Probleme alleinerziehender Großkatzen
Im Reich der Raubkatzen (African Cats)
Sita ist alleinerziehende Mutter. Wer auch immer der Vater ihrer fünf Kinder ist, sie hat schon längst das Weite gesucht in der Masai Mara, dem Nationalpark im Südwesten Kenias. Denn Sita ist eine gestandene Gepardin, und die ziehen ihre Kinder grundsätzlich alleine auf. Besser so: Geparden-Männer haben ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Nachwuchs und können den auch schon mal für Beute halten.
Reich der Raubkatzen – Homepage (Archivlink)
Vorteile des Familienlebens
Dass Adoption im Löwenreich unüblich ist, ist landläufig bekannt: Übernimmt ein neuer Löwen-Mann das Rudel eines Kontrahenten, tötet er die Jungen. So muss sich Layla um ihre Tochter sorgen. Layla ist die Dienstälteste in Fangs Familie, und der hat größere Probleme als Revierkämpfe: Ein schlimmer Zahn quält ihn, hängt ihm halb aus dem Maul heraus und will einfach nicht stecken bleiben in der Flanke eines Zebras. So hat jeder seine Sorgen. Nur steht Layla mit ihren Problemen nicht alleine da: Löwen leben in Rudeln, da wird die Essensbeschaffung genauso gemeinsam organisiert wie die Aufzucht des Nachwuchses. Schwinden wie bei Layla langsam die Kräfte, kuschelt sie eben ein wenig mit einer Schwester, und schon ist das eigene Kind versorgt. Da kann Sita nur staunen.
Zweijähriger Ausflug in die Natur
Das klingt nach einem Animationsfilm? »Im Reich der Raubkatzen« zeigt wahre Tiere in ihrer natürlichen Umgebung südlich des Serengeti-Nationalparks. So haben diese sich beim Casting auch nicht mit ihren seltsamen Namen vorgestellt. Vielmehr wurden sie von den Filmemachern nach dem Kriterium der zu erwartenden Handlung ausgewählt. Zwei Jahre hat das Team um die Regisseure Alastair Fothergill und Keith Scholey das Löwenrudel und die Gepardenmutter begleitet, um die Geschichten zu finden, die sie hofften erzählen zu können. So bekam Sita ihre Rolle wegen ihrer Reife und Beherztheit, immerhin sollte sie die Drehzeit überleben können. Und ob Fangs Zahnerkrankung war absehbar, dass die Löwen zum Garant für bildgewaltige Auseinandersetzungen mit Gegnern werden würden.
Übermacht aus dem Norden
Das Löwenrudel lebt am südlichen Ufer des Mara-Flusses, der je nach Jahreszeit mal eine sichere Grenze darstellt, mal leicht zu passieren ist. Bedeutsam wird dieser Umstand, als der König des Nordens zusammen mit einem seiner vier vor Kraft strotzenden Hooligan-Söhne den Fluss durchwatet, um nun auch den Süden zu erobern. Der erwartete nervenaufreibende Kampf der Gladiatoren bleibt aber aus. Fang und sein Zahn überlassen nun der Familie auch noch das Kämpfen. Und da schlagen sich die Frauen respektabel: Es braucht schon mehr als zwei Mähnen-Träger, um sechs jagderprobte Kämpferinnen zu bezwingen. Auf die lange Sicht aber kann diese Rechnung nicht aufgehen: Spätestens als sich auch der Rest der Bruderschaft in den Revierkampf einbringt, ist es um die Damen geschehen. Wer will sich aber auch schon von einem wie Fang beherrschen lassen, wenn dessen Nachwuchs alt genug ist, eigene Wege zu gehen?
Size matters? Nicht wenn man schneller ist!
Beeindruckend auch Sitas kämpferische Einstellung bei ihrer Begegnung mit den Hooligans. Wohl um ihre körperliche Unterlegenheit wissend, stellt sie sich dennoch der Übermacht aus dem Norden. Allein um diese durch ihre überlegende Schnelligkeit von ihren Kindern wegzulocken. Knapp dreißig Sekunden kann das schnellste Landtier der Erde das atemberaubende Tempo aufrechterhalten. Löwen machen da viel früher schlapp. Problematisch wird es für Sita allerdings, im Anschluss ihre Brut wiederzufinden. Auch wenn Geparden sich an ihren Stimmen erkennen, tragen diese doch nicht so weit, besonders wenn sie auch noch aus sehr kleinen Geparden-Mäulchen stammen. So endet Sitas Auseinandersetzung mit den Löwen trotz allem Mut sehr tragisch.
Berauschende Bilder – nervender Ton
Was die Frage aufwirft, ob »Im Reich der Raubkatzen« einen Familienausflug ins Kino wert ist. In Hinblick auf die Bilder kann ich dies in jeder Hinsicht bestätigen. Noch nicht einmal im Zoo besteht die Möglichkeit, Raubtieren so nah zu sein. Ursprünglich hatte das Kamerateam um Simon King angenommen, extreme Nahaufnahmen wären ungeeignet für einen Kinofilm, weil sie auf der großen Leinwand übermächtig wirken. Und doch sind es gerade diese Nahaufnahmen, die den Film beeindruckend machen, ohne dabei zu erschrecken. Löwenjungen und kleinen Geparden direkt in die Augen zu schauen, das Muskelspiel der jagenden Raubkatzen zu bewundern, Wasser von der Großkatzenzunge tropfen zu sehen – solche Bilder bleiben in Erinnerung. Und auch wenn Härten des Raubtierlebens gezeigt werden, sind sie doch nicht grausamer als die Geschichten eines durchschnittlichen Gebrüder-Grimm-Märchens.
BK
Im Reich der Raubkatzen (African Cats)
ein Film von Alastair Fothergill und Keith Scholey im Verleih von Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Deutscher Kinostart: 19.04.2011