Shining Girls
Roman von Lauren Beukes, gelesen von David Nathan
Chicago, 1974. Ein Mann spricht ein kleines Mädchen an und macht ihr ein Geschenk. Viele Jahre später wird der Mann, Harper, die inzwischen erwachsene Kirby überfallen und mit einem Messer lebensgefährlich verletzen. Er lässt ein weiteres Geschenk am Tatort zurück: ein Feuerzeug aus den 1920er Jahren, das der Polizei keinen Schritt weiter hilft.
Ein Gastbeitrag von Nadja, die auch über LARP bloggt.
Die Idee ist natürlich nicht neu: Eine junge Frau wird überfallen. Da die Polizei keine verwertbaren Spuren findet, macht sich die angehende Journalistin (oder Anwältin oder Psychologin) selbst auf die Jagd nach dem Serientäter. Unterstützt wird sie von ihrem Kollegen, einem verbitterten und einsamen Mann. Solche oder ähnliche Geschichten haben wir alle schon gelesen oder im Kino gesehen. Lauren Beukes gelingt es dennoch, diesen alten Stoff in eine neue, sehr spannende Geschichte zu verwandeln. Denn Harper Curtis begeht seinen ersten Mord bereits 1931 – er ist ein Zeitreisender. Ein Science-Fiction-Roman ist Shining Girls trotzdem nicht: Kirbys Gegner ist kein Evil Overlord aus der Zukunft, sondern ein heruntergekommener Schlägertyp aus der Vergangenheit. Nur zufällig landet er in einem Haus, mit dem er durch die Zeit reisen kann. Wie genau das funktioniert, bleibt offen. Auch Harper interessiert sich nicht dafür – aber er benutzt das Haus, um Jagd auf seine shining Girls zu machen: Junge, fortschrittliche Frauen voller Energie und Motivation. Ihr Potential lässt sie von innen leuchten.
Die Darstellung dieser Frauen ist eine der Stärken des Buches: Während man Harper und seine Motive nie so richtig kennen lernt, sind seine Opfer echte Persönlichkeiten. Wir bekommen einen Einblick in ihr Leben, ihre Motive und in die Zeit, in der sie leben. Aber so interessant die ermordeten Frauen erscheinen, so klischeehaft wirken Kirby und ihr Kollege Dan Velasquez. Diese Oberflächlichkeit entsteht vermutlich zum Teil auch durch die Kürzungen des Hörbuch-Verlags und wird durch David Nathans Lesung noch unterstützt: Natürlich klingt der verbitterte Dan wie ein überarbeiteter Scotch-und-Whiskey-Tester nach dem Firmenjubiläum. Hollywood hat es schließlich schon tausendmal so vorgemacht. Und natürlich klingen die Frauen atemlos und piepsig. Viel zu selten hört man aus ihren Worten die Wut und Energie, mit der sie im Buch tatsächlich beschrieben werden, sie wirken schüchtern und hilflos. Als 12-jährige Kirby überzeugt Nathan erst recht nicht; andererseits kann man das von einem erwachsenen Mann auch kaum erwarten. Hier wäre weniger Schauspiel wahrscheinlich mehr gewesen. Harper Curtis hingegen spricht David Nathan absolut überzeugend. Und auch zwischen den Dialogen gelingt es ihm gut, Spannung aufzubauen und zu halten. Die vielen Zeitsprünge, die die einzelnen Handlungsfäden immer wieder unterbrechen, tragen zusätzlich zum Nervenkitzel bei.
Dieses Hörbuch ist nicht zum Immer-wieder-hören gemacht. Aber wer sich durch explizite Gewaltdarstellung und einen Hauch Stephen-King-Horror abschrecken lässt, hat sicherlich mehr als einmal Spaß daran, also lohnt der Kauf durchaus. Außerdem hat Lauren Beukes gründlich recherchiert und stellt die verschiedenen Epochen glaubhaft und lebendig dar. Also kommen hier auch Chicago-Fans und Nerds für neuere amerikanische Geschichte (die gibt es bestimmt!) auf ihre Kosten.
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