Lexikon der Nichtigkeiten von Severin Groebner
Ein Gastbeitrag von Ranthild Salzer.

Wozu brauchen wir 2019 ein Lexikon der Nichtigkeiten: Ein Rundumschlagwerk für Zeitgenossen? Aus echt vielen Gründen! In Zeiten wo man mit dem Verbal-Durchfall der eigenen Zeitgenossen dank der Social Media Blasen quasi 24/7 konfrontiert ist, tut so ein frecher, satirischer Blick in und auf die Welt sehr gut. Besonders, wenn das Ganze von Severin Groebner gemacht wird. Seines Zeichens Kabarettist, Autor, Kolumnist und seit Jahrzehnten kultureller Vermittler zwischen Deutschen und Österreichern. Geboren in Wien, wohnhaft schon seit langem in Frankfurt am Main. Seine Glossen und Kabarett-Programme sind scharf, hintersinnig und nichts für schwache Nerven. Das vorliegende Buch bietet sozusagen ein „Best-Of“ aus Groebners Glossen und Satiren die er seit mehreren Jahren in deutschen und österreichischen Radios und Zeitungen zum Besten gibt: etwa in Radio Österreich 1 oder Bayern 2, der taz oder der Wiener Zeitung.
An dieser Stelle ist es Zeit für ein Geständnis: die Autorin dieser Zeilen ist Wienerin und Österreicherin. Auf Wien lass ich nix kommen, auf Österreich … also auf gut wienerisch: ‚des is ma echt Wurscht‘. So gesehen bin ich die perfekte Wahl für diese Rezension!
Mit Lexika ist das so eine Sache … Als ich noch Schülerin war – also in der Zeit lange vor Wikipedia – waren das wichtige Bücher. Man wusste nicht woher ein Wort, eine Weltanschauung, eine Schriftstellerin oder ein Erfinder kam, also schlug man das nach. Und wo? Genau … im Lexikon! So gesehen bieten Lexika in alphabetischer Reihenfolge wichtiges Wissen, gerne auch Allgemeinwissen genannt, ihrer Leserschaft dar und an. So auch Groebners Lexikon der Nichtigkeiten. Und er Rundumschlag ist ernst gemeint denn auf knapp 200 Seiten geht es früher oder später jedem ans Leder: dem Deutschen ebenso wie dem Österreicher, dem Wiener ebenso wie dem Bayern. Von Abendland über Familie, den Gutmenschen, das Jammern, dem Körper (Entschuldigung der heißt ja jetzt Body), Krimis, Moral, Populisten, Sex, das Ungesunde, den Weltuntergang und natürlich das Wienerische. Wer schon immer mehr darüber wissen wollte wie erstens Satiriker und zweitens Wiener die Welt sehen dem sei dieses Buch herzlich empfohlen! Denn sonst entgehen einem Highlights wie diese:
- Groebners Eintrag zum „Burschenschafter“ (das ist ja aktuell ein sehr österreichisches Problem) ist bitter böse und sehr notwendig. Groebner nimmt sich fast 3 Seiten Zeit um diesen Menschenschlag – von mir gerne auch als Trottel, Vollkoffer und Wappler bezeichnet (alles total wichtige Wienerische Vokabeln) – zu beleuchten. Und klarzustellen das „solch labile und zutiefst verunsicherte Menschen nicht in verantwortungsvolle Posten in Staat und Verwaltung kommen“ (Groebner, 2018:29) sollten. Eine eigentlich sehr einfache Weisheit, die meine Bundesregierung leider ignoriert … und das seit 2017.
Ebenso frech, direkt und manchmal auch dreist geht Groebner mit Dingen wie der Empörung, der Moral und den sozialen Medien ins Gericht. Soweit, so gut. Wirklich ein Genuss wird Groebner aber, wenn er sich anderen Dingen zuwendet wie etwa dem Krimi, dem Tatortkommissar, Deutschland, Österreich oder dem Wienerischen.
- Sein Eintrag zum „Tatort Kommissar/in, die, der“ ist ein echtes Highlight. Groebner fackelt nicht lange und stellt klar: die meisten Kommissare sind echt zu anstrengend zusammen geschustert dieser Tage. Heutzutage ist „der Tatort Kommissar ein trauriges Wesen … hat immer ein Problem“ (149). Ich persönlich bin sehr für traumatisierte Helden/innen zu haben … aber ein relativ durchschnittlicher Polizeibeamter würde meine – und auch Groebners – Tatort-Begeisterung nicht schmälern. Weil man sitzt ja echt „Woche für Woche vor der Glotze und fragt sich, wo die Polizei eigentlich all diese extrem leidensfähigen, aber hoch begabten Supernerds aufgegabelt“ (150) hat. Aber eh klar „schauen wir uns das natürlich gerne an“ … läuft ja sonst nix brauchbares um die Uhrzeit.
Wie bereits verraten bin ich Wienerin und kann daher nur mit einem Kommentar zu Groebners Erklärung von „Wienerische, das“ und „Schmäh, der“ mein Review beenden:
- Eines muss man wissen: der Schmäh – Bundesdeutsch auch gerne Witz genannt – ist eine Art das Leben zu meistern. Wie Groebner es nennt, „Ein Mischwesen aus Trick, Witz, Savoir-vivre, emotionaler Kompetenz, pragmatischer Dialekt, Soziolekt und einer Prise Wehmut. Und ohne Schmäh ist in Wien kein Überleben möglich“ (173). Ist dies einmal geklärt ist nur noch zu erwähnen, dass das Wienerische an sich halt ein Österreichischer Dialekt ist … aber halt der schönste, der bezauberndste auf der ganzen Welt, was heißt, auf der ganzen Milchstraße … Wie gesagt ich bin Wienerin und deshalb logischerweise ganz objektiv wenn es ums Wienerische geht.
Hand aufs Herz: Groebners Buch beschreibt mit unter Dinge, die wir uns alle oft denken aber eben nicht aussprechen oder auf unserer Instagram, Facebook oder Twitter-Wall posten. Ist vielleicht auch besser so … Herr Zuckerberg weiß auch so schon genug über mich. Allen, die das ein bisserl nachempfinden können sei Groebners Lexikon der Nichtigkeiten zum Kaufen und selber Lesen wärmstens empfohlen!
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar des Buchs vom Satyr Verlag erhalten.
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