Star Wars Identities im Odysseum
Fjischo Potto und Wokiline entdecken sich im Kölner Abenteuermuseum
Auf den Tag genau 38 Jahre ist es her, da Star Wars Premiere feierte: Am 25. Mai 1977 zog die Macht in 32 US-amerikanische Kinos ein und eroberte fortan den Rest der Welt. Seither entstanden im Hause Lucasfilm Ltd. fünf weitere Filme, bekannt als die klassische und die Prequel-Trilogie. Beide Trilogien sowie der Animationsfilm Star Wars: The Clone Wars und die gleichnamige Fernsehserie bilden die Grundlage für die Ausstellung Star Wars Identities. Nach Gastspielen in Paris und Lyon ist die Schau nun erstmals in Deutschland im Kölner Odysseum zu sehen. Das konnten wir von Fischpott uns natürlich nicht entgehen lassen und entsandten gleich zwei Redakteure, Britta und Fabian, in das Kölner Abenteuermuseum. Gemeinsam durchliefen wir alle Stationen der Ausstellung und erschufen so zwei neue Star Wars-Charaktere: den Mon Calamari Fjischo Potto und den Ewok Wokiline.
Welche Mächte formen dich?
Star Wars Ultras müssen nun ganz stark sein: Natürlich diskriminiert die Ausstellung nicht die Anakin-Generation. Auch wenn wahrscheinlich viele Luke-Fans kaum Berührungspunkte zu Podrennen oder gar dem nervigen Jar Jar Binks haben dürften, berücksichtigt die Sammlung von ca. 200 Ausstellungsstücken etwa zu gleichen Teilen Requisiten, Modelle, Kostüme und Kunstwerke aus beiden Trilogien. Zudem bietet jede Station interaktive Terminals und per Videoeinspielung Erklärungen und Hintergrundinfos, die mit Filmausschnitten aus beiden Trilogien kombiniert sind. Auch hier halten sich die Aussteller an die fifty-fifty-Verteilung: Alle Phänomene belegen sie anhand der Geschichte von Luke und Anakin Skywalker und zeigen so, welche Mächte die beiden zu dem gemacht haben, was wir über sie wissen oder zu wissen glauben. Ultra hin oder her.
Lassen wir aber nun Fjischo Potto und Wolkiline zu Wort kommen.
Museum als interaktives Rollenspiel
Fjischo Potto: Eine neue Identität zu wählen ist heutzutage einfach: Das richtige Spiel runterladen – die klassischen Identitätsanbieter sind (MMO)RPGs – und schon stehen mannigfaltige Aspekte zur Verfügung: Spezies (auch Rasse genannt), Klasse (auch Beruf), Gesinnung, Eigenschaften, Skills, vielleicht noch ein bisschen Feintuning beim Aussehen und ein paar Hintergrundelemente – fertig ist der Avatar zum Betreten einer neuen Welt. Für manche eine lästige Pflicht vorm eigentlichen Spiel, für andere das Beste am Game. Star Wars Identities kommt in dieser Hinsicht bekannt rüber; die zehn Stationen erinnern zum Teil an diese klassische Charaktererschaffung. Ergänzt wird sie durch erzählerische Anteile wie die Wahl eines Mentors und psychologische Modelle wie das Fünf-Faktoren-Modell. Einspielfilme, die ein bisschen an Per Anhalter durch die Galaxis erinnern, erklären das Phänomen der Identitätsbildung anhand von Star Wars-Protagonisten. Am Schluss haben die Besucher und Besucherinnen viel über Star Wars und Identität gelernt und einen Charakter zusammengestellt, der sogar online zu bestaunen ist. Über dieses einzigartige Verfahren hat sich das kollektive Bewusstsein des Blogs in einem eigenen Avatar inkarniert.
Wer ist Fjischo Potto?
Fjischo Potto ist ein Mon Calamari vom Gasplaneten Bespin. Er stammt aus einer Familie von Wolkenwagenkonstrukteuren. Da er schon früh hinaus in die Welt gezogen ist, fand er in den Tiefen des Internets eine Anstellung als Blogbauer. Tagtäglich fährt er raus auf die Textfelder, um frische Pressekarten und Rezensionsexemplare zu ernten. Hedonistisch wie er ist, landete er früh in der Sklaverei eines Hutten. Statt sich an seinem großen Vorbild Liam Neeson äh Qui Gon Jin zu orientieren und sich mit der Macht – die stark in ihm ist – zu befreien, träumte er sich in bessere Welten und fristet noch heute ein Sklavendasein. Dass der Hutte symbolisch für den Chefredakteur steht, der das Blog an kurzer Leine hält – das ist wirklich zu weit hergeholt.
Zehn Stationen für die Identitätsfindung
Wokiline: Die Star Wars Identities Ausstellung besteht aus insgesamt zehn Stationen, die dazu dienen, sich der schwierigen Frage nach der Identität zu nähern. Was soll daran schwierig sein?, mag sich mancher denken. Identität, das ist doch ganz einfach. Das ist doch… ähm… also, das ist doch, wenn ich… äh… Genau. So einfach ist das nämlich gar nicht. Befragt man Wikipedia, stößt man auf verschiedene Begriffsdefinitionen unterschiedlicher Disziplinen. Im Bereich der personalen Identität erfahren wir, dass das Wort aus dem Lateinischen stammt, derselbe beziehungsweise dasselbe bedeutet und die Gesamtheit des Seienden beschreibt. Es geht hier also um die Eigentümlichkeit des Wesens. Aha. Nun hat Identität auch sehr viel mit Selbstwert und Selbstwerterleben zu tun, einem zentralen Aspekt des Lebens, mit dem die meisten von uns sich durchaus schwer tun. Wer sich grundsätzlich immer für den Größten hält, kommt vielleicht gar nicht auf die Idee, seinen Selbstwert in Frage zu stellen. Andere aber kennen den Selbstzweifel nur allzu gut. Und wieder andere erkranken an dem Bruch oder gar dem Verlust in der für ihr eigenes Wesen so bedeutsamen Gruppenidentität. Schon wird deutlich: Der wissenschaftliche Hintergrund dieser Ausstellung ist ein ganz schönes Pfund. Passt aber umso besser in das Konzept des Odysseums. Als erstes deutsches Wissenschafts-Abenteuermuseum will das Haus einem jungen und junggebliebenen Publikum komplexe wissenschaftliche Fragestellungen spielerisch näherbringen. Die zehn Stationen sind nun dafür da, drei zentrale Bereiche der Identitätsfindung abzudecken: (1) den Ursprung eines Charakters, (2) die Einflüsse, die auf ihn einwirken, und (3) die Entscheidungen, die er im Laufe des Lebens trifft. Jeder Besucher hat die Möglichkeit, anhand der zehn Stationen einen eigenen Star Wars-Charakter zu erschaffen. Hierfür erhält jeder ein Armband mit einem Chip, auf dem die einzelnen Antworten gespeichert werden. Zum Schluss kann man sich die gesammelten Daten zuschicken lassen und sich die erschaffene Figur auf einer großen Leinwand anschauen.
Wer ist Wokiline?
Der Ursprung des Charakters Wokiline ist der seiner Spezies Ewok auf dem Waldmond Endor. Wie ihr Volk ist auch Wokiline friedliebend und gastfreundlich – alles in allem also ein soziales Wesen, das auf Gleichbehandlung steht. Entsprechend ihres Kleinwuchses ist ihr großes Vorbild natürlich Yoda. (Sie hat aber auch R2-D2 ganz doll lieb.) Die Macht in ihr wirkt nur mittelstark. Von Beruf ist sie Musikerin, in ihrer Freizeit steht sie auf Segelfliegen. Als sie als Jugendliche von zu Hause auszog, wünschten ihre Eltern ihr viel Spaß und gaben ihr auch noch was zu essen mit. Würde man ihr die Herrschaft über eine ganze Stadt anbieten, wäre ihr die Verantwortung zu groß – sie würde den Job des Bürgermeisters an einen vertrauensvoll wirkenden Anderen abgeben.
Fjischo Potto: »Nur zehn Stationen? Da fehlen aber noch zwei zur klassischen Heldenreise, auf der George Lucas den ersten Film aufgebaut hat.« Dieser vollvernerdete Gedanke durchfuhr das calamarische Hirn beim Betreten der Ausstellung. Erst langsam dämmerte es, dass hier das Erschaffen, nicht die Queste im Vordergrund steht. Umso bedauerlicher, dass der mitgenommene Charakter am Ende zwar als cooles Poster zum Download bereitstellt, aber nicht alle Ergebnisse der Charakterentwicklung zur Verfügung stehen. Leider steht auch kein 3D-Drucker am Ende bereit, der Fjischo Potto oder Wokiline auswirft. Stattdessen ist der Gift Shop mit den üblichen Memorabilien gefüllt, vom T-Shirt bis zum Plastik-Laserschwert.
Wokiline: Böse Zungen könnten behaupten, dass die Sammlung der Daten tatsächlich nur dem großen Imperator dient. Immerhin kommen hier dank der Schwarmintelligenz der Star Wars-Fans reichlich Ideen zusammen. Das Poster, das Wokiline nun ihr eigen nennen darf, darf sie nur für private Zwecke nutzen. Selbiges gilt für all die Fotos, die sie gemacht hat. Im Merchandising-Shop wäre sie fast schwachgeworden, als sie den Bausatz für einen 30 Zentimeter kleinen R2-D2 entdeckte. Mit LED-Beleuchtung und drei Fiep-Tönen! Und das für nur schlappe 20 Euro!
Die Findung des Selbst im fiktiven Universum
Wokiline: Willst du eine Fiktion erschaffen, musst du alles wissen, was es zu wissen geben kann, über deine Figuren und die Welt, in der sie leben. Unabhängig davon, ob der einzelne Aspekt jemals Einzug in deine Erzählung findet: Je mehr du über die Charaktere und ihre Biografien weißt, umso besser kannst du sie leben lassen. Diesen Grundsatz des Fiktionsschaffenden muss man George Lucas und seinen Leuten natürlich nicht erklären – wahrscheinlich haben sie ihn zusammen mit Walt Disney sogar erfunden. Mit Star Wars haben sie jedenfalls ein ganzes Universum erschaffen, von dem sie wahrscheinlich jederzeit (also auch morgens um vier, aus dem Tiefschlaf gerissen) jeden einzelnen Aspekt wiedergeben und erklären könnten: Sternenkonstellationen, politische und Wirtschaftssysteme, geologische und klimatische Daten, Ernährungsweisen, kulturelle Bräuche – das ganze Pipapo. Allein das hat es möglich gemacht, dass sich mehrere Generationen von kleinen und großen Jungs und Mädchen identifizieren können mit den Luke und Anakin Skywalkers, den Prinzessinnen Leia und Padmé, mit Yoda, Obi-Wan Kenobi, Darth Vader, R2-D2 – und wer sonst noch so alles durch das Universum reist. Diese Bereitschaft zur Identifikation hat aber auch etwas mit dem eigenen Selbst, der eigenen Identität zu tun. Trotz der Millionen von Fans, die Star Wars in 38 Jahren gewonnen hat, trifft die Begeisterung doch nicht alle. Wer die Identifikationsbereitschaft aber mitbringt, erhält in dieser Ausstellung günstige Voraussetzungen, sich der Frage nach der eigenen Identität zu stellen. Ist es doch viel leichter, dies anhand einer Fiktion zu tun. So hübsch fern ist diese, lässt sich im Zweifel gut von den vielleicht nicht immer so vorteilhaften Aspekten der eigenen Realität abspalten. Kurz: Die Ausstellung ist eine spannende Plattform für das informelle Lernen. Es tut nicht weh, macht vielmehr Spaß und entlässt einen hinterher unweigerlich und fast unbemerkt klüger als zuvor.
Fjischo Potto: Ein bisschen erweckt Star Wars Identities den Eindruck, Star Wars solle hier zu einer Universalphilosophie ausgebaut werden. Jeder Aspekt der Charakterbildung wird mit Beispielen aus dem Universum der Jedis und Droiden veranschaulicht. Das ist natürlich eine prima pädagogische Methode. Nur Identities würde kein Kind und keinen Teenager ins Odysseum locken. Und die Aura der Originalgegenstände überzeugt. Wer als Star Wars-Fan vor den Originalkostümen steht oder echte Produktionsskizzen zum Greifen nahe betrachtet, spürt definitiv eine Erschütterung der Macht.
Die Quote und der innere Nerd
Wokiline: Parallel mit uns gingen zwei junge Männer durch die beiden Hallen des Odysseum, die nun für das folgende halbe Jahr den Star War Identities vorbehalten sind. Immer wieder hörte ich einen von beiden ausrufen: »Das ist ja der Hammer! Guck mal, da ist…« und dann folgte meist der Hinweis auf irgendein technisches Spielzeug, sagen wir eine Flugmaschine, oder ein anderes Detail in den ausgestellten Requisiten. Umgekehrt reagierten die beiden amüsiert auf Wokiline, als sie jauchzend vor Yoda auf die Knie fiel. So hatte jeder von uns seinen Spaß. Wenn Wokiline aber was zu meckern hat, dann ist es der unterrepräsentierte Frauenanteil in der Schau. Okay, Star Wars ist männerlastig, keine Frage. Und doch gibt es mindestens ja mal zwei zentrale Frauenfiguren, von denen es aber nur Padmé Amidala zu einer eigenen größeren Ausstellungsfläche gebracht hat. Da sag ich doch nur: Hallo? Was ist mit Prinzessin Leia? Immerhin ist sie Luke Skywalkers Schwester, eine Kämpferin vor dem Herren und die Erfinderin der seitlichen Schneckenfrisur! Der Grund für so manch feuchten Traum eines in den Siebzigerjahren Geborenen! Ist mir was entgangen oder hat sie tatsächlich keinen eigenen Bereich bei den Star Wars Identities? Aber gut, seien wir großzügig. Immerhin gibt es ja jetzt Wokiline im Universum. Die muss es dann halt für die Frauen richten.
Fjischo Potto: Ach Wokiline, Du kennst Ahsoka aus Clone Wars und Sabine Wren oder Hera Syndulla aus Star Wars Rebels nicht. Aber im Grunde stimmt es schon: Frauen sind in diesem Universum unterrepräsentiert. Das könnte sich aber in den nächsten Jahren ändern. Wobei zur Gleichberechtigung zumindest die nächsten beiden Trilogien frauenlastiger ausfallen müssten. Und nicht jeder ist so begeistert. Hinter Fjischo Potto standen in der Ausstellung zwei Herren in den Vierzigern, es fielen Sätze wie »Das muss man doch nicht alles kennen?« »Ich habe noch nicht mal alle Filme gesehen …« So ist das eben. Wer nicht im positiven Kontakt mit dem inneren Nerd steht, für den ist das alles nichts. Da fallen dann die sehr happigen 22 Euro Eintrittsgeld für ausgewachsene Individuen besonders ins Gewicht.
Wokiline: Mann, schon wieder was dazugelernt!
Wir fanden auch das ein oder andere hätte besser sein können. Aber insgesamt hatte man ja schon ein paar Kinn-runterklapp Momente…wenn da der Original Yoda zum greifen nah ist….und das Star Wars Universum um Zartook, einen kaminoanischen Senator, und Hira, eine togrutanische Kampfpilotin, zu erweitern war schon witzig 🙂
Während ich ja ohnehin rollenspielerisch vorbelastet bin und dabei auch noch gern männliche Charaktere spiele ;), hätte meine achtjährige Tochter schon gern ein paar mehr weibliche Charaktere bei der „Mentor“-Station zur Auswahl gehabt. So wurde es dann natürlich Leia (ich kann schon verstehen, dass Padmé eher nicht zum Mädchen-Vorbild taugt – ich fände es auch doof, wenn sie sich mit jemandem identifizieren würde, die sich von ihrem Gatten zu Tode würgen lässt … ;P ).
Lässt sich also festhalten: Die weit, weit entfernte Galaxis hat Hera, Sabine und Ahsoka ganz dringend nötig, ebenso wie Star Wars-begeisterte Mädchen auf der Suche nach „Identities“. 😉
Generell waren es tolle Exponate, gepaart mit interessanten Beiträgen zum Thema Identität und Charakterentwicklung.
Und wer würde in der Ausstellung nicht gern aufs Speederbike springen oder einmal über Vaders Brustplatte streicheln? Aber so nah darf man auch wieder nicht ran … ^_^