Wenn Sieben Tage zur Ewigkeit werden
Deon Meyers aktueller Südafrika-Thriller
Kennt ihr das? Ihr habt drei Bücher eines Autoren gelesen, die waren einfach nur toll. Pageturner und dennoch intellektuell anregend. Spannend, geistreich, voller Abwechslung. Dann bekommt ihr das aktuelle Werk geschenkt, freut euch auf wunderbare Lesestunden – und versinkt in Langeweile. So aktuell geschehen mit dem neuesten Output von Deon Meyer, jenem Südafrikaner, den ich kürzlich hier noch so über den grünen Klee gelobt habe. »Sieben Tage« werden für mich gerade zur Ewigkeit. Ich schaffe es einfach nicht, mehr als ein paar Seiten am Stück zu lesen, dann fallen mir die Augen zu. Gar nicht gut.
Sieben Tage für die Verbrechensbekämpfung
Und das, obwohl »Sieben Tage« eigentlich alle Zutaten eines guten Thrillers mitbringt, was im Falle Deon Meyers bedeutet, dass südafrikanische Verhältnisse einen wesentlichen Part ausmachen. In »Dreizehn Stunden« (13 Uur, 2009) war dies dem Meister noch derart vorzüglich gelungen, dass ich dieses Buch ausdrücklich empfohlen hatte. Bennie Griessel musste hier zwei Fälle an einem Tag parallel bearbeiten und jagte dabei quer durch Kapstadt. Bei »Sieben Tage« (7 Dae, 2011) – das legt schon der Titel nahe – handelt es sich nun um eine weitere Bennie-Griessel-Geschichte. Der Kriminalpolizist im Rang eines Kapteins ist zu einer Sondereinheit versetzt worden und hat es wieder mit zwei Verbrechen zu tun, diesmal innerhalb einer Woche. Das allein hätte mir schon eine Warnung sein sollen, klingt es doch arg nach dem Versuch der Wiederholung eines Erfolgsrezeptes. Ein Attentäter hat es auf Polizisten abgesehen: Per Mail droht er, jeden Tag auf einen Uniformträger zu schießen, bis die südafrikanische Polizei SAPD eingesteht, den Mörder der jungen Rechtsanwältin Hanneke Sloet bereits zu kennen, und ihn endlich vor den Kadi stellt. Ob der in seinen Mails benutzten Bibelzitate verkennen Bennies Vorgesetzte den Mann zunächst als religiösen Spinner, bis der erste Kollege schwerstverletzt im Krankenhaus landet. Nun wissen sie nicht, wie sie weitere Attentate verhindern sollen. Der Fall Sloet hatte bislang jedenfalls keinen entscheidenden Hinweis auf den Täter geliefert. Einzig ist eindeutig, dass sie ihren Mörder gut gekannt haben musste, andernfalls hätte sie ihm nicht die Tür geöffnet. Oder zumindest hätte es Spuren eines Kampfes geben müssen. Bennie Griessel soll den Fall übernehmen, die umfangreiche Akte noch einmal durchforsten und alle Zeugen noch einmal befragen. Und genau das gestaltet sich so langatmig, dass ich über die Zeit hinweg das Interesse verloren habe, des Rätsels Lösung um Hanneke Sloets Tod zu erfahren. Für eine Crime Story die Höchststrafe. Dass ich mittlerweile zum Ende vorgeblättert habe, ist nur dieser Rezension geschuldet.
BEE-Transaktionen produzieren keinen Honig
Eines der wesentlichen Probleme ist das höchst komplexe Themengebiet, mit dem sich die ehrgeizige Juristin beruflich auseinandergesetzt hat und in das sich Bennie Griessel nun hineinzudenken versucht. BEE-Transaktionen lautet hier das Stichwort, und dabei geht es nicht um Bienchen und Blümchen. BEE beschreibt das südafrikanische Konzept der Black Economic Empowerment, der Wiedergutmachung an all jenen Bevölkerungsgruppen, die unter der Apartheid keinerlei für sie vorteilhafte ökonomische Teilhabe hatten. Unschwer kann man sich vorstellen, dass das eine sehr komplexe Aufgabenstellung ist, ganz bestimmt ein Abenteuerspielplatz für Rechtsanwälte und Wirtschaftswissenschaftler. Dass die Thematik aber für in dieser Hinsicht unvorbelastete Leserinnen und Leser kaum nachvollziehbar ist, gesteht Deon Meyer sogar ein: »Ich befürchte, Kaptein, für einen solchen Geschäftsvorgang gibt es keine Laiensprache, denn die Sache ist äußerst kompliziert. Andererseits ist es eine typische BEE-Transaktion, wie sie jeden Monat ein- bis zweimal vorkommt. Was hat das mit dem Tod von Hanneke Sloet zu tun?« lässt er eine seiner Figuren sagen. Und wirft damit selbst die wesentliche Frage auf: Warum müssen wir uns mit einer ökonomischen Spezialdisziplin beschäftigen, wenn sie letztendlich gar nichts mit dem Kriminalfall zu tun hat? Nichts gegen ein bisschen Blick über den Tellerrand. Ich liebe es, wenn mir einer Spezialdisziplinen nahebringt, mit denen ich sonst im Leben nichts zu tun habe. Nur habe ich in diesem Fall leider nichts dazugelernt. BEE-Transaktionen bleiben trotz der Erklärungsversuche für mich dubios, und beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, dass es durchschnittlich gebildeten Südafrikanern anders geht.
Fauxpas!
Lähmender aber noch empfinde ich die Geschichten rund um die Privatperson Bennie Griessel. Der trockene Alkoholiker gab sich in »Dreizehn Stunden« noch der Hoffnung hin, seine Frau könne ihm nochmal eine Chance geben, und warf gleichsam ein Auge auf eine der Zeuginnen. In der temporeichen Handlung wirkte das angemessen und für die Geschichte durchaus bereichernd. Nun ist er geschieden und lebt in einer Beziehung mit ebendieser Zeugin, einer ehemals erfolgreichen Sängerin und ebenfalls trockenen Alkoholikerin. Nur dass sie nicht so trocken ist: »Sieben Tage« beginnt mit der Erzählung ihres ersten Schrittes zu einem Comeback: einer Party, zu der auch Bennie eingeladen ist und auf der er sich einem Elefanten im Porzellanladen gleich verhält. Statt zu der Singer Songwriterin Lize Beekman das einstudierte „Juffrou Beekman, es ist mir eine ausgesprochene Ehre. Ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Musik.“ vorzutragen, stößt er ein idiotisches und lautes „Scheiße!“ hervor. An sich eine nette kleine Anekdote, durchaus amüsant. Nur bläht Deon Meyer sie auf, trägt sie durch weite Teile seines Buches mit: Fortan quält Bennie der Gedanke, sein Fauxpas (ein Wort, das er erst später lernt und missversteht, dann als Alternative für seinen Lieblingsfluch „Fok!“ nutzt) könne der Grund für den alkoholischen Rückfall seiner Freundin sein. Und wenn es nicht um diese völlige Verkennung ihres künstlerischen Seelenleids geht, schlägt sich der Kaptein mit den Tattoo-Phantasien seines halbwüchsigen Sohnes und der überraschenden Neuigkeit eines bereits tätowierten Freundes seiner Tochter herum. Bei aller Liebe für detailreiche Schilderungen rund um Charaktere, aber wenn sie so unverbunden zur eigentlichen Geschichte stehen, kommt bei mir die Frage auf, ob sie letztlich nicht nur banale Lückenfüller sind.
Hatte ich vor kurzem noch so gelobt, wie beeindruckend das Zusammenspiel aus konventionellem Thriller und südafrikanischen Spezialitäten in den Büchern von Deon Meyer funktioniert, so muss ich für »Sieben Tage« konstatieren: Hier funktioniert es – zumindest für mich – gar nicht. Aber so wie eine Mücke noch keinen Sommer macht, macht ein schwächeres Werk aus einem bemerkenswerten Autoren noch lange keinen schlechten.