Quo vadis, Tim Burton?
Halloween als groteskes, schrilles Totenfest mischt schon seit langem den gemeinhin als melancholisch verschrieenen Herbst auf. Mitschuld daran trägt eindeutig Hollywoodgröße Tim Burton, dessen skurril-bunte Gothic-Inszenierungen weltweiten Kultstatus genießen. Fischpott-Autor Torben hat sich dem Mann mit den lustigen Haaren und dem düsterfröhlichem Gemüt gewidmet.

Tim Burton
Foto: Gage Skidmore unter Creative Commons Lizenz (CC BY-SA 3.0)
Vor kurzem sah ich mir seit langer Zeit wieder einmal „Big Fish“ an. Jenen Film, den Tim Burton als ersten nach seinem Ausflug ins Big-Budget-Hollywood, mit „Planet der Affen“, gedreht hat. Dabei fiel mir auf, wie wenig burtonesk dieser Film eigentlich ist. Natürlich spielt auch dieses Werk nicht allein in der uns bekannten Realität. Big Fish ist jedoch wie kein anderer von Burtons Filmen in der Normalität verwurzelt. Was essentiell die Geschichte einer Vater-Sohn Beziehung ist, zieht den Zuschauer durch die Vermischung von Realität und Fantasie unweigerlich in seinen Bann. Dabei werden mit Leichtigkeit Themen wie Tod, die Entfremdung von den eigenen Eltern und nicht zuletzt die Frage, ob die Wahrheit wirklich immer vorzuziehen ist behandelt. Big Fish ist einer jener Filme, über die man noch einige Tage später nachdenkt. Vor allem sah man hier aber die Entwicklung eines Regisseurs, der lange gleichzeitig als Skurrilität und Wunderkind Hollywoods galt. Grund genug also sich Burtons bisheriges Schaffen und zukünftige Projekte noch einmal vor Augen zu führen.
Hollywoods Skurrilität und Wunderkind
Burtons Frühwerke „Pee Wee’s Big Adventure“ und „Beetlejuice“ waren vor allem Independent Hits. Sie fielen mit ihrer skurrilen Optik auf, die einerseits direkt der Gothic-Szene entnommen war und andererseits vor knallbunten Farben übersprudelte. Sie ebneten dem jungen Regisseur den Weg für die Neuinterpretation einer Ikone: Burtons „Batman“ war ein überwältigender Erfolg und gleichzeitig ein Meilenstein im Genre der Comic-Adaption. Noch nie war Batman so düster und noch nie so profitabel. Tim Burton hatte mit dem Megaerfolg „Batman“ und der Fortsetzung „Batmans Rückkehr“ seinen Stil gefunden und es gleichzeitig geschafft, diesen an eine breite Öffentlichkeit zu bringen. Seine Vorliebe für skurrile Themen sowie die einzigartige Optik seiner Filme, mal im düsteren Gothic-Stil (Edward mit den Scherenhänden), mal überdreht bunt (Mars Attacks), verhalf Burton schnell zu einer treuen Fanbasis.
Besonders, nachdem er in Johnny Depp einen Seelenverwandten fand, der sich perfekt in die Burtonsche Welt einfand und deshalb zukünftig immer wieder in seinen Filmen zum Einsatz kam. Bald wurde fast jedes Projekt bereits vorab zum Kult erklärt. Dies geht sogar so weit, dass Filme, bei denen Burton nur produzierte und/oder als Autor fungierte, bis heute untrennbar mit seinem Namen verbunden sind. Die wenigsten können den Regisseur von A Nightmare before Christmas nennen (Henry Selick), und auch das Cover der DVD weist den Film als „Tim Burton’s A Nightmare before Christmas“ aus. Die Kombination von besonderer Optik mit tiefgründigem Inhalt wurde sein Markenzeichen. Nicht nur Martin Landaus Darstellung des Bela Lugosi, für die er seinen bis dato einzigen Oskar bekam, im mitreissenden Biopic „Ed Wood“ blieb so dauerhaft in Erinnerung. Entsprechend waren die Erwartungen hoch, als Tim Burton für das Remake von „Planet der Affen“ verpflichtet wurde. Das Ergebnis ließ allerdings weder Regisseur noch Fans befriedigt zurück und enttäuschte beim Filmstart 2001 an den Kinokassen. Zu sehr ließ sich der Regisseur von den Vorgaben der Produzenten leiten und zu sehr lastete der finanzielle Druck auf ihm.
Neuanfang und Stagnation
Zwei Jahre später versuchte Burton einen Neuanfang. Mit kleinerem Budget und vollstädiger kreativer Kontrolle erschuf er mit „Big Fish“ den schon zuvor angesprochenen Meilenstein seiner Karriere. Leider fielen seine Folgefilme dem gegenüber merklich ab. Sein nächstes Projekt war mit 150 Millionen Dollar eine erneute Big-Budget Produktion. „Charlie und die Schokoladenfabrik“ kehrte zurück zu der für Burton typischen Optik mit grellen Farben und wusste durchaus mit Skurrilität zu überzeugen. Trotzdem ließ es den Tiefgang früherer Filme vermissen und setzte zu sehr auf CGI-Spielereien. Der Film spielte weltweit aber 474 Millionen Dollar ein und wurde der bis dato größte finanzielle Erfolg, den Tim Burton verbuchen konnte. “Corpse Bride” von 2005 erinnerte stark an “A Nightmare Before Christmas”, ohne aber dessen Genialität zu erreichen. Wieder blieb Burtons neuste Produktion “nur” im oberen Mittelmaß hängen. Gleiches gilt auch für „Sweeney Todd“ und im besonderen für “Alice im Wunderland”. Dieser überschwemmt den Zuschauer zwar mit sehenswerten Schauwerten, vernachlässigte die Story dabei aber sträflich. Dennoch wurde das Remake von 2010 der damals erst sechste Film, der weltweit über eine Milliarde Dollar einspielte.
Inzwischen musste sich Burton immer öfter Einfallslosigkeit vorwerfen lassen. Seine Filme muteten zunehmend als abgewandelte Kopien früherer Ideen an. Dazu kamen Helena Bonham Carter, mit der er seit „Planet der Affen“ in einer Beziehung lebt, und Johnny Depp als Dauer-Darsteller in fast jedem seiner Filme. Auf dem kommerziellen Hoch seiner Karriere nahm Burton die Filmversion einer Vampirsoap aus den späten 1960ern in Angriff. „Dark Shadows“ vereint erneut Depp und Bonham Carter und zeigt sich im burton-typischen Gothic Look. Leider blieb der Film aber hinter den Erwartungen zurück. Sowohl in finanzieller als auch in kreativer Hinsicht, die sich größtenteils auf nette Gags stützt die bei weitem nicht immer zündeten. Als nächstes bringt Tim Burton mit „Frankenweenie“ die Spielfilmadaption eines seiner eigenen Kurzfilme auf die Leinwand. Zumindest verzichtet er dabei auf seinen Standardcast. Ob das allerdings reicht um wieder an die Qualität früherer Werke anzuschließen muss sich erst noch zeigen.
Quo vadis?
Am Ende bleibt die Frage nach der Zukunft und der Appell, dass in Tim Burtons Filmen die Optik wieder ein beeindruckendes Mittel zum Zweck wird und sich nicht weiter vor die Geschichte drängelt. Unvergessliche Szenen wie Edwards Trauer, als seine „echten“ Hände von seinen Scheren zerstört werden oder Bela Lugosis letzter Auftritt vor der Kamera lassen einen heute wehmütig zurück. War es doch in diesen Momenten immer die dahinterliegende Geschichte die uns mitzog. Und wie Tim Burton uns selbst in „Big Fish“ erzählt, sind es die Geschichten, die einen unsterblich machen.
Weiterführende Links
Homepage von Tim Burton
Tim Burton in der IMDb
Tim Burton bei Moviepilot
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