Thief (2014)
Anno 1998 hat das amerikanische Studio Looking Glass mit Thief (hierzulande als Dark Project – Der Meisterdieb erschienen) quasi das Stealth-Genre neu erfunden. Klar, Spiele in denen man eher bedächtig vorgehen muss gab es davor auch schon. Auch Spiele, in denen man sich das Leben mit klugem Ausnutzen der Umgebung oder der Benutzung diverser Gadgets spürbar leichter machen konnte. Spiele wie das Ur-Castle Wolfenstein, Metal Gear oder Airborne Ranger. Aber so richtig definiert wurde virtuelles Schleichen erst mit Thief und dem im gleichen Jahr erschienen Metal Gear Solid. Und auch wenn es Hauptcharakter Garrett nie zu der gleichen ikonischen Bekanntheit wie Solid Snake, Lara Croft oder gar Mario gebracht hat ist er doch fest in der Spielewelt verankert. Garrett kennt man halt. Auch wenn man seine Spiele vielleicht nie gespielt hat.
Mit dem aktuellen, einfach Thief betitelten Teil liegt jetzt genau 10 Jahre nach dem Vorgänger Thief 3 – Deadly Shadows das neueste Abenteuer um Meisterdieb Garrett und seine namentlich nicht genannte Heimatstadt voller Korruption, Unterdrückung und Armut vor. Und da es gerade so in ist und da die meisten Spieler nicht genug Vorwissen aus den alten Teilen haben, wurde es direkt als Reboot angelegt. Also ein Neustart, der den Charakter und die Serie neu definieren soll. Außerdem werden Reboots gern mal genutzt, um Altlasten über Bord zu werfen oder eine neue Storyline zu eröffnen. Square-Enix hat mit Reboots auch schon ein paar Erfahrungen gesammelt, Tomb Raider und Deus Ex wurden bereits relativ erfolgreich auf diese Art neu gestartet.
Wie schlägt schleicht sich jetzt also Garrett?
Alles nur geklaut 1
Vom Spielablauf hat sich im direkten Vergleich zum Vorgänger nicht viel getan. Die Stadt ist nach wie vor in unterschiedliche Stadtteile (unter anderem Stonemarket und Hafenviertel) unterteilt und nach wie vor patrouillieren rabiate Wachen auf den Straßen, es herrscht Armut und erwischte Straftäter werden meist an Ort und Stelle am nächsten Balken aufgeknüpft. Als Hintermänner und Antagonisten treten hier vor allem Baron Northcrest und sein Diebesfänger-General in Erscheinung. Da Garrett nach wie vor Staatsfeind Nr. 1 ist kann er sich natürlich nicht frei auf den Straßen bewegen, seine Routen führen ihn eher über Dächer oder verborgen im Schatten von überall herumstehenden Kisten, Fuhrwerken oder Fässern. Solange er sich dabei nicht ins Licht wagt und keinen unnötigen Lärm verursacht kommt er auch relativ gut voran. Immer wieder kann man sich dabei auch an Leute heranschleichen und diesen die Geldbörse klauen (oder sie von hinten niederknüppeln – Konfrontation von vorne sollte man besser vermeiden). Und natürlich bemerkt man schon in den ersten Spielminuten, dass sich diverse Fenster und Türen öffnen lassen. Entweder um alternative Routen durch Gebäude zu nutzen oder um zwischen den Stadtteilen zu wechseln, wenn die offiziellen Tore mal zu sein sollten.
Außerdem kann Garrett diverse Gadgets nutzen. Das waren serientypisch immer schon diverse Pfeile (Wasserpfeile um Fackeln zu löschen, Stumpfe Pfeile um Schalter auszulösen oder Wachen abzulenken, Seilpfeile um an vorgegebenen Stellen ein Seil von einem Balken hängen zu lassen und so weiter), neu ist eine Art Greifhaken, den man (automatisch) nutzt wenn man an bestimmten Stellen Wände hochklettern will. Wenn man doch mal kämpfen muss hat man dazu nur einen verstärkten Knüppel. Mit dem kann man Gegner von hinten (und mit passender Fähigkeit auch begrenzt im offenen Kampf) mit einem Schlag ins Reich der Träume schicken. Alternativ kann man in einem allerdings etwas hakligen Kampfsystem auch eine eher actionbetonte Konfrontation wählen. Natürlich lassen sich Gegner auch ganz profan mit Pfeil und Bogen erschießen.
Ziel ist es dabei immer, zum aktuellen Missionsziel zu gelangen, dort die Mission auszuführen und manchmal danach noch eine recht dynamisch inszenierte Fluchtszene zu erleben. Im Lauf der Missionen wird man immer wieder (simpel!) Schlösser knacken müssen, durch Schlüssellöcher spähen dürfen und natürlich diverses Diebesgut an sich reißen können. Ein paar Kletterpassagen in einer Dritte-Person-Perspektive gibt es auch noch. Der Schwierigkeitsgrad kann dabei in verschiedenen Stufen oder auch ganz individuell eingestellt werden. Leider lässt sich die Wahl im Lauf des Spiels nicht mehr ändern. In den Optionen kann man dafür auch diverse Spielhilfen wie Wegmarker oder Hervorhebungen von interessanten Objekten an- und ausschalten.
Looten & Leveln 2
Als Square-Enix ein Erfahrungspunktesystem für Thief angekündigt hat ging ein Aufschrei durch die Szene. Zumindest die Szene von alten Fans, die ihren Unmut gern in Foren oder auf YouTube kundtun. Ob dieser Aufschrei jetzt wirklich repräsentativ ist sei mal dahingestellt. Fakt ist: Das Erfahrungspunktesystem wurde gestrichen… Nein, eigentlich nicht. Es wurde verändert.
Man schleicht sich durch die Straßen, über Dächer, in Häuser, etcera. Dabei findet man immer wieder irgendwelches Bling-Bling. Es ist teilweise faszinierend was Leute so in den Straßen, auf Dächern und in Häusern liegen lassen. An jeder Ecke goldene Krüge, Lupen, Scheren, Pokale oder Broschen. Auch Geldbörsen scheinen öfter mal verloren zu gehen. Manchmal noch recht sinnvoll in Vogelnestern – da hat wohl diese verrückte Elster mal wieder zugeschlagen, damn you, verrückte Elster! Manchmal auch einfach so auf Balken, Fässern, hinter Schränken, in Regalen. Und wenn man diese Gegenstände einsackt verwandeln sie sich sofort in Gold. Man muss nicht mal zum Hehler. Und wozu braucht man das Gold? Richtig, um Ausrüstung zu kaufen. Und um seine Fähigkeiten zu verbessern. Man kann also stärker werden, genauer zielen lernen, mehr Focus- oder Lebensenergie gewinnen und und und. Dazu muss man entweder doch mal zum Hehler oder zur Königin der Bettler. Ich finde, das ist schon ein Erfahrungspunktesystem. Nur dass man halt sein Gold einsetzen muss anstatt irgendwelche Punkte.
Geschichten sind erzählt – doch sie bedeuten nichts 3
Die Hintergrundgeschichte ist ziemlich verworren und unnötig aufgebauscht. Gab es in den alten Serienteilen noch ein ziemlich gutes Handlungsgerüst mit drei Fraktionen (Hüter, Hammeriten und Heiden, jede mit unterschiedlicher Motivation) und eine Stadt im Aufbruch in die Moderne ist es hier ein eigentlich eher simpler Konflikt mit ein wenig esoterischem Geschwurbel. Dazu kommt, dass die Gegenspieler auch noch extra fies und offenkundig widerwärtig gestaltet wurden. Der General hat schmierige Haare (außer am Hinterkopf, da sind keine Haare) und Warzen im Gesicht und könnte auch ein unangenehmer Pornoproduzent sein. Garrett hingegen benimmt sich als meistgesuchter Dieb der Stadt auch nicht so richtig rollengerecht. Er hat für seine Raubzüge (man weiß laut den Fahndungsplakaten ziemlich genau wie er aussieht) nicht mal ein Alter Ego entwickelt, nein, er spaziert einfach in voller Diebesmontur herum, wird dadurch natürlich von seinen Feinden auch sofort auf der Straße erkannt und gibt sich nicht mal die Mühe, sich außerhalb einer Mission wenigstens halbwegs zivil zu kleiden. Die Story ist aber auch eigentlich egal, da man ja vor allem mit – ja, genau! – Looten & Leveln beschäftigt ist.
Keine Logik ist auch eine Logik
Was mir vor allem aufgefallen ist: Die Spielwelt ist um das Spielprinzip herum gestrickt. Da stehen direkt vor einem Wachturm Kisten herum, auf denen auch noch eine verschlossene Schatulle liegt. Inhalt der Schatulle: Pfeile, abgezählt für Garretts Köcher, der nur eine bestimmte Anzahl von verschiedenen Pfeilen aufnehmen kann, zum Beispiel 7 Seilpfeile, 17 stumpfe Pfeile, 7 normale Pfeile und so weiter – man kann die Aufteilung nicht beeinflussen. Macht spielerisch sicher Sinn, ist aber nicht gerade sehr logisch.
Wenn man auf ein Fenster schaut spiegelt sich in diesem immer das gleiche – und das egal ob Garrett drinnen oder draußen steht. Es sind immer die gleichen Texturen. Sogar die Beleuchtung ist immer die gleiche. Wenn Garrett durch die Stadt schleicht gibt es keine Möglichkeit, die Reisen zu verkürzen. Keine geheimen Diebeswege in Form einer Schnellreisefunktion, nein, man muss immer wieder die gleichen Wege abgehen. Die ganze Stadt ist so aufgebaut, dass man stets schattige Ecken findet und die Wachen dort auch nie genau schauen. Die Sichtweite der Wachen ist eh ein mittlerer Witz, man kann sich vieles erlauben bevor man entdeckt wird. Vordergründig fühlt man sich dabei als Meisterdieb natürlich überlegen, hintenrum ist das Ganze aber so aufgebaut, dass auch Anfänger super zurechtkommen. Nur in den Nahkampf sollte man mit Garrett besser nicht gehen, kann aber auch dann einfach weglaufen, den Raum wechseln oder eine Etage höher gehen. Die Wachen scheinen einen festen Bewegungsradius zu haben, den sie nicht verlassen.
Im Vorbeigehen werden immer und immer wieder die gleichen Gespräche getriggert. In Gebäuden gibt es teilweise nur einen Einstieg durchs Fenster, drinnen sind dann Türen von innen mit Möbeln verstellt. Man fragt sich: Wer macht so etwas? Standardausrüstung wie Schraubenzieher, Skalpell, Drahtschere muss man anfangs erst noch kaufen. Die sollte ein Meisterdieb doch eigentlich in diversen Ausführungen daheim liegen haben? Dass man vorhandene Gegenstände mal aufleveln kann, klar, aber dass man wichtige Gegenstände gar nicht hat ist auch nicht logisch.
Und es liegen überall in der Stadt Glasscherben herum. Wenn bei einem Kampf in ein Haus eingebrochen wird, ist es ja logisch wenn hinterher überall Glasscherben herumliegen, aber auch in normalen Häusern, Villen, zwischen Bücherregalen, in Hausfluren, überall Glasscherben, Glasscherben und noch mehr Glasscherben. Ich streue auch vor jedem Schlafengehen Glasscherben aus, ist ja voll normal, ey. Klar schleicht man darauf nicht gut, aber Sinn macht das nicht. Dann doch lieber knarrende Böden oder mal in einer Küche Glasscherben aber doch nicht überall!
Die einzelnen Levels wirken eher wie Parcours, die nur für die Spielfigur gemacht wurden, nicht wie eine logische Spielwelt in der Garrett nun mal lebt.
Fazit
Mir hat das Spiel auf eine perfide Art und Weise Spaß gemacht. Die einzelnen Orte waren doch abwechslungsreich und atmosphärisch stimmig gestaltet. Es gab genug Zeugs zum finden und der Flow war einfach da: Rein, spähen, Wachen umhauen, Räume durchsuchen, Gespräche belauschen, beobachten und wieder von vorne. Dazu die ganz gut inszenierten Fluchtsequenzen und ein paar gute Nebenaufgaben. Das Spiel ist dabei ein wenig puristischer als zum Beispiel Dishonored und deutlich weniger Hightech als ein Splinter Cell, aber Spaß macht es schon. „Mittelalterliche“ Schleichspiele gefallen mir eh besser, ich hatte damals sehr viel Spaß mit Tenchu: Wrath of Heaven und Tenchu: Kurenai (fand aber auch No One Lives Forever richtig gut). Gleichzeitig habe ich auch kein Problem damit, in Ruhe die Bewegungsmuster von Wachen zu beobachten und kann damit leben, dass die Wachen sicher keine Verstärkung bekommen. Wenn mir das zu simpel (oder auch zu schwer) wird kann ich das Spiel individuell nach meiner Spielweise konfigurieren, indem ich den Schwierigkeitsgrad über sehr viele Optionen regelrecht feinjustieren kann. Zynisch könnte man natürlich auch behaupten, dass man den Spieler so das Balancing selbst erledigen lässt.
Wer die alten Thief-Spiele vor allem wegen des Simulationscharakters des Diebeslebens gemocht hat wird hier allerdings nicht glücklich. All die Schmähungen in den Weiten des Internets stimmen nämlich. So gut und fließend wie beispielsweise die Batman-Spiele ist es auch nicht. In diesem Punkt ist Thief leider ein sehr auf Nummer sicher produzierter Blockbuster-Durchschnitt.
Schlussbemerkungen:
Das Spiel ist für PC, PS3, XBOX 360, PS4 und XBOX One erhältlich. Getestet wurde auf PC und mit englischer Sprache und Texten.
Gespielt habe ich auf einem recht betagten PC mit Intel Core2Duo E6400 mit 2,13 GHz, 4 GB Ram, AMD Radeon HD4890 Grafikkarte mit 1GB Speicher. Damit läuft das Spiel einigermaßen mit wirklich reduziertesten Details (very low) in 1680*1050 Bildpunkten. Allerdings musste ich dafür den Ordner Win64 im Spielverzeichnis steamapps/common/thief/binaries umbenennen (in irgendwas) und den Ordner Win32 in Win64 benennen.
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