The Haunting of Sharon Tate
Am 21. Juli 1969 landeten erstmals Menschen auf dem Mond. Verschwörungstheoretiker bezweifeln es. Vom 15. bis zum 18. August 1969 feierten Hippies Peace and Music in White Lake – nicht in Woodstock, denn nach Anwohnerprotesten hatte man den ursprünglich vorgesehenen Veranstaltungsort aufgeben müssen. Dennoch wurde Woodstock zum Synonym für ein Mammut-Festival, das heute als Abgesang der Hippie-Ära gilt. Derweil gab es auf halber Strecke zwischen den beiden epochalen Daten, am 9. August 1969, ein schauerliches Ereignis, mit dem weit mehr von den Träumen der Jugend starb: der Mord an Schauspielerin Sharon Tate durch die Manson Family.
Ein halbes Jahrhundert später liegt es nahe, die Dinge noch einmal filmisch aufzurollen, so geschehen mit The Haunting of Sharon Tate. Allerdings haben sich viele Mysterien von einst erledigt. Immerhin ist längst klar, dass Charles Manson Anstifter jener gruseligen Bluttat durch seine Handlanger war. Dass es sich bei den eigentlichen Tätern um verlorene Seelen mit der Neigung zu Rauschgift, Satanismus und Psychosen handelte. Dass der 2017 verstorbene Manson alle Schattierungen von Guru bis Giftzwerg aufwies, der den seltsamen Spagat zwischen Rassist und Blumenkind probte. Einmal im Gefängnis, konnte ihn manch ein Journalist dank seiner Redseligkeit ausquetschen. Aber die Redseligkeit war zugleich das Problem, denn was Manson an Mantras ausspuckte, machte nicht klug, sondern schwindelig allein vom Zuhören.
Was also wäre heute noch der Stoff für Kinogespinst? Regisseur Daniel Farrands schrieb das Drehbuch zu einem 94-minütigen Horrorthriller, der auf dünnem Eis schlittert. Im Kern ist dies Sharons Vermutung, dass das Leben unausweichlich einem Plan folgt. Daraus nähren sich ihre Visionen vom bevorstehenden Grauen. Solche Ahnungen haben das Zeug, sich von cineastischen Psychos zur mentalen Kettensäge auswalzen zu lassen. Farrands dagegen nimmt eine leise Gangart, bei der nur die unterlegte Geisterbahnmusik aus harmlosen Bildern Spuk macht. Das war dem Hollywood Reel Independent Film Festival Preise wert und der Hardcore-Fraktion nach der Uraufführung am 5. April 2019 einige Verrisse. Irgendwo dazwischen steht Sharons Schwester Debra, die immer wieder gegen Begnadigungen der Manson Family opponierte und den Film geschmacklos findet. Möglicherweise deshalb, weil ein planmäßiger Ablauf des Lebens auch bedeutet, dass Täter und Opfer nicht anders konnten, als sich in einer Mordangelegenheit zu begegnen.
Leise schwingt in diesem Konstrukt ein Plot, dessen Skript die schwangere Sharon in einer ahnungsschweren Szene auf ihrem Tisch liegen sieht: Rosemaries Baby, verfilmt von ihrem Ehemann Roman Polanski. Auch da kursierten einst die Theorien, Polanskis Horror Movies hätten die Steilvorlage für das bittere Ende geliefert. Überhaupt: Wer mehrfach aus Farrands‘ Film aussteigt, um mit versteckten Details ins Internet einzusteigen, kann sich ganz gut mal verlieren. Der Hinweis auf Tate als Publikumsliebling aus Zwölf plus eins (hier in den Titel 13 Stühle verwandelt) liegt allerdings schwer im Magen, weil der Film erst nach Sharons Tod in die Kinos kam. Aber die 13 hat was für Spintisierer: 1966 spielte Tate eine ihrer ersten Rollen in Die schwarze 13, in dem es ausgerechnet um Menschenopfer ging.
Was Shazam nicht findet, ist der Song, der in The Haunting eine spukige Nacht zerreißt. Es handelt sich um „Cease to exist“, komponiert und gesungen von Charles Manson höchstpersönlich. Die App versagt deshalb, weil die Nummer nie ordentlich produziert wurde. Und auch das entwickelt sich bei intensiver Recherche zur Gruselpartie. Der Hobby-Singer-Songwriter Manson hatte sich einst ein paar Häuser vom Tatort entfernt bei Dennis Wilson, eingeschmeichelt, dem Drummer der Beach Boys, der ihn mit Musikproduzent Terry Melcher bekannt machte. Melcher ließ Manson abblitzen, worüber der Psychopath schweren Groll entwickelte und mehrfach in Melchers Haus eindrang. Die Übergriffe wurden so heftig, dass der Produzent die Adresse aufgab und wem den Weg als Nachmieter ebnete? Genau: Roman Polanski und Sharon Tate.
Wer nun immer noch nicht auf den Trichter kommt, dass im Leben ein Plan stecken könnte, hat sicher auch die Eingangsszene von The Haunting of Sharon Tate verschlafen. „Pigs“ steht da auf einer Fensterscheibe, mit Sharons Blut geschrieben. Es ist eine Botschaft der Manson Family, die seit einem Jahr im Kopf ihres Meisters schwirrte und auf George Harrisons Song vom berühmten Weißen Album der Beatles zurückging. Obwohl selbst längst zum Wohlstandsknaben mutiert, wetterte Harrison in „Piggies“ auf das Establishment: „Clutching forks and knives to eat their bacon“. Das reale Ende vom Lied war furchtbar, denn bei weiteren Verbrechen am folgenden Tag jagten die Mörder Messer und Gabel in die Körper ihrer Opfer.
Farrands tut weiter nichts, als nach ziemlich braver und antiquierter Methode Fährten zu legen. Ob man sie links liegen lässt oder ihnen folgt, um in der Realität von damals Seltsames zu entdecken, bleibt den Vorlieben des Zuschauers überlassen. „Hältst du es für möglich, das Schicksal zu ändern?“, stellt Sharon im Film eine letzte Frage, nachdem der Plot eine halbe Stunde zuvor in eine durchaus denkbare Variante der Mordnacht eingestiegen war. Nun muss aber die Gegenfrage lauten, was es bringt, das zu glauben. Eine Antwort hat der Film nicht parat und liefert auch kein authentisches Bild der Hippie-Ära. Selbst Hilary Duff, wenn auch gute Schauspielerin, wirkt in dieser Rolle als Sharon Tate nicht überzeugend. Der Spaß am Film besteht vielmehr darin, in alten und neuen Phantastereien versinken zu können. Warum wurde Melcher, der das Haus längst aufgegeben hatte, nach den Morden zum Alkoholiker? Wie sehr kränkte es Manson, dass die Beach Boys wie auch Guns N’Roses mit Coverversionen seiner Songs Geld verdienten? Welche Gegenstände waren so wichtig, dass Drummer Dennis Wilson nach ihnen tauchte und ertrank? Und falls man noch ganz tief einsteigen möchte: Warum spielt ausgerechnet Lydia Hearst neben Duff eine der Opferrollen im Film? Immerhin ist sie Urenkelin von Medienmogul William Randolph Hearst und Tochter von Patty Hearst, die 1974 von Terroristen entführt wurde. Guter Tipp: Denkt mal über all das nach.
Ab 10. Mai als DVD, Blu-ray und Video on Demand erhältlich. Wir haben die DVD als Ansichtsexemplar erhalten.