Schön auffe Omme!
Mit Schmackes! Punk im Ruhrgebiet
Als ich das erste mal von »Mit Schmackes« gehört habe, war mein erster Gedanke „Na, endlich!“. Während bei Punk jeder an Berlin, Hamburg und Düsseldorf denkt, hat die Bewegung im Ruhrgebiet als vermeintlicher Proll-Ableger nie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient.
Mein zweiter Gedanke war „schwierig“, insbesondere aufgrund der Gefahr, dass am Ende vielleicht über unendlich viele Seiten der Mythos vom „echten“ Punk aufgekocht wird, der natürlich nur in dieser „bodenständigen“, „ehrlichen“ Gegend gedeihen konnte, die ja vermeintlich so anders ist als jede andere: Ein Punk-Pendant zum Grönemeyerismus, wo in jede Note und jede Liedzeile der Kohlenstaub und die eigene moralische Überlegenheit des vermeintlichen Underdogs projiziert wird.
Dennis Rebmann, Philip Stratmann und ihre Gastautoren umgehen diese Falle souverän, indem sie eine Tugend ihres Themas beherzigen und es selbst nicht zu ernst nehmen. Anstatt eine Heldengeschichte vom Aufstieg und Niedergang des Punk zu erzählen, in der alles zusammenhängt und jedes kleine Ereignis Sinnbild des großen Ganzen wird, bietet »Mit Schmackes!« kleine Abschnitte, die sich auch gut separat lesen lassen, über die ersten Kneipen, in denen Punk gespielt wurde, die ersten kleinen Konzerte, die Macher der Fanzines und natürlich die Bands. Der Grundton ist eher entspannt und man spürt beim Lesen, wie locker, und teilweise vielleicht auch bierselig, die Atmosphäre bei manchen Interviews gewesen sein muss. Diese Normalität könnte für den einen oder anderen überraschend sein, wenn man sieht, dass hinter den Kassierern, die für Titel wie „Ich bin Frauenarzt, weil ich Fotzenfan bin“ und „Blumenkohl am Pillemann“ verantwortlich sind, eigentlich ganz clevere und reflektierte Burschen stecken. Anders sieht das bei »Eisenpimmel« aus. Auf 5 Seiten zeigen Reb- und Stratmann, dass das authentisch Kaputte, sowohl des Punk als auch des Ruhrgebiets, eben wirklich kaputt ist. Trotzdem ist man nach der Lektüre sicher, dass man Bärbel und Siggi mehr Aufmerksamkeit schenken sollte als, sagen wir mal, Campino oder Nina Hagen. Oder wie die Autoren schreiben: „Und so ist vieles, das vordergründig wahlweise asig oder satirisch wahrgenommen wird, eigentlich nur nett, herzlich und liebevoll gemeint“.
Neben den neuen und alten Klassikern den Ruhrpott-Punk wirft „Mit Schmackes!“ auch den einen oder anderen Blick auf vergessene Aspekte. Wer erinnert sich schon noch an den Punker Tag im »Old Daddy« oder die Skate Brigade Marl? Oder Bernd Schadewalds Film »Verlierer« von 1987?
Im Großen und Ganzen ist »Mit Schmackes!« wahrscheinlich das beste Buch, das dem Punk im Ruhrgebiet passieren konnte. Nicht, weil es die Geschichte des Punk neu schreibt – oder eine Vergangenheit entwirft, in der alles besser war – sondern weil es einfach Spaß macht. Zu den größten Verdiensten gehören dabei auch die Tortendiagramme am Ende, welche endgültig klären, welches unter anderem die beste Platte, das beste Bier oder die Punkrockcity ist – mit teilweise überraschenden Ergebnissen.
Zu Kritisieren gibt es eigentlich nur zwei Punkte: zum einen ist die Aufmachung des Bandes schon fast zu edel. Der Farbdruck, das wertige Papier, der Hardcover Einband – das rechtfertigt einerseits den Preis, aber steht auch irgendwie im Kontrast zum Thema – man sieht: das ist Jammern auf hohem Niveau. Der zweite Kritikpunkt ist, dass mit keinem Wort »Bloater«, die mit Abstand innovativste Punkband im Ruhrgebiet der 90er, erwähnt wird. Vielleicht ist allerdings meine Erinnerung getrübt, da ich das Privileg hatte, zwei Jahre lang Gitarrist der Band zu sein.
Disclaimer: Fischpott hat vom Verlag Henselowsky Boschmann ein Rezensionsexemplar erhalten.