Man of Steel
Superman ist eines der Sorgenkinder der Warner Bros. Studios. In Bezug auf Comics, TV-Serien und Merchandising eine verlässliche Größe, blieben Kinofilme über den Mann aus Stahl in den letzten 30 Jahren immer hinter den finanziellen Erwartungen zurück. Das gilt für die zweite Hälfte der Reihe mit Christopher Reeve, den sträflich unterbewerteten „Superman Returns“ und Projekte wie „Superman Lives“ oder „Superman vs. Batman“, die in der Vorproduktion Millionen verschlangen, ohne dass auch nur ein Meter Film gedreht wurde. Um diesen Fluch zu brechen wurde jetzt ein All-Star-Team zum kalkulierten Erfolg zusammengestellt: Christopher Nolan gesellt sich zu den Produzenten seines erfolgreichen Batman-Reboots, dazu kommen dessen Drehbuchautor David Goyer und der Posterboy des Nerdkinos, Zack Snyder („300“, „Watchmen“, „Sucker Punch“). Im Grunde reicht es, Goyers und Snyders frühere Arbeiten zu kennen, um eine ziemlich genaue Vorstellung von „Man of Steel“ zu erhalten.
Goyer hat den Superman-Mythos ganz offensichtlich genau studiert, gegen den Strich gelesen, die Figuren hinterfragt und versucht, allem einen glaubhaften, neuartigen Anstrich zu geben. Der Film beginnt, wenig überraschend, auf Krypton. Seit Jahrtausenden beutet ein dekadentes System die Ressourcen aus, ohne gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Fortschritt zu verfolgen. Als sich das im bevorstehenden Untergang rächt, versuchen nur der nach kryptonischen Maßstäben radikal-libertäre Wissenschaftler Jor-El (Russell Crowe) und General Zod (Michael Shannon) Konsequenzen zu ziehen. Jor-El will das gesammelte Wissen Kryptons mit einem auserwählten Kind, das zufällig sein eigenes ist, auf gut Glück ins All schicken, damit dort aus den Trümmern des Alten mit der Macht des freien Willens etwas Neues entstehen kann. Zod will in einem eugenischen Verfahren eine Elite auswählen, um die eigene Kultur auf einem neuen Planeten weiterzuführen. Das Ergebnis ist bekannt: Jor-Els Sohn, Kal-El, fliegt in einer Rakete zur Erde, wird von Farmern als Clark Kent aufgezogen und erlangt durch die Sonnenstrahlung gottgleiche Kräfte.
Im Film verbringt Clark (Henry Cavill) die ersten Jahre seines Erwachsenenlebens an den Rändern der Zivilisation – das heißt in den weniger besiedelten Teilen der USA – wo er unter falschen Namen und durch einen wilden Bart getarnt immer wieder Menschen zu helfen versucht. Als Clark endlich Überreste seiner kryptonischen Heimat und Nachrichten seines toten Vaters findet, erkennt er zwar seine Bestimmung, macht jedoch auch Zod auf sich aufmerksam. Der hat den Untergang Kryptons mit einigen Schergen überlebt und sucht nun den Sohn seines Erzfeindes, inklusive kleiner Rakete, um Krypton neu aufzubauen.
Zack Snyder kleidet das alles in atemberaubende Bilder. Man wünscht sich, Krypton würde überleben, nur damit man noch mehr von dieser phantastischen Welt sehen kann. Supermans Kräfte wirkten noch nie so überzeugend und der Film nimmt sich viel Zeit, diese auch in Szene zu setzen. Dabei kommt „Man of Steel“ völlig ohne Zeitlupen, Computerspielästhetik und die üblichen Spielereien Synders aus. Tatsächlich dürfte dies sein mit Abstand bester Film sein – was auch immer das im Vergleich zu seinen Früheren heißen mag.
Das Problem ist, dass weder Goyer noch Snyder wirklich erzählen können.
Snyder nimmt die Handlung, wie so oft, als Entschuldigung für visuelle Reize. Die macht er zwar wirklich gut, aber sie werden ohne Bedacht und wirklichen Klimax eingesetzt. Dadurch entfalten sie in etwa so viel Wirkung wie eine Weinprobe, bei der man die Gläser schnell hintereinander exen muss. Man ist zwar besoffen, aber wirklich Spaß hat es nicht gemacht. Da hilft es auch nicht, dass sich die Szenen kontinuierlich steigern, am Ende verschwimmt alles zu einem Effekt-Matsch ohne große Emotionen.
Goyer seinerseits hat zwar alle Figuren mit Motiven ausgestattet und in Beziehung gesetzt, aber eine gute Geschichte kommt dabei einfach nicht heraus. Wenn irgendetwas in einer Figur vorgeht, spricht sie es immer sofort möglichst pathetisch aus – so oft bis auch der Dümmste es endlich verstanden hat. Da ist es auch egal, wie sinnlos diese Glückskeksweisheiten oft sind. Einfluss auf die Geschichte hat das eh selten. Gefühlte 1000 mal wird die Frage gestellt, ob die Menschheit bereit für Supermans Auftauchen sei. Als er dann endlich in die Öffentlichkeit tritt, ist von der Menschheit allerdings nichts mehr zu sehen, geschweige denn von ihrer Reaktion. Storytechnisch wurden alte Logiklöcher zwar geschlossen, dafür reißen an anderer Stelle ganze Abgründe neu auf. Unschön ist das, wenn während einer der überlangen Actionsequenzen die Gedanken abschweifen und einem klar wird, wie wenig Sinn Zods Plan eigentlich macht – nämlich keinen – und dass Gene Hackmans Luthor aus dem Siebziger-Jahre-Film ein wahres Genie im Vergleich dazu ist.
Am bedauerlichsten ist jedoch, dass „Man of Steel“ einfach kein Superman-Gefühl produzieren kann. Im Versuch, alles logisch zu erklären und den Protagonisten mit einer physischen Herausforderung zu konfrontieren, geht die moralische Komponente und das warme Gefühl, das einem nur Superman vermitteln kann, verloren. Egal wie oft die Figuren sagen, dass das „S“-Symbol für Hoffnung steht, man spürt davon nichts. Superman gewinnt nicht mit moralischer Überlegenheit, sondern mit Gewalt, ohne seinen Standpunkt auch nur einmal zu legitimieren. Stattdessen verwüstet er ganze Stadtteile in einem Umfang, der 9/11 und Hurricane Sandy als kleinere Sachbeschädigung erscheinen lässt. Dabei greift die Filmlogik „Auch wenn 10 Hochhäuser explodieren: solange ich keine Leichen von bereits eingeführten Figuren sehe, ist niemand zu Schaden gekommen“. Superman ist im Grunde nur der Zod, der auf unserer Seite steht. Das mag für viele Actionfilme genügen, wird Superman aber nicht gerecht. Dass man Kal-El trotzdem mag, ist vor allem Henry Cavill zu verdanken, der die Figur offensichtlich besser verstanden hat als Snyder und Goyer. Überhaupt lassen die guten Schauspieler, allen voran Michael Shannon, Antje Traue, Amy Adams, Diane Lane und Russell Crowe, einiges verzeihen. Einzig Kevin Coster schafft es nicht, gegen das Drehbuch anzuspielen und Supermans Ziehvater, Jonathan Kent, irgendwie liebenswert oder auch nur glaubhaft darzustellen.
Fazit: Ein toller Film, wenn man 3 Stunden lang von Spektakeln überwältigt werden will. In fast allen anderen Aspekten fällt „Man of Steel“ hinter andere Superheldenfilme, vor allem „Superman Returns“, zurück.
Disclaimer: Fischpott hat eine Pressevorführung in der Residenz besucht, dem wohl bequemsten Kino Kölns, wenn nicht sogar des gesamten Rheinlands.
Man of Steel läuft am 20. Juni in den deutschen Kinos an.
Mann aus Stahl, Messias vom Krypton
Mehr über den Mythos Superman hat Lars in seinem Fischpott-Artikel Mann aus Stahl, Messias vom Krypton geschrieben.