Der Berggorilla (DVD)
Zu Besuch bei unseren vom Aussterben bedrohten Artverwandten
Die seltene Art der Berggorillas ist den meisten von uns wohl spätestens bekannt seit dem Film Gorillas im Nebel. Die Biografie-Verfilmung aus dem Jahr 1988 erzählte aus dem Leben der 1932 in San Francisco geborenen Zoologin und Verhaltensforscherin Dian Fossey. Sie hatte ihr Leben der Erforschung und dem Schutz der Berggorillas gewidmet und war dafür auch gestorben: Im Dezember 1985 wurde sie mit eingeschlagenem Schädel im Karisoke Research Center (Ruanda) aufgefunden und ihrem Wunsch gemäß auf dem von ihr angelegten Gorilla-Friedhof begraben. Ihr Streben und Arbeiten wirkt noch heute nach: In dem so hart umkämpften Dreiländereck Ruanda, Uganda und Demokratische Republik Kongo arbeitet der Dian Fossey Gorilla Fund unter dem Motto »Helping People. Saving Gorillas.« Über die Jahre hinweg hat ihre Stiftung dafür gesorgt, dass Berggorillas die wohl am besten erforschte Tierart der Welt darstellen. Die vorliegende DVD von BBC Earth trägt nun mit dazu bei, dieses Wissen in die Welt zu tragen.
Etwa 700 Berggorillas leben im Krisengebiet Afrikas
Berggorillas sind eine Unterart des Östlichen Gorillas, der sich vom Westlichen Gorilla vor allem in seiner Körpergröße, der etwas dunkleren Fellfärbung und der Stärke ihrer Gruppen unterscheidet. Vor allem aber sind sie seltener, stärker bedroht und werden kaum in Zoos gehalten. Als Menschenartige gehören Gorillas nach den Bonobos und den Schimpansen zu unseren nächsten Verwandten: Nur 1,6 Prozent der Basenpaare unterscheiden sie genetisch von uns Menschen. Ein guter Grund, sie vor dem Aussterben zu schützen, sollte man meinen. Vor allem, wenn sie sich wie die Berggorillas einen Lebensraum ausgesucht haben, der kaum wie ein anderer von Menschen umkämpft ist. Im Dreiländereck Ruanda, Uganda und DR Kongo liegt der Virunga-Nationalpark. In dessen Zentrum sorgen Vulkane für sehr fruchtbaren Boden, auf dem seit Jahrzehnten Kriege und Rebellion toben. Selbst in den kurzen friedlichen Phasen vermag sich ob extremer menschlicher Flüchtlingsströme und den damit verbundenen Hungersnöten für die tierischen Bewohner kein Frieden einstellen. Die hier etwa 400 Tiere zählende Berggorilla-Siedlung ist von Wilderern und ihren Schlingfallen genauso stark bedroht wie durch den exorbitant hohen Holzbedarf der menschlichen Nachbarn. Etwas weniger brisant die Lage im zweiten Lebensraum: Circa 300 Tiere leben im Bwindi-Nationalpark, einem kaum durchdringbaren Urwald in Uganda. Forscher sind sich noch uneins, ob die beobachteten Unterschiede dieser beiden Gruppen für eine weitere Artenunterteilung ausreicht. Eines jedenfalls ist sicher: Wohl kaum eine Tierart steht so extrem unter Beobachtung wie die Berggorillas. In Ruanda hat Felix Ndagijimana den Job von Dian Fossey übernommen. In Uganda ist es die amerikanische Primatologin Martha Robbins.
Dokumentation kann so erholsam sein

©BBC Worldwide Ltd
Das Gros der hier dargestellten Hintergrundinformationen entspringt nicht nur meiner wohlfeinen Recherche, sondern tatsächlich der dreiteiligen BBC-Dokumentation, die mir als DVD vorliegt. Genau das macht diese DVD auch so interessant: Nach einer Reihe von Disney Nature Beiträgen, die ich für Fischpott besprochen habe, kommt diese BBC Earth Arbeit erholsam dokumentarisch daher. Sicher, auch BBC Earth versucht, Geschichten zu erzählen, in denen Tiere Namen haben und in denen die Erzählung ihres Verhaltens zeitweise arg menschelnd anmutet. Tatsächlich aber tragen die Bewohner der Virunga- und Bwindi-Nationalparks Namen, die ihnen die Forscher seit Dian Fossey gegeben haben. So lässt es sich leichter über die einzelnen Tiere sprechen und berichten. Der Silberrücken Titus zum Beispiel hat seinen eigenen Wikipedia-Eintrag. Seiner Biografie widmete sich 2008 eine abendfüllende Dokumentation. Und der vorliegende Dreiteiler erzählt von dem Ende dieses erfolgreichen Gruppenanführers, der sich wie kein anderer fortgepflanzt hat. Der menschelnd anmutende Part jedenfalls scheint vielmehr damit zu tun zu haben, dass nicht wir Menschen Sozialverhalten erfunden haben. Wir sprechen nur gerne darüber.
Auch Gorillas benötigen Fingerspitzengefühl
Auch Tiere organisieren sich in Gruppen und kennen Regeln, die einzuhalten sind und gerne gebrochen werden. Zur Veranschaulichung stellen wir uns mal eine Menschensiedlung vor, die einen dominanten Herrscher hat. Allein er hat das Sagen, vertritt Legislative genauso wie Exekutive und Judikative. Eines seiner Gesetze: Nur er darf sich fortpflanzen. Alles funktioniert super, bis eines Tages ein hübsches Teeangermädchen in die Siedlung zieht. Der Big Boss selbst hat kein Interesse an ihr, er steht mehr auf reifere Frauen. Sie hingegen verfügt über eine starke Libido. Was macht so ein kleines Luder? Sie macht sich an die anderen Vertreter des männlichen Geschlechts heran. Die können in ihrer Begeisterung kaum an sich halten – und schon ist der größte Stress vorprogrammiert. Tatsächlich, so lernen wir im dritten Teil der Doku, haben genetische Untersuchungen ergeben, dass circa 15 Prozent des Gorilla-Nachwuchses nicht von einem dominanten Silberrücken abstammen. Überhaupt wissen die Gruppenmitglieder sehr genau, wen sie als Ranghöchsten akzeptieren und wen nicht. In die Position eines der 65 dominanten Silberrücken zu gelangen, scheint ein sehr komplexes Sozialprojekt zu sein, das von den 200-Kilo-Wesen auch einiges an Fingerspitzengefühl verlangt. Wenn die Damen der Gruppe nämlich von seinen Qualitäten als Anführer, Beschützer und Genlieferant nicht überzeugt sind, sind sie schneller weg, als er sich auf die Brust trommeln kann. So liegt der Schwerpunkt der Erzählung auf dem sich selbstregulierenden Gruppenverhalten und dem zum Teil fast idyllisch anmutenden Miteinander: Ein dominanter Silberrücken, der ein von der Mutter verlassenes Gorilla-Mädchen aufzieht. Kindergruppen, die die Leichtigkeit des Seins offenbar am liebsten als die Berge hinunter kullernde Wollkugeln zelebrieren. Oder die Gorilla-Frau, die nach einem Seitensprung reumütig zum Vater ihres Nachwuchses zurückkehrt.
Bildebene besser als Kommentar
Unter der ständigen Beobachtung ihrer Beschützer Felix Ndagijimana in Ruanda und Martha Robbins in Uganda mit ihren jeweiligen Teams zeigen die Tiere Verhalten, das in Zoohaltung niemals beobachtet werden könnte. Die wildlebenden Tiere sind zwar über den Vorgang der Habituation an die menschliche Gegenwart gewöhnt, ansonsten aber eben genau das: wildlebend. Entscheiden sie, in das Territorium von Menschen einzudringen und ihnen den geliebten Eukalyptus streitig zu machen, stellen sich die Forscher ihnen nicht in den Weg. Genau so wirkt auch die Kameraarbeit für die Dokumentation. Die Filmer scheinen nicht auf der zwanghaften Suche nach spektakulärem Material gewesen zu sein. Als begeisterte Hobby-Zoologin hätte ich mir da die Kommentar-Ebene noch ein wenig wissenschaftlicher gewünscht. Der Erzähler (im Original Patrick Stewart) kommt teilweise zu onkelhaft daher, zum Teil aber auch fast konträr zur Bildebene. Fast wirkt es so, als solle der Kommentar dann doch mehr behaupten, als die Bilder hergeben. So ist zum Beispiel die Rede von Kämpfen um die Vorherrschaft in einer Gruppe, während die Bilder viel mehr Imponiergehabe denn körperliche Auseinandersetzung zeigen. Abgesehen von diesem Aspekt habe ich die dreiteilige Dokumentation als kurzweilig, informativ und in Teilen sogar sehr erheiternd erlebt.
Disclaimer: Fischpott hat ein Rezensionsexemplar von der Polyband Medien GmbH erhalten.

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