Die Paläste von Carrara
Ein Brettspiel: Norditalien in der Renaissance, jeder Mitspieler zieht bunte Klötze aus einem Beutel, um prächtige Bauwerke zu errichten … Moment mal, kennen wir das nicht schon? Firenze, bist du das?
Nein, »Die Paläste von Carrara« ist kein dreistes Plagiat. Ansonsten wäre das Spiel von den Design-Veteranen Wolfgang Kramer und Michael Kiesling wohl kaum auf die Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres 2013 gekommen. Manche Themen bieten sich einfach an und niemand wird beispielsweise »Dominion« als Plagiat von »Die Siedler von Catan« bezeichnen, weil in beiden Spielen die Expansion innerhalb feudaler Strukturen das Leitmotiv bildet. Aber zurück zu den Palästen von Carrara.
Wie geht’s denn?
In jeder Runde hat eine Spielerin drei Möglichkeiten: Bunte Marmorklötzchen (eigentlich Holz, also symbolischer Marmor) kaufen, mit den Klötzchen ein Gebäude bauen oder eigene Gebäude werten. Der Clou beim Kaufen ist, das die Marmorpreise sich je nach Stand der Drehscheibe, auf der sie liegen, laufend verändern. Der Clou beim Bauen ist, dass je nach Bauort (immer eine Stadt wie Livorno oder Pisa) nur bestimmter Marmor verwendet werden darf – je wertvoller die Stadt, desto heller muss der Stein sein. Der Clou beim Werten ist schließlich, das dabei nicht nur Punkte (natürlich gemessen auf der Kramerleiste), sondern auch Münzen für die nächste Kaufrunde herausspringen sollten. Das Spiel ist beendet, wenn ein Spieler die Siegbedingungen erreicht hat und das Ende ankündigt. Zwei bis vier Spieler können mit am Tisch sitzen.
Und, macht’s Spaß?
Das erste Durchspielen erwies sich als überraschend wenig innovativ. Jeder Spieler baut ein bisschen, sammelt ein bisschen Geld, baut ein bisschen mehr und irgendwann ist es vorbei. Wahrscheinlich hätten wir gleich den Umschlag mit der Aufschrift „NICHT ÖFFNEN! Erst öffnen, nachdem Ihr mindestens 2 Partien des Grundspiels gespielt habt!“ aufmachen sollen. Darin befindet sich zusätzliches Spielmaterial und Erweiterungsregeln. Mit denen lassen sich zum Beispiel variable Bedingungen für das Spielende per Kartenziehung ermitteln. Was zunächst ein bisschen wie die beliebte „Jedes Spiel ist anders!“-Variante klingt, ist beim ersten Ausprobieren aber wieder eher unspektakulär. Das Spiel endet nur einfach anders, spielt sich aber prinzipiell genauso.
Lohnt sich’s denn?
Abschließend reiht sich »Die Paläste von Carrara« in die Reihe deutscher Mittelalter-Aufbauspiele, ohne besonders herauszuragen. Das Erfolgsteam Kramer und Kiesling, mit »Torres« und »Tikal« gleich zweifacher Spiel des Jahres-Preisträger, hat ein durchaus ordentliches, aber nicht außergewöhnliiches Spiel geschaffen. Auch die Illustrationen von Franz Vohwinkel sind eher ‚ganz nett‘ als ‚wow‘. Wer kein vergleichbares Spiel besitzt oder kennt, kann sich für rund 30 Euro ein solides Aufbauspiel kaufen, das aber wohl kaum das Zeug zum Klassiker besitzt.
Disclaimer: Fischpott hat eine Rezensionsexemplar vom Hans im Glück Verlag erhalten.
Nebenbemerkung
Befreie uns von der Mittelalteritis!
Die Kennerspiel-Nominierungen von »Die Paläste von Carrara« und »Brügge« sowie das Kennerspiel des letzten Jahres »Village« zeigen wieder einmal, dass es auf dem deutschen Spielemarkt nur ein Thema gibt: Das Mittelalter. Alles andere spielt die zweite Geige, wobei weitere historische Epochen und Fantasy – mehr oder weniger Cousins des Mittelalters – langsam häufiger werden, zu sehen am aktuellen Kennerspiel »Die Legenden von Andor«. Die meisten Spieleautoren und -autorinnen haben wahrscheinlich auch mal abstrakte Spiele-Ideen oder würden Spielwillige gerne in den Weltraum entführen. Aber Burgen und Händler sind anscheinend die halbe Miete.