Zoomania
Kleinstadthäschen trifft Großstadtfuchs
Aus Zootopia wird Zoomania: Für den deutschen Filmstart hat Disney die Animationsfilm-Fabel noch rasch umgetauft. Die im Original titelgebende Stadt spielt trotzdem die Hauptrolle in der animalischen Krimikomödie.
Große Ohren, große Träume
Judy Hopps hat einen Traum: Die Hasendame vom Lande will Polizistin in der Großstadt werden. Normalerweise ist dieser Job den großen Tieren vorbehalten: Eisbären, Büffel, Nashörner, Raubkatzen. Aber Judy zieht das Training tapfer duch und schafft als erste ihrer Art den Abschluss an der Polizeiakademie. Nur, um am ersten Tag Strafzettel zu verteilen und vom Trickbetrüger Nick Wilde, zu allem Unglück auch noch ein Fuchs, reingelegt zu werden. Um sich zu beweisen, nimmt Hopps die Spur eines vermissten Otter-Floristen auf. Bei der Spurensuche stößt sie ausgerechnet auf den rotbepelzten Trickser. Fuchs und Hase müssen sich zusammenraufen und den Fall gemeinsam klären.
Fabelhaft divers
Die gute alte Tierfabel lebt. Wie schon in Robin Hood von 19731 erweckt Disney in Zoomania den uralten Topos zu neuem Leben. Nicht König Nobel herrscht über sein Reich, Bürgermeister Lionheart (im Original gesprochen von J. K. Simmons) ist das demokratisch gewählte Oberhaupt einer modernen Metropole. Zootopia, die Hauptstadt der Säugetiere2 besteht aus mehreren Bezirken mit eigenen Klimazonen. Der Saharaplatz ist inspiriert von Monte Carlo und Dubai, Tundra Town erinnert an Russland im Winter, das Amazonas-Viertel ist ein urbaner Regenwald und so weiter. Gleichzeitig sind alle Häuser und Verkehrsmittel an die Anatomie der Bewohner angepasst. Denn obwohl alle Zootopians anthropomorphe Säugetiere sind, hat sich das Produktionsteam eng an Größe und Anatomie der Vorbilder orientiert. Hamster sind winzig, Elefanten riesig und Giraffen unglaublich lang. Fenneks setzen sich zum Autofahren auf einem Stapel Telefonbücher, Flusspferde schwimmen am liebsten zur Arbeit.
Haben sie was gegen Fleischfresser?
Zootopia ist ein Schmelztiegel der Spezies und obwohl alle Tiere harmonisch zusammenleben, existieren unter der Oberfläche Spannungen. Hasen haben Vorurteile gegen Füchse, kleine Tiere werden im Elefanteneisladen3 schon mal nicht bedient, die Minderheit der Fleischfresser4 gilt manchen als primitiv und Nicht-Hasen sollten Hasen keineswegs niedlich nennen. Wenn dann auf einmal Raubtiere verschwinden, ahnt man schon, dass sich die ganze Sache zum Politikum entwickeln könnte.
Schlappohr und Spitzohr
Trotz aller angedeuteten menschlichen Diskriminierung hält Zoomania mehrere Giraffenlängen Abstand zur drögen Morallektion. Dass Vorurteilsfreiheit eigentliche eine ganz dufte Sache ist, schwingt eher so im Subtext mit. Im Mittelpunkt steht eine sowas von gelungene Krimikomödie im anthropomorphen Tiermilieu. Vernehmungen im Nudistenclub, Treffen mit dem Don von Tundra Town, Breaking Bad-Zitate und der cholerische Polizeichef (Idris Elba spricht Chief Bogo, einen Schwarzbüffel) loten das komödiantische und kriminalistische Potential der Multispeziesstadt in ihrer gesamten Tiefe aus. Oder zumindest fast. Denn ganz am Ende möchte man liebend gerne noch mehr von Zootopia sehen. Eine Cop-Serie mit den beiden Protagonisten zum Beispiel.
Elefanten-Barbie und Panther-Ken
Natürlich ist Zoomania das wirklich abgründige fremd. Auch wenn die Show von Popsängerin Gazelle (gesprochen von Shakira) die Fantasie der Furry-Szene nachhaltig beflügeln dürfte, haben wir es immer noch mit einem familientauglichen Film aus dem Hause Disney zu tun. Der Besuch im FKK-Club spielt zwar mit der Nacktheit als komischem Element, die genitalfreien glatten Körperstellen der Nudistentiere wirken jedoch eher befremdlich.5 Hier wären strategisch platzierte Elemente a la Austin Powers die bessere Wahl gewesen. Der Humormischung ist eigentlich ganz typisch für Family Entertainment, popkulturelle Anspielungen und Situationskomik für Erwachsene und handfeste Gags für die Kleinen.
Humor für Kinder und Erwachsene, schockfrei und größtenteils gewaltlos, spannende Handlung mit zwei, drei überraschenden Wendungen in einer wunderbar umgesetzten Welt – Zoomania könnte der Familien-Animationsfilm des Jahres werden.
Disclaimer: Fischpott hat eine Einladung zur Pressevorführung im Residenz, dem wohl luxuriösesten Kino in Köln und Umgebung erhalten und den Film dort im englischen Originalton und im größtenteils überflüssigem 3D gesehen.
- Den ich als Kind auf VHS immer und immer und immer und immer wieder gucken wollte. ↩
- Die Frage, ob es auch Reptilien-, Vogel- oder sonstige Städte gibt, beantwortet Zoomania leider nicht. ↩
- Allein für den Elefanteneisladen verdient Zoomania schon einen Crazy-Idea-Oscar oder so etwas. ↩
- Biologisch korrekt machen sie nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung aus. ↩
- Ich fühlte mich an einen Playmobil-Elefanten aus meiner Kindheit erinnert. ↩