Prototype 2
Rumms-Bumms, Blut und Gedärm
So ein fieser Virus kann einem schon mal den Tag versauen, wenn er nicht nur die komplette Stadt in eklige Untote verwandelt, bösartige Mutationen hervorruft und schleimige Untiere wachsen lässt, sondern vor allem, wenn man ihn intravenös verabreicht bekommt. Genau das passiert dem Soldaten James Heller nämlich in diesem Spiel. Er bekommt von Alex Mercer (den man in Teil 1 hätte gespielt haben können, wäre das Spiel in Deutschland nicht auf dem Index gelandet) eine unfreiwillige Impfung verpasst. In der Folge sprießen aus seinem Körper Tentakel, Klingen und Hammerfäuste, die jeden Hummer neidisch machen würden. Mit großem, eitrigem Ausschlag kommt hier große Macht. Und die nutzt Heller, um gegen die skrupellose Organisation Blackwatch vorzugehen. Die sorgt vorgeblich für Sicherheit, züchtet in Wirklichkeit aber ständig neue Monster. Auch mit Mercer legt er sich an, denn der hat eigene fiese Pläne.
Meine Tentakel, mein Block
Im Laufe des Spiels besucht Heller drei Stadtviertel New Yorks, in denen er sich jeweils mehr oder weniger frei bewegen kann. Der Versuch, hier das Gefühl einer echten offenen Welt zu vermitteln, scheitert zum einen daran, dass die einzelnen Bereiche nicht wirklich groß sind. Zum anderen bewegt sich Heller eigentlich 90% der Zeit von Auftrag zu Auftrag, zumindest, wenn man nicht einfach ziellos Mutierte zerstampfen möchte. Zwar kann man theoretisch jederzeit den eigentlichen Missionsplot ruhen lassen, um sich bei anderen Aktivitäten zu verbessern, aber das wird recht schnell öde (siehe Murmeltiertag).
Die Fortbewegung zwischen den Vierteln findet mithilfe von Hubschraubern statt, innerhalb der Stadt kann Heller gewaltige Sprünge machen, sehr schnell sprinten oder sogar eine Stück weit durch die Luft segeln.
Murmeltiertag
Die Auftragsstruktur ist leider wenig abwechslungsreich. Zur Auswahl stehen: Gehe dorthin und mach etwas/jemanden/alles kaputt oder renn hinter jenem her und friss ihn auf. Heller kann auch die Gestalt von Leuten annehmen, die er absorbiert hat. So heißt es dann auch schon mal: Schleich dich dort hinein (um dort etwas/jemanden/alles kaputtzumachen). Viele Variationen gibt es nicht, von unterschiedlichen Gegnertypen einmal abgesehen. Aber selbst deren Anzahl ist recht überschaubar. Zwischendurch kann man sich weiterentwickeln und die Bösewichter dann auf andere Weise (lies: noch blutiger) zerlegen oder einen Hubschrauber oder Panzer entführen, aber große Überraschungen gibt es nicht.
Am originellsten sind noch die Infiltrationsaufträge, bei denen Heller sich nicht als Heller offenbaren darf und darum nur die Waffen der Blackwatch-Soldaten einsetzen kann.
Ob die über das sogenannte Radnet-Feature spielbaren Multiplayer-Inhalte variantenreicher sind, konnte leider nicht getestet werden, da uns der notwendige Code nicht vorlag.
Explodierendes Gekröse
Wenn Heller richtig loslegt, dann fliegen Körperteile, halbe Monster und ganz, ganz viel Blut durch die Gegend. Auch dass er, um seine Gesundheit zu regenerieren oder sich weiterzuentwickeln, Leute absorbiert, ist eher nichts für den schwachen Magen. Die Freigabe ab 18 ist darum nicht nur nachvollziehbar, sondern eine zwingende Notwendigkeit. Und dabei ist die deutsche Version schon entschärft worden, um überhaupt eine Freigabe zu erhalten.
Hat jemand mal ’ne Valium?
Das Spiel ist ziemlich hektisch. Das liegt zuallererst einmal an den Unmengen von Gegnern, Mutanten und Zivilisten, die Heller in den meisten Szenen umlagern. Da wird man schon mal von 30 Soldaten, 5-6 größeren Monstern und 3-4 Hubschraubern und Panzern in die Mangel genommen. Vor lauter Explosionen, Tentakel und Leuten, durch die man dann noch munter hin- und herspringt oder durch die Gegend geprügelt wird, verliert man schnell mal die Orientierung. Zum anderen ist auch die Kameraführung und die Platzierung von On-Screen-Text manchmal ungeschickt. Wenn beispielsweise der haushohe Goliath im Sprung angreift, dreht sich die Kamera weit nach oben, so dass man nicht mehr sieht, wo man hinläuft. Oder wenn man in eine Ecke geprügelt wurde, muss man die Kamera manuell drehen, um wieder hinauszufinden.
Außerdem hauen einem ständig gescriptete Zwischenanimationen ins Spiel. Man nimmt einen Auftrag an – Zwischenanimation – man läuft drei Straßen und frisst den gesuchten Wissenschaftler – Zwischenanimation – man kehrt zum Auftraggeber zurück – Zwischenanimation. Ich habe es nicht gestoppt, aber außer in wenigen Ausnahmefällen dürften selten mehr als 5-10 Minuten vergangen sein, ohne dass es eine Zwischenanimation gab. So fällt es extrem schwer, ins Spiel zu finden.
Zu guter Letzt erreicht man wirklich sehr oft eine Aufwertung. Ich liebe Spiele, die mich schnell für meine Erfolge belohnen, aber Prototype übertreibt es da ein bisschen. So stellt sich selten das Gefühl ein, dass man wirklich etwas erreicht hat.
Déjà-vu
Die Speicherverwaltung des Spiels ist wenig geglückt. Zum einen setzt es die automatischen Speicherpunkte konsequent vor eine Zwischensequenz, die man natürlich nicht überspringen kann. So sieht man dann an den kniffligen Stellen leicht zehnmal die gleiche animierte Minute und nicht selten muss man auch erst einmal fünf Straßen laufen/fliegen, um wieder zu der Stelle zu kommen, an der man gestorben ist. Wenn man das Spiel beendet, selbst wenn man manuell speichert, landet man meist sogar an der Stelle vor dem Anfang der letzten Mission. Wiederspielwert war irgendwie anders gemeint.
Die Figur Heller
Heller ist ein fluchender, hartkantiger Schwarzer mit erheblichen emotionalen Schwierigkeiten. Es macht ihm nichts aus, auch Zivilisten zu verspeisen, um sich zu heilen (und mir machte es recht schnell auch nichts mehr aus, denn es hat auch nur dann Konsequenzen, wenn zufällig Blackwatch-Personal in der Nähe ist). Ansonsten ist er der stereotype harte Kerl mit einem weichen Herz für seine Familie. Und wie nicht anders zu erwarten, geht es dann irgendwann auch darum, seine Tochter zu retten. So weit, so bekannt. Solide, aber wenig originell und mir persönlich fehlten die komischen Momente. Das Spiel nimmt Heller leider ein wenig zu ernst.
Biegen Sie die nächstmögliche rechts ab
Die Steuerung auf der Xbox ist sehr gut gelungen, sowohl was Bewegungen angeht, als auch das Aufrufen der verschiedenen Kräfte und Manöver. Das Spiel nutzt zwar wirklich alle Knöpfe des Steuergeräts, aber das Meiste hat man schnell verinnerlicht und wenn nicht, erinnert das Spiel immer mal wieder daran, wie das nun ging. Volle Punktzahl in diesem Bereich.
Was Spaß macht
»Prototype 2« setzt sicherlich keine neuen Maßstäbe in seinem Genre, außer vielleicht, was die Menge an Innereien angeht. Gerade am Anfang erinnert das Spielgefühl fast an alte Arkadeprügler, denn man bekommt zeitnah gesagt, welchen Knopf man jetzt am besten drückt, um einen Angriff abzuwehren. Spätestens wenn man weitere Waffen und diverse Mutationsfähigkeiten gesammelt hat, macht es aber durchaus Spaß, Wände hochzurennen, meterweit auf Gegner zu springen, herumliegende Waffen zu nutzen, mit der langen Peitsche oder den Hammerfäusten loszulegen oder die ganz großen Badabumms auszupacken, die schon mal eine ganze Basis auslöschen. Aus der Wahl der Waffen und der Kombination diverser Möglichkeiten erwächst einiges an Spielspaß. Zimperlich darf man dabei aber nicht sein, denn Heller erledigt Gegner, indem er sie zerteilt, zerstampft, Gliedmaßen abreißt und schließlich absorbiert.
Fazit: »Batman – Arkham City« war besser. Aber das hat man irgendwann durchgespielt, und wenn man das Spielprinzip generell mochte und mit Splatter kein Problem hat, dann kann »Prototype 2« eine lohnende zweite Wahl sein, die für unterhaltsame Stunden gut ist. Man sollte sich nur darauf einstellen, dass man etwa genauso lange Zwischensequenzen guckt, wie man selbst spielt.
Getestet wurde die Version für die Xbox 360 mit deutschen Untertiteln und Menüs. Fischpott hat ein Rezensionsexemplar von Activision erhalten.