Hikikomiri
Oder Mama, Papa, die Katze und ich
Mit Anfang 50 geschieden, kinderlos und pleite zurück zu den Eltern? Ein Alptraum für Spießer*innen, deren größte Angst das Versagen in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft ist. Aber was für die einen ein Alptraum, ist für Jamiri ein neuer Lebensabschnitt – den er dann auch gnadenlos in seinem neuesten Comicalbum Hikikomiri präsentiert.
Wo andere peinlich berührt schweigen würden, geht Jamiri in die Vollen. Denn er ist zurück ins Elternhaus nach Blankenstein gegangen, ein Stockwerk über Mama Karola und Papa Detlef. Und das geht an die Substanz. Nicht umsonst schreibt er sich selbst in die Sprechblase: „Ich war in einer schlecht getexteten Sitcom gefangen.“ In Hikikomiri geht diese Sitcom über 48 Seiten. Aber auch wenn der Protagonist selbst die Textqualität kritisiert, so unterhält die Sitcom dann doch. Denn Jamiri macht hier das, was er am besten kann: Die Absurditäten des Alltags festhalten. Und absurder als Generationenkonflikt geht eigentlich nicht.
Absurd mag auf den ersten Blick auch der Titel vorkommen: Hikikomori sind doch die japanischen Sonderlinge, die sich von der Gesellschaft zurückziehen und das Zimmer im eigenen Elternhaus Monate oder Jahre nicht verlassen. Aber – zum Glück des Lesepublikums – ist der Hikikomiri anders gestrickt und kommt doch immer mal wieder raus aus seinem Zimmer. Dann droht die Überwachung mit Babyphone oder die Diskussion über das Testament. Also ein ganz normaler Alltag eigentlich, der immer wieder ins Hochkomische abgleitet. Denn trotz kleinerer Rückschlägen im Leben kann Jamiri eines immer noch richtig gut: komisch sein. Ich hoffe, Hikikomiri bleibt nicht das letzte Comicalbum aus Blankenstein.
Jamiri: „Hikikomiri oder Mama, Papa, die Katze und ich“. 48 Seiten, Wuppertal (Edition 52) 2023
Wir haben ein Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten.