicht Kreator, wenn die Jungs nicht immer noch ein paar Asse im Ärmel hätten. From Flood into Fire begeistert durch eine recht einfache, aber sofort hängen bleibende Gitarrenmelodie, die in einer stampfenden Strophe mit zurückgenommenem Tempo mündet. Und dann, ja dann kommt der Refrain: Episch und ein Ohrwurm der ganz besonders klebrigen Sorte – trotz, oder vielleicht auch gerade wegen der sehr simplen Melodie. Zwei Refrains und einige Tempowechsel später mogelt sich dann auch noch ein atmosphärischer Akustikpart dazwischen, in dem Mille durch überraschend gut gesungene Clean-Parts auffällt. Ein paar feine Solo-Parts und noch mal den Überrefrain, weil’s so geil war – Ladys and Gentlemen, we got our first hit!
Um die Zivilisation stand es bei den Jungs von Kreator ja noch nie besonders gut, von daher ist das nun folgende Civilisation Collapse schon mal standesgemäß betitelt. Rhythmisches Getrommel und der Riff am Anfang wecken leise Erinnerungen an die Wikinger von Amon Amarth, aber statt apokalyptischen Grunzlauten erinnert uns Mille mit lautem Gewuff, bei welcher Band wir abhängen. Ein Break später hagelt es auch schon wieder Thrash Metal-Gitarrenläufe und erneut folgt eine melodisch gehaltene Hook, die aber dieses Mal nicht so recht knallen will. Dafür überzeugt der Rest des Songs durch ein angenehmes 80er-Jahre Feeling (auch wenn der dazu passende Garagensound fehlt).
Klar, das Wort „Hate“ darf auf einem Kreator-Album nicht fehlen, da macht der neue Silberling keine Ausnahme. Deshalb heißt es jetzt United in Hate – und überrumpelt den Hörer ganz unhassgemäß mit einer Akustik-Gitarre. Das kleine Unplugged-Stelldichein währt ganze 43 Sekunden bevor ein harter Riff die ganze Idylle gleich wieder kaputt macht. Mille rotzt einen langgezogenen Schrei, der eigentlich zum Opener gepasst hätte, in die Luft, dann folgt eine Kreator-typische Uptempo-Strophe. Erneut ist es der Refrain, der das Hass-Gewitter positiv hervorhebt und live bestimmt hervorragend knallen wird – auch wenn er bei weitem nicht an die größten Glanztaten der Band heranreichen kann.
Der Riff von The Few, The Proud, The Broken wirkt zunächst weniger wie ein Einstiegsriff sondern eher wie eine Bridge oder ein Soloübergang. Die Strophen sind abgesehen von den zunehmend eintöniger klingenden Shouts von Mille stark zurückgenommen und wirken leicht lahm – wofür eine Killerhook mehr als entschädigt. Mit einer sehr ungewöhnliche Melodie, aber trotzdem episch und von feinster Ohrwurm-Qualität. Ein weiteres Mal zeigt die Band, was für geile Melodielinien sie schreiben kann. Und die Textzeile „THE FEW – THE PROUD – THE BRO-KEEEEN“ kann man bereits jetzt aus zehntausend Kehlen auf dem nächsten Wacken-Festival vor seinem geistigen Auge … äh … hören.
Für Your Heaven, My Hell wird wieder die halbakustische Peitsche ausgepackt. Mille knurrt dunkel und leise, aber atmosphärisch wie nie zuvor, in das Mikro und sorgt so endlich für ein wenig Abwechslung in seinem monotonen Dauergebell. Zumal der Gesangspart unglaublich schnell ins Ohr geht und den Song zum Überhit mutieren lassen könnte … würden Kreator nicht anschließend erneut auf repetitiven Thrash Metal mit aggressiven Gang Shouts setzen. Schade – dadurch verschenkt der Song viel von seinem Potential.
Tja, was soll man da noch zu Victory will come sagen? Im Albumkontext wiederholt sich die Formel natürlich sehr stark und wirkt eher ermüdend – aber wir wollen ja mal nicht so tun, als wäre das was neues im Hause Kreator. Für sich genommen ein einfacher, aber sauberer und schön harter Thrasher, der auf so gut wie jedem der neueren Alben hätte stehen können. Nett, aber nichts besonderes.
Kann der Schluss mit Until our Paths cross again noch was reißen? Er kann – die Band wirft hier noch mal alles rein, was sie kennt. Eine eigenartig nach Mittelalter klingende Melodielinie, die sich durch den gesamten Song klingt. Das Ganze gespickt mit Akustik-Parts, schnellem Thrash, Midtempo, gedoppelten Schreien, Soli…alles was das Kreator-Herz begehrt. Das reicht zwar nicht für den ersehnten Überhit, aber für einen soliden Ausstieg aus „Phantom Antichrist“.
Stillstand mit einem Schuss Genialität
Hach ja, Kreator machen es einem nie leicht, sie zu bewerten. Dass einzelne Songs von ihnen nach wie vor kräftig in den Hintern treten, ist unbestritten. Dass sie ihrer Linie treu bleiben und nicht auf krampfhafte Stiländerungen setzen, ist lobenswert. Dass die Band auch heute noch in der oberen Liga mitspielt, ist verdient. Aber auf Albumlänge geht der Band leider nach wie vor die Puste aus.
Mut zur Weiterentwicklung ist an einzelnen Stellen auch auf Phantom Antichrist zu erkennen. Besonders in den teilweise genialen Refrains und Melodien können Mille und seine Jungs wieder und wieder überraschen und begeistern. Auch die Grundhärte ist nicht verloren gegangen, auch wenn „Hordes of Chaos“ noch ein Tacken rauer und aggressiver ausgefallen war. Aber schlussendlich herrscht doch nach wie vor Stillstand im Hause Kreator, daran ändern selbst die ausgefeiltesten Akustik-Parts nichts. Die Riffs wiederholen sich ab einem gewissen Punkt, die Vocals sind so eintönig wie eh und je, Abwechslung tritt an einzelnen Stellen auf, wird aber nie konsequent genug durchgezogen. An den einzelnen Songs ist nichts auszusetzen. Nur an dem Gesamtpaket scheitern Kreator. Daran hat sich (noch) nichts geändert.
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