Rainald Grebe & die Kapelle der Versöhnung
Was ist eigentlich dieser Rainald Grebe?
„Wer ist schuld, dass uns diese Granate jahrelang vorenthalten wurde?“, empörte sich die Süddeutsche Zeitung im Februar 2007.1 Die Antwort lautet natürlich: Rainald Grebe selbst ist schuld. Der will sich nämlich nicht festlegen, was er ist. Musiker? Schauspieler? Dichter? Komiker? Nach vollen drei Stunden mit Rainald Grebe und seiner Band, der Kapelle der Versöhnung, im zakk Düsseldorf kann ich jedenfalls nicht sagen, ob ich nun im Theater, auf einem Konzert, im Kabarett oder gar bei einer Lesung war.
Und das meine ich natürlich positiv. Dass der gebürtige Frechener (das liegt bei Köln) witzig ist, weiß man ja. Dass er ausgebildeter Schauspieler ist, ist vermutlich nicht gerade Insiderwissen, war mir aber vorher unbekannt. Dass er mit seiner Kapelle der Versöhnung eine Bandbreite von esoterischer Sauna-Begleitmusik bis zum rhythmischen Indie-Rock abspulen kann, hat mich unvermittelt, aber auf’s Erfreulichste getroffen. Ich hätte es wissen müssen: Das Konzert war unbestuhlt. Grebe ist tanzbar.
Nun mag man einwenden, dass das Kabarett fast immer eine Mischung aus Lyrik, Schauspiel und Musik ist. Ja, stimmt – aber kaum jemand funktioniert auf allen drei Ebenen so gut wie Grebe. Kein Mensch geht zu Rüdiger Hoffmann, um seine Klavierkünste oder seine abwechslungsreiche Mimik zu bestaunen. Auch für Jürgen von der Lippe ist die Gitarre eher unwesentlicher Bestandteil seiner Show. Grebe macht aber auch dann noch Spaß, wenn man einfach mal seinen wahnsinnigen Blick oder sein absurdes Kostüm (Indianerkopfschmuck und pinkes Cheerleaderröckchen) auf sich wirken lässt oder den (teils neuen) musikalischen Arrangements alter Lieder (z.B. „Raucher“) lauscht.
So ein Grebe-Konzert ist ein bisschen wie bei KIZ. Irgendwo zwischen Musik und Satire, mit vielen Brüchen in den Liedern, so dass man leicht verloren ist … man fragt sich, worum ging’s eigentlich nochmal? Aber Grebe ist im Gegensatz zu KIZ überhaupt nicht böse. Klar, „Ich bin der Präsident“ ist nicht gerade eine Lobeshymne auf das Amt des Bundespräsidenten, sondern wirft eher die Frage auf, wofür so ein Präsident eigentlich da ist („Ich hab die Macht der warmen Worte“); ein zynischer Verriss des Amtes oder seiner Träger sieht aber auch anders aus. Das liegt auch daran, dass Grebe sich eher an nuancierten Themen abarbeitet, die dann zwar eine Art „Opfer“ haben („Raucher“, „Multitasker“) aber ohne dieses Opfer gleich darnieder zu treten – nicht umsonst ist Grebe offenbar nach Brandenburg gezogen.
Die meisten Themen sind natürlich Karikaturen alltäglicher Dinge; Grebe überzeichnet sie. Deshalb hat so ein Grebe-Konzert seine schwächsten Momente, wenn die Konturen allzu deutlich werden. So wird eine Variante von „Der Präsident“ eingespielt, in der Grebe die Rolle eines (afrikanischen/südamerikanischen/beliebigen) Diktators einnimmt, ähnlich des Diktators aus dem gleichnamigen Film von und mit Sacha Baron Cohen. Das Problem: Solche Figuren sind bereits Parodien ihrer selbst, da gibt’s nichts mehr zum Überzeichnen. Das ist dann eher platt. Um im Vergleich zu bleiben: Rainald Grebe gefällt mir als Ali G. besser denn als Diktator. Nicht weil’s nicht lustig wäre; das Feld kann er aber doch einfach anderen Komikern überlassen.
Durch die liebevolle Art, mit der die Texte geschrieben sind, werden die karikierten Objekte „mitgenommen“; so dürfte das Lied Brandenburg auch Brandenburgern gefallen (und ich wünsche mir eine Ostfriesland-Hymne!) und „Raucher“ wird Rauchern und Nichtrauchern zugleich zusagen. Und so ist die Wellness-Einlage kurz vor der ca. 15-minütigen Bühnenpause zwar eine Persiflage des allgemeinen Wellness- und Saunatrends … den man sich aber auch irgendwie als Gesundheitsfanatiker in der Sauna anhören könnte. Besondere Highlights waren außerdem das Lied „Oben“, eine Lesung aus einem skurrilen Buch über Äpfel und ein Dialog der Bandmitglieder, von dem man schon akustisch nichts verstand.
Obwohl die Setlist eine gemäßigte Mischung aus Neu und Alt war – mit erwähnter Chill-Lounge vor der Pause – wurden die größten Hits gar nicht gespielt, „Brandenburg“ und „Dörte“. Das mag die eine oder den anderen enttäuscht haben. Grebe ist höflich, er pöbelt nicht rum wie Kurt Krömer, aber er biedert sich auch nicht an. Vielleicht möchte er auch „Brandenburg“ nicht vor einem Publikum spielen, das Brandenburg nicht kennt?
Eine Besonderheit der Show ist das Bühnenbild. In einem 700-Mann-Club wie dem zakk ist die Bühne eher eine um einen Meter erhöhte Empore, für die schnell ein paar Stühle beiseite geschoben wurden. Das gibt der Bühne einen improvisierten Charme, wie sich auch die ganze Grebe-Show als perfekte Improvisation gibt – was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass alles bis ins Detail durchgeplant ist; zu Beginn gibt es einen „Soundcheck“, der nur als Einheizer einer schnell getakteten Gag-Flut dient. Die Interaktion mit dem Publikum beschränkt sich auf abgesprochene Zurufe; und auch die Dialoge auf der Bühne sind natürlich einstudiert.
Das dient aber alles nur dazu, das Publikum in der langen Show nicht zu verlieren – an diesem Abend im zakk hat das wunderbar geklappt.